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Der Esel heißt Norbert Blüm

■ ...der für den Bundeshaushalt pro Jahr 400 Millionen spart/ Die Schläge bekommt der Sack ab: die Bundesanstalt für Arbeit

Der Verflossene hat sich längst unbekannten Aufenthalts aus dem Staube gemacht, da soll seine geschiedene Ehefrau ihn um wöchentlich 28,30DM Unterhalt belangen. So will es jedenfalls das Arbeitsamt von ihr, weil sie Arbeitslosenhilfe beantragt hat. Nicht viel besser geht einem arbeitslosen Verwaltungsangestellten. Mit seinen fünfzig Jahren soll er plötzlich von seinen Eltern, einem Rentnerehepaar, einen monatlichen Zuschuß eintreiben. Bei der Gelegenheit müßte er ihnen auch offenbaren, was er monatelang verschwiegen hat: daß er nämlich seinen Job verloren hat. Ein vierzigjähriger Sozialpädagoge soll währenddesen seine schwerbehinderte Mutter von Amts wegen zur Kasse bitten.

Alltägliche Beispiele für Demütigungen, Peinlichkeiten und Familienkrächen, zu denen die sogenannte Bedürftigkeitsprüfung des Arbeitsförderungsgesetzes seit Jahren zwingt. Nach dieser Regelung werden mögliche Unterhaltszahlungen von engen Familienangehörigen auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet, sprich: Die Geldleistungen vom Arbeitsamt werden um einen Unterhaltsbetrag gekürzt, egal ob dieser Betrag tatsächlich gezahlt wird oder nicht.

Geld von ihren Familienangehörigen sehen aber nur die wenigsten Arbeitslosen. In vielen Fällen weigern sich die Unterhaltspflichtigen, zu zahlen. Meistens aber verzichten die Arbeitslosen von sich aus auf die entwürdigende Prozedur. Sie fordern den Unterhalt gar nicht erst ein und nehmen lieber in Kauf, daß ihnen die Arbeitslosenhilfe dann um die errechnete Unterhaltssumme gekürzt wird. Wohl dem, so lautet daher ein sarkastischer Spruch unter Arbeitslosen, der seine Verwandtschaft unter der Erde hat.

Auch bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg löst die leidige Unterhaltsregelung nur noch ein gequältes Stöhnen aus. Zwar spart die Arbeitslosenkasse dank dieser Regelung seit Jahren reichlich Geld: rund 400 Millionen jährlich, so lauteten die internen Schätzungen schon vor einem Jahr.

Ansonsten aber bringt sie nichts als Ärger. So klagt denn auch ein Mitarbeiter der Nürnberger Behörde: „Wir sind der Sack, auf dem herumgeprügelt wird, wenn man den Esel meint.“ Daß der zu prügelnde Esel im Bonner Arbeitsministerium grast und außerordentlich störrisch ist, ist unschwer zu erraten. Mehrfach schon hat die Bundesanstalt für Arbeit ihrem Dienstherrn nahegelegt, die jahrzehntelange Praxis der Unterhaltsanrechnung endlich zu revidieren. Zu aufwendig sei das ganze, juristisch umstritten und darüber hinaus oftmals menschlich unzumutbar.

Doch das Bonner Ministerium, das schließlich die Defizite der Nürnberger Anstalt finanziert, bleibt stur. Der Einsparungsposten schlägt aktuell um so mehr zu Buche, je besorgniserregender die Kosten für die Massenarbeitslosigkeit in der ehemaligen DDR in die Höhe schnellen. Allein in diesem Jahr ist das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit von 3,1 Milliarden auf 6,7 Milliarden Mark geklettert. Tendenz weiter steigend.

Aus einem ganz profanen Kostenkalkül greift das Blüm-Ministerium deshalb zu einem nicht sehr feinen Trick: Es zwingt die dem Bonner Ministerium als weisungsgebunden unterstellte Bundesanstalt von einem Gerichtsverfahren in das nächste, auch wenn die Arbeitsämter dabei eine juristische Schlappe nach der anderen einfahren. Denn auch diese Niederlagen gehören zum Sparkonzept: Nur die wenigsten Arbeitslosen klagen gegen die rechtswidrige Kürzung der Arbeitslosenhilfe um den fiktiven Unterhaltsbetrag, und selbst wenn sie den mühsamen Weg zu den Gerichten beschreiten: Solange durch alle Instanzen prozessiert wird, müssen die Arbeitsämter auch nicht zahlen.

Im Frühjahr 1989 fing sich die Bundesanstalt für Arbeit ob dieser Praktiken eine deftige richterliche Ohrfeige ein. Dem Sozialgericht Hannover war nach einer Prozeßlawine der Kragen geplatzt. Es rügte in einem Urteil die Nürnberger Bundesanstalt ungewöhnlich barsch wegen „vorsätzlicher Nichtbeachtung der Rechtsprechung“ und „mutwilliger Rechtsverfolgung“. Geändert hat sich danach nichts. Die Prozeßlawine rollt weiter. Denn die Gerichtskosten für die verlorenen Prozesse kommen der Bundesanstalt immer noch billiger zu stehen als eine Änderung ihrer Praxis.

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