■ Der Barbier des Tages: Die Frau, die jede Hürde nimmt: Ludmila Engquist (macht es Lance nach)
Ludmila Engquist (35) ist eine besondere Frau. Sie war 1991 als Russin und 1997 als Schwedin Weltmeisterin über die 100 Meter Hürden. In Atlanta gewann sie 1996 olympisches Gold, nachdem sie zuvor drei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Diese Frau ist ein Mensch, den so leicht nichts mehr erschüttern sollte. Aber als sie am Freitag ihr Halbfinale als Erste beendet hatte, da schlug Engquist die Hände vors Gesicht und weinte vor Freude.
Es ist anzunehmen, dass sich die Schwedin vor allem selbst hatte beweisen wollen, wie gut sie trotz allem noch ist. Trotz allem: Das meint ihre Brustkrebserkrankung, die Chemotherapie, die Operation im April. Nun sieht es so aus, als hätte sie den Krebs besiegt. Lance
„Lebe noch“: Engquist Foto: AP
Armstrong, der den Hodenkrebs überwinden konnte, hatte gerade die Tour de France gewonnen, da kehrte sie vor vier Wochen in Stockholm auf die Tartanbahn zurück und rief den Menschen zu: „Ich lebe noch!“ Wie sie nach dem Lauf in den Armen ihres Mannes und Trainers lag, das rührte die ganze schwedische Nation.
Szenen ihrer Ehe, vor Jahren gab es das schon einmal. Damals hieß Engquist noch Naroschilenko und wurde 1993 des Anabolika-Missbrauchs überführt. Als ihr damaliger Ehemann gestand, ihr die Hormone aus Zorn heimlich ins Essen gemischt zu haben, wurde sie im Dezember 1995 begnadigt. Die Sportlerin als Unschuldslamm: Manche sahen darin eine dreiste Ausrede, andere glaubten ihr.
In Sevilla gewann jetzt am Samstag nicht sie, sondern Gail Devers (32) in 12,37 Sekunden ihr drittes WM-Gold, Engquist errang ein Zehntel dahinter Bronze. Ihr vor allem galten die Ovationen der Zuschauer, sie aber umarmte als einzige die Siegerin Devers. Doch als die US-Amerikanerin sie mit auf die Ehrenrunde nehmen wollte, zeigte Engquist nur auf die Anzeigentafel. Ehrenrunden sind nichts für Dritte, das weiß eine Sportlerin wie sie. Und ihr Sieg über die Krankheit brauchte keine Theatralik. Rüdiger Barth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen