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■ Der Bundesgerichtshof bestätigt Mauerschützen-UrteileVon Recht und Gerechtigkeit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs entspricht den Erwartungen: kein Freispruch für die Mauerschützen. Damit orientierte sich der BGH in seinem letztinstanzlichen Urteil an politischen Prinzipien, gestützt auf ein diffuses Gerechtigkeitsempfinden. Darunter leidet die Überzeugungskraft des Urteils.

In ihren Plädoyers hatten die Anwälte immer wieder darauf hingewiesen, daß die Schützen nach geltendem Recht nicht zu richten seien. Richtig! Die geltende Rechtslage bestimmt sich, laut Einigungsvertrag, ganz banal nach dem damaligen DDR-Recht. Dazu gehörte nicht nur der geschriebene Wortlaut der Gesetze, dazu gehörte auch die Rechtspraxis. Ein Blick in die DDR genügt, um festzustellen, was damals Rechtens war und was nicht. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Kein Staatsanwalt der DDR hat sich je um die Mauerschützen und all jene gekümmert, die heute als Verbrecher verfolgt werden.

Was ergibt sich daraus? Die Regelung im Einigungsvertrag, wonach sogenanntes DDR-Unrecht nach DDR-Recht zu ahnden ist, stellt die Justiz vor ein auswegloses Dilemma. Der Einigungsvertrag selbst hat eine logische Unmöglichkeit geschaffen: Entweder das DDR-Unrecht wird nicht verfolgt, dann wird dem Einigungsvertrag nicht entsprochen. Oder es wird verfolgt, dann verstößt man gegen die Verpflichtung, DDR-Recht zum Maßstab zu nehmen. Und so eiert der BGH eben auch nur so dahin und macht, indem er die Mauerschützen Walther und Hapke bestraft, aus dem damals geltenden DDR- Recht ein DDR-Unrecht. Das höchste Gebot des Rechtsstaats, das der Rechtsstaatlichkeit, wird dem Gerechtigkeitsgefühl preisgegeben.

Die Mauerschützen sind zu bestrafen, weil sie erkennen konnten, daß der Paragraph 27 des DDR- Grenzgesetzes, obwohl geltendes Recht, so nicht galt. Sie hätten wissen müssen, so der Gedanke, daß es, was immer die geltenden Gesetze auch sagten, gegen höherrangige Normen verstößt, einen Menschen abzuschießen, weil er das Land verlassen will. Diese Orientierung an naturrechtlichen Grundsätzen, genauso alt wie die Geschichte des Rechts, gibt dem einzelnen auf, gerechter zu sein als der gesamte Staatsapparat, zwingt ihn in eine Oppositionsrolle, die gerade von dem nicht erwartet werden kann, der als niedere Charge Dienst schiebt.

In der Entscheidung des BGH spiegelt sich der gleiche Widerspruch, der die gesamte Politik seit der Wiedervereinigung belebt. Einerseits der vermeintliche Wille, belegt durch den Einigungsvertrag, als Gleichberechtigte „zusammenzuwachsen“, andererseits die tatsächliche Situation, bei der der Westen seine Konzepte – und sein Rechtsverständnis – dem neuen Deutschland aufdrückt und dem einzelnen zumutet. Julia Albrecht

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