■ Der Castor-Transport nach Gorleben ist abgesagt: Zuverlässig an der Atomwirtschaft ist nur der Protest dagegen
Eines hat im Hüttendorf von Gorleben gefehlt: der Kühlschrank für den Sekt. Verzeihlich – wer denkt denn an sowas, wenn die Zeichen auf Sturm stehen. Inzwischen dürfte das Problem in der Dorfgaststätte von Trebel gelöst sein. Einschenken, der Castor kommt nicht mehr. Nicht mehr in den Sommerferien, sagt Niedersachsens Innenminister. Aber nach den Sommerferien kommen die Bundestagswahlen: Auch der Christdemokrat Klaus Töpfer möchte nicht ausgerechnet in diesem Herbst als Umweltminister von Bonn den harten Mann für die Atomindustrie spielen. Danach werden die Karten neu verteilt. Und nichts spricht dafür, daß die Atomindustrie dann ein leichteres Spiel haben wird. Prost also.
Auf das Hüttendorf, versteht sich, und auf die Kinder, gegen die der Innenminister von Niedersachsen seine Polizisten nicht einsetzen will. Ein schöner Zug von ihm, das merken wir uns fürs nächste Mal. Denn ausgestanden ist die Sache wahrlich nicht. Es ging ja nicht um den einen Castor mit den paar Brennelementen, der nur ein lächerlich kleiner Bruchteil der Gesamtgefahr ist.
Anderswo steht die radioaktive Verseuchung nicht bevor, in der Ukraine, in Litauen, in Russland, in Sellafield und La Hague ist sie Realität. In Gorleben jedoch hat in den letzten Wochen ein Test stattgefunden, ein politischer Realitätstest, kein simulierter Katastrophenversuch der französischen Art. Anders als dort sind die Ergebnisse hier denn auch sehr eindeutig ausgefallen: Der Atomindustrie ist es nicht gelungen, auch nur diesen einen, im Grunde völlig unwichtigen Transport durchzuführen. „Technische Probleme“, sagt sie, hätten das Vorhaben verzögert. Nehmen wir zur Kenntnis, daß in ihren todsicheren Anlagen mal wieder nichts richtig funktioniert. Auch nicht gerade neu, diese Nachricht.
Noch viel dümmer steht die sozialdemokratische Landesregierung da. Ein Ministerpräsident schweigt, telefoniert mit klugen Leuten, wie er sagt, lobt dann abwechselnd Polizei und Demonstranten und stößt die furchterregende Drohung aus, demnächst Gespräche über den Ausstieg der Atomindustrie scheitern zu lassen. Wir sind schwer beeindruckt.
Monika Griefahn, die Umweltministerin, die von Greenpeace kam, darf ankündigen, daß sie sich einer Weisung aus Bonn fügen werde. Im übrigen sei sie immer schon dagegen gewesen. Am besten gefällt uns dann doch der Innenminister Gerhard Glogowski. Er sagt, es sei einfach zu teuer, so viele Polizisten ins Wendland zu schicken. Mann, das ist ein Wort!
Pannen und Gerede also. Als absolut zuverlässig erwies sich nur der Protest gegen die Atomenergie. Gorleben, das haben die letzten Tage in Erinnerung gerufen, ist eben kein Mythos einer wollsockigen Bewegung. Ein kurzer Alarm hat genügt, um eine ganze Region aufzuwecken.
Das, und nur das ist die Realität des Atomstaates Deutschland. Niklaus Hablützel
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