: Der Boden macht Dampf
■ Teppichboden sorgt für Behaglichkeit - und manchmal auch für dicke Luft
Gemütlich, warm und behaglich - das sind die Attribute, die ein Teppichboden einem Raum verleiht. Die BundesbürgerInnen sind sich darin weitgehend einig, glaubt man Zahlen von 1991, wonach der Teppich der Deutschen liebster Fußbodenbelag ist. Eine relativ junge Liebe: Erst erst in den fünfziger Jahren wurde die Synthetisierung von Fasern aus Erdöl in industriellem Maßstab machbar und damit der Teppich für eine breite Bevölkerungssicht erschwinglich. Heute bestehen etwa 90 Prozent der Teppichböden in bundesdeutschen Wohnstuben aus Kunstfasern wie Polyamid, Polyester oder Polyacryl.
In den letzten Jahren sind jedoch die kritischen Stimmen, die vor gefährlichen Ausdünstungen aus dem geliebten Bodenbelag warnen, lauter geworden. 23 meist schwer flüchtige Stoffe konnten bei Untersuchungen der „Dampfwolke“ über Teppichen identifiziert, deren Verursacher jedoch nicht endgültig dingfest gemacht werden: stammen sie aus der Nutzschicht, aus der chemischen Behandlung derselben, aus dem Material der Rückenbeschichtungen oder aus dem Kleber zwischen Flor und Rücken? Akut giftig sind die gemessenen Konzentrationen zwar nie, aber sie verschlechtern die Wohnungsluft noch weiter. Denn Doppelverglasung und stärkere Wärmedämmung haben zwar den Energieverbrauch gesenkt, aber einen Luftaustausch über Fugen und Ritzen gänzlich unterbunden. So verwundert es nicht, daß die Luft in unseren Wohnungen oft schlechter ist als die Außenluft.
Was also ist beim Teppichbodenkauf zu beachten? Als Material für die Nutzschicht bieten sich Naturfasern an wie Schurwolle, Baumwolle, Ziegenhaar, Kokos oder Sisal, um statt der Kunstfasern aus dem begrenzten Rohstoff Erdöl nachwachsende Rohstoffe zu benutzen. Der Flor sollte nicht mit Chemikalien wie Antistatika gegen statische Aufladungen, Antisoiling-Zusätzen gegen Verschmutzung, antimikrobiellen und Mottenschutzmitteln ausgerüstet sein. Die meisten Zusätze sind entbehrlich oder leicht zu ersetzten: Naturfasern sind elektrisch neutral; antimikrobielle Ausrüstung wäre nur in Feuchträumen erforderlich, doch dort empfiehlt sich ohnehin ein andere Bodenbelag, z.B. Fliesen. Als Mottenschutz stehen im biologischen Baustoffhandel Wirkstoffe aus Patschuliblatt zur Verfügung; das Institut für Baubiologie in Rosenheim hat dazu noch einen ungewöhnliche Tip auf Lager: einmal pro Jahr frischen Lavendel auf den Teppich streuen, zwei Tage einwirken lassen und dann absaugen.
Da die meisten Schadstoffe aus dem Kunststoffrücken auszugasen scheinen, sollte unbedingt auf eine Rückenbeschichtung aus Naturlatex, oder - noch besser - Jute oder Sisal geachtet werden. Eine weitere Alternative bieten gewebte Teppiche, die ganz ohne Rückenbeschichtung auskommen. Während ein herkömmlicher Teppich nach Gebrauch ein Fall für den Sondermüll (!) ist, kann ein Teppich aus möglichst naturbelassenem Material am Ende relativ unbedenklich entsorgt - im Idealfall kompostiert - werden. Aussagekräftige und verläßliche Umweltsiegel, die die Kaufentscheidung erleichtern könnten, gibt es zur Zeit leider noch nicht.
Sandra Fanroth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen