piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Aufklärer und Nazigegner

KARRIERE Bei den Sozialdemokraten galt Sebastian Edathy als Hoffnungsträger. Meriten verdiente er sich als Vorsitzender des NSU-Ausschusses im Bundestag

BERLIN taz | Die Anerkennung war parteiübergreifend: Anderthalb Jahre führte Sebastian Edathy den Bundestagsuntersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie. Nächtelang wühlte sich der SPD-Innenexperte durch Ermittlungsakten, hartnäckig hielt er in den Sitzungen den Chefs der Sicherheitsbehörden Verfehlungen vor. Als der Ausschuss im August 2013 seinen 1.357 Seiten starken Abschlussbericht vorlegte, sprach Edathy von einem „historisch beispiellosen Desaster, das sich nie mehr wiederholen darf“.

Nicht nur die Politik, auch die Migranten-Community zollte Edathy für diesen Einsatz Respekt. Im letzten Jahr erhielt er für seine Arbeit im NSU-Ausschuss den Genc-Preis, benannt nach der Solinger Familie, die 1993 bei einem Brandanschlag ums Leben kam.

Schon zuvor hatte sich der 44-Jährige vor allem einem Thema gewidmet: dem Kampf gegen Rechtsextremismus. Edathy warnte vor No-go-Areas und trat für ein NPD-Verbot ein. Immer wieder war der in Hannover geborene Sohn eines Inders und einer Mecklenburgerin auch selbst Diskriminierungen ausgesetzt – und wurde nicht müde, sich dieser zu erwehren. „Was macht mich, der hier geboren wurde, ‚indischstämmig‘?“, schrieb er 2009 in der taz.

Von 1998 an saß Edathy im Bundestag. Schon nach zwei Jahren rückte er in den Fraktionsvorstand auf, ab 2005 führte er vier Jahre lang den Innenausschuss. In der SPD galt er als Hoffnungsträger: scharfzüngig gegenüber politischen Gegnern, fundiert in seiner innenpolitischen Expertise.

Nach dem jüngsten schwarz-roten Koalitionsschluss aber blieb Edathy unberücksichtigt. In den Verhandlungen hatte er für die SPD noch den Themenblock „Integration und Migration“ verhandelt. Später aber blieb ihm nur die einfache Mitgliedschaft im Innenausschuss. Wenig für einen Ehrgeizigen, der sich für Höheres berufen sah.

Die nun publik gewordenen Ermittlungen riefen auch Edathys ärgste Gegner auf den Plan: die rechte Szene. „Schadenfreude ist die größte Freude“, hieß es auf dem Internetportal Politically Incorrect. Immer wieder hatte Edathy auf die islamfeindlichen Parolen der Seite hingewiesen. Nun schrieb ein Kommentator hämisch: „Wieder ein PI-Hasser weniger.“ KONRAD LITSCHKO