Der Autor Robert Misik über Lebensmöglichkeiten: Zufriedenheit ist nie ein Stachel
Robert Misik über gutes Leben, den Mangel und die Fähigkeit, darüber, beim Stückchen Kuchen, in einem Wiener Kaffeehaus zu sprechen.
taz: Was ist Ihnen gutes Leben?
Robert Misik: Einerseits: Talente entwickeln, den eigenen Werthaltungen entsprechend leben. Andererseits gibt es die gesellschaftliche Aufgabe, eine Struktur zu schaffen, die allen die besten Möglichkeiten bietet. Ein gutes Leben im eklatanten Mangel ist unmöglich.
Müssen wir für das gute Leben aller persönlich verzichten?
Nein. Es würde uns nicht besser gehen, wenn wir alle verzichten. Aber man muss sich fragen: Was konsumiere ich, ist der Preis, den man dafür bezahlt – als Gesellschaft – zu hoch? Für die Nachfrage vieler Konsumenten ist ein gewisser Grad an sozialer Gerechtigkeit unabdingbar. Die klassischen Forderungen der Arbeiterbewegung und die kapitalistische Entwicklung haben sich als harmoniefähig erwiesen. Fraglich ist, ob das für die Forderungen der ökologischen Bewegung durchgängig auch gilt.
Jahrgang 1966, Journalist und Autor politischer Sachbücher. Seine Beiträge erscheinen regelmäßig in der Tageszeitung „Standard“, im Magazin „Falter“ und in der taz. Außerdem setzt er sich in seinem Video-Blog mit Globalisierung und Wirtschaftspolitik auseinander.
Ist Zufriedenheit gefährlich?
Es wäre banal, zufrieden zu sein, weil wir beide hier in Wien in einem guten Café sitzen und uns ein Stück Kuchen leisten können. Ich kann auch unzufrieden sein, obwohl ich materiell gut dastehe. Weil ich denke: Das ist nicht das Leben, das ich führen will. Diese Unzufriedenheit stachelt uns zu Höchstleistungen an. Ohne sie wären keine guten Bilder gemalt, keine guten Romane geschrieben und keine tollen Filme gedreht worden. Die Zufriedenheit ist nie ein Stachel.
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