Der Berliner Wochenkommentar 2: Nicht alle Leichen bleiben
Endlich ein Urteil: Das Menschen Museum darf konservierte Leichen zeigen, wenn es die Einwilligung der Spender nachweisen kann. Richtig so.
D rei Jahre währt nun der Streit über die Genehmigung für das Menschen Museum am Fernsehturm. Der Lebenstraum von Gunther von Hagens, dem Anatom und Erfinder der Plastination mit dem Wunsch nach einer Dauerausstellung konservierter toter Körper, steht infrage. Immer wieder droht er am Widerstand des Bezirksamts Mitte zu zerplatzen. Doch in dieser Woche gibt es eine neue Wendung: Das Berliner Verwaltungsgericht hat nichts dagegen, falls die Museumsbetreiber nachweisen können, welchem Körperspender die plastinierten Körper gehört hatten.
Bislang sah die gängige Praxis so aus, dass die Leichen mit einem Anhänger gekennzeichnet und mit Formalin an der weiteren Verwesung gehindert wurden. Nach Abschluss des Plastinationsprozesses, der zuweilen erst nach mehreren Jahren erfolgte, wurde der Anhänger entfernt – selbst die Plastinierer konnten nicht mehr sagen, wessen Körper sie verarbeitet hatten.
Diese Vorgehensweise irritiert nicht nur das Bezirksamt Mitte, dessen Anwalt sich im Berliner Verwaltungsgericht gegenüber den Ausstellungsmachern empörte: „Sie verwischen alle Nachvollziehbarkeit!“
In der Tat fragt man sich, warum Gunther von Hagens und seine Mitstreiter – die immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert wurden, sie würden ihr Ausgangsmaterial auf unseriöse Weise beziehen – ihr größtes Pfund einfach weggeschmissen haben: nämlich den nachvollziehbaren Beweis, dass es sich um die Leiche eines Körperspenders handelt, der zu Lebzeiten eine notarielle Einwilligung abgegeben hat.
Die Museumsbetreiber haben nun reagiert: Alle ausgestellten Teilkörperplastinate sowie drei Ganzkörperplastinate sind identifizierbar, auch wenn so lehrreiche Exponate wie „Lungenkrebs“ oder „Hirninfarkt“ jetzt fehlen. Exponate wie der „Denker“ müssen völlig neu gefertigt werden. Dazu brauchen die Ausstellungsmacher geeignete Leichen – und natürlich auch ein bisschen Glück, denn in absehbarer Zeit wird das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Entscheidung des Verwaltungsgerichts überprüfen.
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