Der Erste Feiertag: Bestrahlung
Knapp zwei Tage bleiben noch, die Filmlager von Weihnachts- und Bibelschinken zu räumen. Alles muss raus, auch die den Ursprüngen des ganzen Trubels gewidmete US-Fernsehproduktion „Eines Tages in Galiläa“ (Kabel 1, 11.10 Uhr). Madeleine Stowe, noch jung an Jahren, reitet entrückt lächelnd auf Esels Buckel durchs Gelobte Land, das von Spaniens Almería gedoubelt wird, und gibt an, den Erlöser gebären zu wollen. Die Aufzucht des verheißungsvollen Jünglings „Jesus“ aber übernimmt Jacqueline Bisset (ARD, 18.20 Uhr).
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Eines Schutzengels bedürfen wiederum die „Robinsons“ (Sat.1, 12.25 Uhr). Mitnichten handelt es sich um die erfolg- und folgenreich gestrandete Schweizer Familie Robinson, sondern um eine gleichnamige Sippe zivilisationsmüder Aussteiger, die in den Rocky Mountains herumlungern.
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Weitere Irrfahrten gibt Pro 7 zum Besten, wo man von Arthur Conan Doyles „Die verlorene Welt“ scheint’s gar nicht genug bekommen kann. Diese Verfilmung entstand 1992 in Kanada. Das Ensemble führt John Rhys-Davies, der recht gern für derartige Rollen gebucht wird. (12.55 Uhr)
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Auch Lou Ferrigno muss sich mit beschränkten Angeboten abfinden, was daran liegen mag, dass er Muskel- und Mienenspiel in ungleichem Maße beherrscht. Enzo G. Castellari, sehr beschlagen auf dem Gebiet des Italowestern, aber auch mit ruppigen Exploitation-Filmen auffällig geworden, bugsierte den Boliden durch eine Sindbad-Geschichte (Pro 7, 14.35 Uhr), die sich sowohl aus dem Erzählreigen Scheherazades wie aus einer Kurzgeschichte Edgar Allen Poes speist.
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RTL war clever und bestreitet den gemeinhin von Verdauungsmüdigkeit geprägten Nachmittag mit Kubricks „Spartacus“ (14.15 Uhr). Mit seiner reinen Filmlänge von 172 Minuten reicht das Opus bis zum frühen Abend, wenn mit Kevin Sorbo der jüngste „Hercules“-Darsteller das Amt für Gerechtigkeit und Ordnung übernimmt und seinen schwer erziehbaren Halbbruder Minotaurus in die Schranken weist.
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So es um Antiquitäten geht, hält Kabel 1 wacker mit. Vermutlich stieß man bei Ausgrabungsarbeiten im Filmarchiv auf „Nofretete“ (16.20 Uhr), die prompt zur Schau gestellt wird, sich aber gegen Indiana Jones (ARD, 16.20 Uhr) behaupten muss, der in seiner bestimmten, zuweilen etwas wahllos anmutenden Art unsere Jüngsten wohl eher anzusprechen vermag.
Natürlich gibt es auch Beschauliches, und wo anders würde man solches suchen und finden wollen als bei RTL 2, dem Märchensender schlechthin. Dort setzt man an mit der Andersen-Verfilmung „Die Schneekönigin“ (13.25 Uhr) und bleibt in der Tonlage, wenn unmittelbar anschließend „Das letzte Einhorn“ sein allen Arbeitsschutzbestimmungen Hohn sprechendes Haupt erhebt. Immer noch recht versponnen, aber doch ein wenig handfester ist die Geschichte von der „Traumprinzessin“ (16.35 Uhr), kein porzellanenes Adelsschnepfchen, sondern ein junges Mädchen, das unbeschwerte Tage in Indien verbringt, ehe es umständehalber in ein New Yorker Internat umziehen muss. Der Überlebenskampf des „Trollkönigs“ (18.20 Uhr), der artgerecht in Irland haust und von einer alles Grüne hassenden Megäre bedroht wird, leitet spannungsvoll zum Abendprogramm über.
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Pro 7 räumt seinerseits den Kelten einen Spielplatz ein, und so drischt Mel Gibson noch einmal „Braveheart“ed (20.15 Uhr) auf die Engländer los, was sich zu einer abendfüllenden Angelegenheit auswächst. Weit weniger Auslauf hat Denzel Washington, wenn er es in „Crimson Tide“ (ARD, 22.00 Uhr) an Bord eines U-Bootes mit Gene Hackman aufnimmt. Aus sich heraus und sogar in die Luft gehen Sylvester Stallone und Wesley Snipes in „Demolition Man“ (RTL, 22.20 Uhr). Und schon damals stach ihre Mitspielerin Sandra „Speed“ Bullock vorteilhaft ins Auge.
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Zur Nacht dann hat alle Besinnlichkeit ein Ende: In „An einem Tag wie jeder andere“ (ZDF, 0.15 Uhr) zeigt Humphrey Bogart sein hartes Herz, Dennis Hopper übt in „Nails – Ein Cop sieht rot“ (Vox, 0.25 Uhr) handfest Selbstjustiz, und auch Klaus Kinski lässt das Grausen nicht, wenn er in „Jack the Ripper“ (Kabel 1, 4.35 Uhr) das geschliffen scharfe Messer schwingt. – Stoßseufzer allerorten: Endlich werden die Programme wieder normal.
Harald Keller
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