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Der Ersatzmann verkauft sich besser

■ Anders als Engholm hat der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder aus seinen Ambitionen nie einen Hehl gemacht

Sie ähneln einander keineswegs, haben aber in etwa den gleichen Bildungsweg hinter sich gebracht. Der SPD-Kandidat auf Abruf hat einst Schriftsetzer gelernt und später in Politologie sein Diplom erworben. Sein Nachfolger im Wartestand hat Haushaltswaren verkauft, bevor er zum Advokaten avancierte und bald als Politiker nur noch sich selbst gut verkaufte. Der Kieler Ministerpräsident hat sich zum Bedächtigen, an der Verantwortung schwer Tragenden stilisiert und später mit treuen Augen alle nur gelangweilt. Gerhard Schröder überzeugt nur, wenn er gerade nicht im Fernsehen verkrampft den Staatsmann mimt, sonden lächelnd mit einem Schuß Selbstironie dokumentiert, daß eine Portion Schlitzohrigkeit eben zum Politiker dazugehört.

Der niedersächsische Ministerpräsident hat anders als Engholm aus seinen Ambitionen auf das Amt des Bundeskanzlers von jeher keinen Hehl gemacht, seine Regierungszeit in Niedersachsen hat Schröder von vorherein als Trainingsrunde für die nächsthöhere Aufgabe begriffen. Im fünfzigsten Lebensjahr steht der ehemalige Juso-Vorsitzende nun, sein Buch jedoch trägt den Titel „Reifeprüfung“. Er persönlich empfiehlt sich darin vor allem als pragmatischer Polit-Handwerker, der besser als andere widerstreitende Interessen unter einen Hut zu bringen vermag. Der SPD, also noch dem Parteivorsitzenden Engholm, empfiehlt er Rot-Grün als den Weg zur Macht in Bonn.

In den vergangenen Monaten hatte Schröder einen Balanceakt zwischen Konkurrenz mit und Loyalität zu seinem Parteivorsitzenden zu vollführen. Daß er 1998 gerne als SPD-Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf ziehen würde, das gab er schon mal zu. Einen Kandidaten Schröder bei der übernächsten Wahl 1998 setze aber immer schon voraus, daß es die SPD mit Engholm bei den Bundestagswahlen 1994 wieder nicht schaffen würde. So konnte Schröder für sich als den zwar loyalen, aber eben besseren Reservekandidaten werben.

Prinzipien dem Streben nach oben untergeordnet

Wenn Engholm nun heute die Brocken hinschmeißt und die anderen SPD-Präsidiumsmitglieder oder Rudolf Scharping dem ehrgeizigen Niedersachsen nicht noch ein Bein stellen, wird Gerhard Schröder selbst für eine rot-grüne Bonner Regierungskoalition in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen können. Sicher hat Schröder auch persönliche Affinitäten zum rot-grünen Milieu. Aber der niedersächsische Ministerpräsident hat im Zweifelsfall noch immer politische Prinzipien dem Streben nach oben untergeordnet. Dem Asylkompromiß hat er zugestimmt – wider besseres Wissen, wie er in seinem Buch schreibt, weil er sonst angeblich nicht einmal in Niedersachsen hätte im Amt bleiben können.

Weil es bei den Werftarbeitern gut ankommt und seine Chancen bei der Niedersachsenwahl erhöhen sollte, hat er für U-Boot-Exporte nach Taiwan plädiert, obwohl er einst als erster SPD-Spitzenpolitiker Rüstungsexporte in Länder außerhalb der Nato per Grundgesetz verboten sehen wollte. Auch eine große Koalition im Bund hat er vor nicht allzulanger Zeit empfohlen, als Engholm begann, in vielen Fragen den Konsens mit den Unionsparteien zu suchen. Das heimliche Mitregieren ohne Ministerposten zu besetzen, war ihm zuwider.

Die Erfahrung der im Jahre 1986 knapp verlorenen Niedersachsenwahl ist denn auch Schröders wichtigstes Argument für eine klare rot-grüne Koalitionsaussage im kommenden Bundestagswahlkampf. Die Landtagswahl 1986 sei nur verlorengegangen, weil er – damals noch mit Rücksicht auf den SPD-Kanzlerkandidaten Johannes Rau – sich im Wahlkampf um ein klares Bekenntnis zu Rot-Grün gedrückt habe. In Schröders Augen honoriert es der Wähler, wenn ein Politiker vor allem klarstellt, mit welchen Mehrheiten die Macht errungen werden soll.

Gerhard Schröder hatte seine Kanzlerkandidatur lange Zeit tatsächlich erst für das Jahr 1998 geplant. Er hat auch am Ende noch gezögert, sich so offen als potentieller Nachfolger ins Spiel zu bringen, wie dies nun in zwei Artikeln des Spiegel hintereinander geschehen ist. Vor Schröder liegt im kommenden März '93 noch die Niedersachsenwahl, für die er einen Streit in der Landes-SPD um den potentiellen Nachfolger nicht brauchen kann. Hoffnungen auf die Kronprinzenrolle in Niedersachsen machen sich zur Zeit der Schröder- Stellvertreter Gerhard Glogowski, mit dem allerdings die Grünen Probleme hätten, und auch der Chef der niedersächsischen Staatskanzlei, Wolf Weber. In Niedersachsen hat Schröder zwei Anläufe zum Amt des Ministerpräsidenten gebraucht. Die Präsidiumsmitglieder, so scheint es, lassen jeden Ministerpräsidenten einmal den Bonner Spitzenkandidaten spielen – aber auch nur einmal. Jürgen Voges, Hannover

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