: Der Amoklauf der Woche
Iowa City/USA (ap/taz) — Kaum war der Killer aus Killeen — er hatte in einer texanischen Cafeteria 24 Menschen erschossen — aus den Schlagzeilen verschwunden, schon war wieder ein Amokläufer in den USA unterwegs. Diesmal wurden in Iowa City in knapp zehn Minuten fünf Menschen umgebracht.
Ein chinesischer Doktorand hat in der Universität von Iowa City das neue Massaker angerichtet: Aus Verärgerung darüber, daß ihm eine akademische Auszeichnung verweigert wurde, erschoß der 28jährige Physikstudent Gang Lu aus Peking binnen zehn Minuten fünf Menschen, darunter einen Kommilitonen aus China, und brachte sich selbst um. Eines seiner Opfer wurde schwer verletzt. Wie die Staatsanwaltschaft am Samstag mitteilte, hinterließ der Amokläufer Abschiedsbriefe, in denen er sein Verbrechen rechtfertigte.
Der von Kommilitonen als „brillanter Student“, aber verschlossener Mensch beschriebene Chinese hatte sich vorher schon darüber beschwert, daß seine Doktorarbeit nicht für den „D.C. Spriestersbach Award“ nominiert wurde, der jedes Jahr für herausragende wissenschaftliche Arbeiten an dieser Universität vergeben wird und bei dem in seinem Fach dafür sein Landsmann Linhua Shan berücksichtigt wurde. Am Freitag zückte Lu in einer Versammlung der Fakultät für Physik und Astronomie einen Revolver vom Kaliber 38 und erschoß seinen Doktorvater Christoph Goertz, den Professor Alan Smith und Linhua Shan. Der 28jährige, der noch eine zweite Waffe bei sich hatte, tötete danach ein Stockwerk tiefer den Dekan Dwight Nicholson, stürmte zum Verwaltungsgebäude und feuerte dort auf zwei Frauen, die in ihrem Büro am Schreibtisch saßen. Eine von ihnen starb am Samstag an einer Kopfwunde, die andere lag am Wochenende in kritischem Zustand in der Universitätsklinik. Im Verwaltungsgebäude erschoß sich der Täter auch selbst, die Polizei fand ihn sterbend vor.
Staatsanwalt Patrick White teilte am Samstag mit, Lu habe fünf Abschiedsbriefe geschrieben, vier in englischer und einen in chinesischer Sprache. Diese Schreiben habe er fünf Kommilitonen zur Weiterleitung an die Presse und an Bekannte übergeben. In den Briefen teilte er mit, daß er dieses Verbrechen plane und daß er sich dadurch für seine Zurücksetzung bei der akademischen Ehrung rächen wolle. „Er hat als ein vorsätzlicher, kaltblütiger Mörder gehandelt“, sagte der Staatsanwalt. Vorher hatte schon Ann Rhodes, die Vizepräsidentin der Universität, erklärt, Lu habe ganz offensichtlich seine Opfer gezielt ausgesucht: „Das war nicht zufällig. Das geschah nicht aufs Geratewohl.“
In dieser Region der USA hatte in der letzten Woche ein Gerücht an den Universitäten für Aufsehen gesorgt, daß ein Massenmord bevorstehen könnte. Einige Hochschulleitungen versuchten daraufhin, beruhigend auf die Studenten einzuwirken. Bei dem bisher blutigsten Amoklauf in der amerikanischen Kriminalgeschichte, der erst gut zwei Wochen zurückliegt, hatte ein 35jähriger Mann in Killeen in Texas 22 Menschen in einem Lokal erschossen und danach Selbstmord begangen.
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