: „Der Blick auf Frauen ist ein anderer“
Die US-Serie „The L-Word“ erzählt von gut verdienenden und aussehenden Lesben in Los Angeles. Seit zwei Wochen läuft sie auch in Deutschland im Fernsehen – doch für Diskussionen und lange Fernsehnächte sorgt sie in der Szene schon viel länger. Ein Fan erzählt, was sie begeistert und irritiert
taz: Du hattest gerade dein Coming-Out als Serienjunkie…
Christina Müller*: Ich bin kein Serienjunkie!
Na gut, aber du hast seit 15 Jahren kein fern mehr gesehen und plötzlich guckst du intensiv eine amerikanische TV-Serie, hast alle drei Staffeln zum Teil mehrfach gesehen, durchsurfst das Internet nach News…
…und schwärme für Darstellerinnen, jaja. Manchmal komme ich mir selbst vor wie 16, aber ich habe das in meiner Jugend nicht gehabt und genieße das jetzt. Meine Schwester, die mit L-Word leider nichts anfangen kann, hat mir gesagt, dass sie jetzt erst versteht, wie langweilig „normales“ Fernsehen für mich sein muss, wenn man sich immer diese Hetero-Liebesgeschichten und Sexszenen reinziehen muss.
Was kickt an „The L-Word“?
Das Faszinierende ist, dass die Serie den Erlebnisalltag umkehrt. Jede Frau ist hier potentiell eine Lesbe, die Heteros stellen sich nach höchstens fünf Minuten als bi heraus, und Männer haben nette Nebenrollen, mehr aber nicht. Alle Menschen mit Geld und Einfluss sind Frauen.
Mit langen Haaren und glatt rasierten Beinen, wie man auf den Werbeplakaten sehen kann, auf denen die Darstellerinnen halb nackt posieren.
Bei den Plakaten kriege ich auch die Krise und klar sind das alles schlanke Frauen, die der gängigen Norm von Weiblichkeit entsprechen. In der ersten Staffel gibt es Sprüche zu Körperbehaarung, da rollen sich mir die Zehennägel hoch. Die Frauen sind auch nur in Ansätzen feministisch. Umso mehr habe ich mich gefreut, als Jenny, die in der ersten Staffel lesbisch wird, in der zweiten Staffel noch einen drauf setzt: Sie wird Feministin.
In der zweiten Staffel wird also alles besser?
Naja, grundsätzlich bleibt das eine auf ein möglichst großes Publikum zugeschnittene amerikanische Fernseh-Serie und kein Independent-Film, der in Szene-Kreisen kursiert. Die Produzentinnen haben aber in der zweiten Staffel die Kritik aufgegriffen, dass Butch-Lesben oder Transgender-Themen kaum oder nur am Rande vorkommen. Allerdings hat sich eine Freundin von mir, die als femme unterwegs ist, total darüber gefreut, dass in der Serie so viele Frauen auftreten, die sich wie sie sehr weiblich inszenieren. Die femme-Lesben gingen in der Szene ja immer ein bischen unter, vielleicht kann man sogar sagen, dass sie diskriminiert wurden wegen ihres Aussehens. Die Serie könnte dazu führen, dass lesbische Identität noch facettenreicher wird als bisher und die femmes selbstbewusster in der Szene auftreten können. Kurze Haare und Männerkleidung haben ja viel damit zu tun, dass man einander erkennt – das sind Identitätsmerkmale, die sich reproduzieren.
In der Serie haben viele Menschen ziemlich viel Sex…
…ganz schön viel Heterosex für meinen Geschmack…
Die deutschen Kritiker haben sich vor allem auf den Lesben-Sex gestürzt, zum Beispiel auf die Szene im Pilotfilm, wo zwei Frauen im Pool miteinander wild zugange sind.
Ich finde die Szene furchtbar. Die Produzentin Ilene Chaiken hat in einem Interview erzählt, dass sie viel darüber diskutiert haben, ob sie damit wie ein x-beliebiger Porno männliche Phantasien bedienen. Chaiken wollte aber genau das thematisieren. Die beiden Frauen werden ja quasi wie im Porno beobachtet – allerdings von einer Frau, Jenny – durch einen Spalt im Gartenzaun. In der Szene danach schläft Jenny mit ihrem Freund und sie heizen sich gegenseitig an, indem sie ihm erzählt, was sie gesehen hat.
Gibt es Sex-Szenen, die dir besser gefallen?
Ja, einige finde ich sehr schön und erotisch.
Du hast mal gesagt, dass du eigentlich ganz froh warst, ohne diese „Vor-Bilder“ zu leben, weil sie vorgeben, wie Sex zu sein hat.
Ja, stimmt. Heteros haben schon als Kinder tausendmal gesehen, wer beim Sex was macht und welche Bedeutung die Handlungen haben. Ich hatte außer dem Film „When night is falling“ kaum Bilder und bin so in die erste Liebesbeziehung gestolpert. Ich habe das als unglaublich schönen Freiraum erlebt, alles selbst zu erfinden.
Und jetzt?
Jetzt genieße ich diese Bilder: Endlich den Blick der Frau auf die Frau zu sehen und das drei Staffeln lang.
Ist das nicht einfach die Heterowelt auf lesbisch gedreht? Für jede Zielgruppe eine Soap?
Nein, ich finde, da passiert viel mehr. Bevor ich die Serie gesehen habe, war ich auch sehr skeptisch. Ich dachte, na toll, jetzt kommen die Lesben im Mainstream an und ihre Hauptsorge ist, ob das Make-Up sitzt. Oder sie fangen an, Frauen genauso anzuschauen wie Männer und nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Zum Beispiel gibt es eine Szene, wo eine Frau einer anderen Frau auf den Hintern guckt. Das ist ja eigentlich ein Blick, der bisher Männern vorbehalten war und den wir alle bis zum Erbrechen kennen, aus Filmen, aus der Werbung, und deshalb auch übernommen haben. Aber ist das wirklich noch derselbe Blick, wenn der in diesem Rahmen, in einer weitgehend männerfreien Serienwelt, von einer Frau kommt?
Und: Ist er das?
Das ist nicht so leicht zu beantworten, aber ich glaube nicht. Ich hoffe, dass die Bilder, wie sie in L-Word zu sehen sind, den kulturellen Raum, in dem sich Lesben und Frauen bewegen und ihre Identität suchen, ausweiten.
Interview: Eiken Bruhn
*Name geändert