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„Der Boden gefällt mir immer wieder gut“

■ Mit einbetonierten Hakenkreuzen ist der Eingangsflur einer nord–hessischen Kneipe gepflastert / Juristische Schritte dagegen verliefen bisher im Sand / Die meisten Bewohner stören die nazistischen Symbole „absolut nicht“

Von Günter Göge

Hesperinghausen (taz) - Im Gasthaus Vogel im nordhessischen Dorf Hesperinghausen (Kreis Waldeck–Frankenberg) wird schwer umgebaut: Zimmerdecken sollen erneuert und Wände versetzt werden. Der Eingangsflur aber, „der bleibt wie er ist, darauf können Sie sich verlassen“, ereifert sich Mathilde Vogel (64). Der Fußboden dieses Flurs ist übersät mit Hakenkreuzen, in jede Fliese ist das schwarze Zeichen einbetoniert. „Die Platten liegen seit 1911 da“, versichert Mathilde Vogel. „Es fragt sich zwar jeder, was sind denn das für Hakenkreuze“, aber es habe sich „noch nie einer daran gestört“. Schließlich sei das „ein altgermanisches Zeichen“. Darüber gestolpert ist jedoch schon 1970 der Kasseler Oberstaatsanwalt Klaus Tschepke, der zufällig in der Dorfkneipe einkehrte. Und vor wenigen Tagen bekamen die Vogels Besuch von einem Korbacher Kriminalbeamten. Er kam im Auftrag von Axel Sauer, Staatsanwalt in Kassel, der die „Frage interessant“ fand, ob die Hakenkreuz–Fliesen im Gaststättenflur liegen dürfen. Schließlich sei das öffentliche Verwenden, das Zeigen von Nazi–Symbolen strafbar. Ein Ermittlungsverfahren wurde aber - wie schon vor 16 Jahren - nicht eingeleitet, „weil das Verwenden von nationalsozialistischen Kennzeichen ein Motiv voraussetzt“, so Axel Sauer. Der Gastwirt sei dagegen ein „völlig unpolitischer Mensch“, der dem Kripobeamten sinngemäß gesagt habe: „Wenn mir einer neue Platten in den Flur legen würde, dann wäre ich damit einverstanden.“ Die Suche nach der Herkunft der Hakenkreuz–Fliesen führt ins wenige Kilometer entfernte, jenseits der Landesgrenze in Nordrhein–Westfalen liegende Bredelar, zu den Zechit–Werken. Ein Angestellter namens Pohle (“Ich arbeite seit 1947 hier.“) hat „im Leben noch nichts davon gehört“, und es gebe auch keine Unterlagen mehr aus der fraglichen Zeit. Im übrigen möchte er „nichts damit zu tun haben, lassen Sie mich da raus“. Besser kann sich der Bredelarer Steinmetz Werner Müller (65) erinnern, der mit seinem Vater in dem Betrieb arbeitete. Die Fliesen seien um 1910 bei den Zechit–Werken als zementgebundene Quarzplatten hergestellt worden, das schwarze Hakenkreuz habe man zwei bis drei Millimeter tief einbetoniert. „Wir hatten selbst solche Fliesen im Flur liegen, aber als die Amerikaner kamen, hat mein Vater schnell eine Zementschwemme drüber gemacht. Die hätten sonst womöglich gesagt: Da wohnt ja ein Supernazi.“ Werner Müller: „Ich möchte die Dinger heute nicht mehr in der Wohnung haben.“ Die Geschichte des Hakenkreuzes als „heilbringendes Zeichen“ läßt sich bis weit vor Christi Ge burt zurückverfolgen. Seine Umdeutung als angeblich rein „arisches“ Symbol erfuhr das Hakenkreuz allerdings nicht erst durch Adolf Hitler. Dieser übernahm es vielmehr von völkischen Gruppierungen in Österreich und Deutschland, die das Hakenkreuz bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Feldzeichen des Antisemitismus gemacht hatten. Und Antisemitismus sowie Deportation wurden auch in dem nord–hessischen Kreis miterlebt. 541 Juden lebten vor dem Krieg in Waldeck, allein in der Kreisstadt Korbach wurden 42 jüdische Opfer des Faschismus gezählt. Im Nachbarort Arolsen schließlich war ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald und hier war auch eine Führerschule der SS untergebracht. In derselben Stadt befindet sich heute das „Archiv des Grauens“, ein wichtiges Archiv über die Konzentrationslager des Nationalsozialismus. „Die meisten Hesperinghäuser sind mit der Geschichte des Dritten Reiches vertraut gemacht worden“, beteuert Ludwig Bender (48), Ortsvorsteher des 450–Einwohner–Dorfes. Der Hakenkreuz–Fußboden in der Gaststätte störe ihn „absolut nicht“. Das Haus sei nach dem Krieg beschlagnahmt gewesen und diente „als Unterkunft der Besatzungsmacht - selbst die haben damit leben können“. „Um in die Gaststätte zu kommen, muß man über den ominösen Flur“, sagt Bender weiter. „Wenn die Leute Anstoß daran genommen hätten, dann wäre das ja geschäftsschädigend für den Wirt gewesen und er hätte die Dinger schon von selbst rausgenommen.“ Und Mathilde Vogel meint: „Die Fliesen sehen ja auch gar nicht so schlecht aus. Wenn der Boden geputzt ist, gefällt er mir immer wieder gut.“

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