: Der Esel von San Siro
■ Inter Mailands Hochmut wurde bitterlich bestraft, Bayern München kam gerade noch mal davon
Berlin (taz/dpa) — Wenn es den großen europäischen Fußballclubs an etwas fehlt, dann an Demut. „Ich will nicht übertreiben, aber sechs Treffer sollten's schon sein“, hatte Stefan Effenberg von Bayern München vor dem UEFA-Cup-Rückspiel gegen Cork City herumposaunt. Heraus sprang ein mickriges 2:0, mit Glück erst kurz vor Schluß sichergestellt. „Ein Spektakel“ wollte Effenberg dem Publikum bieten, hinterher taten Stürmer Roland Wohlfarth „die Zuschauer leid“. Und Uli Hoeneß, einst selbst kein Feind von kessen Sprüchen, in der jüngeren Vergangenheit aber eher still und bescheiden geworden, rügte seinen maulfertigen Angestellten Effenberg vor dem Spiel in düsterer Voraussicht: „Solche Sprüche schaffen nur zusätzlichen Druck.“ Hinterher fiel ihm gar nichts mehr ein: „Ich muß mich erst einmal fassen.“
Auch Corrado Orrico, Noch- Trainer Inter Mailands, hatte sich vor dem Hinspiel bei Boavista Porto als Bruder im Geiste Effenbergs entpuppt. „Kein Problem in Porto. Auch wenn wir verlieren, im Rückspiel vor eigenem Publikum rücken wir dann alles zurecht.“ Der erste Teil der Vorhersage klappte hervorragend, nur mit dem zweiten haperte es. Nur zweimal schossen die Mailänder überhaupt auf das Boavista-Tor, Jürgen Klinsmann wurde von der Presse bündig als „Desaster“ apostrophiert. Nach dem 1:2 im Hinspiel bedeutete das 0:0 vor 40.000 hellauf entsetzten Zuschauern im San Siro-Stadion den frühen Abschied des deutsch-italienischen Millionen-Teams aus dem diesjährigen UEFA-Cup.
Merkwürdige Worte des Trostes fand der Trainer nach dem Trauerspiel: „Es ist ja nicht das Ende der Welt. Inter fliegt ja nicht zum erstenmal gleich in der ersten Runde aus.“ Fliegen wird wohl bald auch Corrado Orrico, dessen ungeschminkte Reue Präsident Pellegrini, dem das Debakel runde 17 Millionen Mark kosten wird, kaum versöhnen dürfte. „Vielleicht wirke ich als ein Esel“, sagte der Nachfolger Giovanni Trapattonis, „aber ich gebe zu, alles falsch gemacht zu haben.“
Daß die ehemaligen Fußballzwerge Europas immer frecher werden, bewiesen auch Teams wie Flamurtari Vlora aus Albanien, das gegen IFK Götebeorg nach 0:0 und 1:1 nur wegen des schwedischen Auswärtstores ausschied, Partizan Tirana (0:0 und 0:1 gegen Feyenoord Rotterdam), Apollon Limassol aus Zypern, das gegen Craiova triumphierte, oder Anorthosis Famagusta, das sich dem Europacupsieger von 1986, Steaua Bukarest, erst nach Verlängerung geschlagen gab.
Nur einer hat nichts dazugelernt: Stefan Effenberg. Er wünscht sich gleich als nächsten Gegner den FC Liverpool. Vielleicht sollte ihm mal jemand sagen, daß die Engländer ein klein wenig besser Fußball spielen als die wackeren Amateurkicker von Cork City. Matti
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