Der Alte Meister: Weg vom Graubrotimage
Die Augen blicken fragend nach oben. Die Haare sind akkurat von einem Tschador verhüllt. Im Hintergrund der Reichstag mit Deutschlandfahnen und Minaretten. Aus einem Guss ist sie, diese Fotomontage, die die ARD am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ zeigt.
Als Vorbild dient ein ikonenhaftes Plakat der Staatsfreunde von Pegida. Sie trugen es bei beinahe jeder Demo von Dresden bis Leipzig stolz durch die Straßen. Zu sehen: die Kanzlerin verhüllt vom Kopftuch vor einem den islamischen Halbmond tragenden Reichstag. Zu lesen: „Frau Merkel hier ist das Volk!“ Das Motiv schaffte es bis auf den Titel von Compact, dem Magazin für Verschwörungstheoretiker und besorgte Bürger.
Die ARD kopiert also von den Besten. Sie will weg von ihrem Graubrot-Image, hin zu den Menschen auf der Straße. Die brauchen starke Bilder, die wollen Emotionen und simple Botschaften. Seht her, wenn noch mehr Flüchtlinge kommen, dann muss unsere Kanzlerin bald ein Kopftuch tragen und der Reichstag wird islamisiert.
Ja, es ist etwas kurz gedacht. Zumal: Was wäre so furchtbar daran, wenn die Kanzlerin Kopftuch trüge? Es wäre ein weiterer Schritt auf die Flüchtlinge zu. Und was wäre fatal an Minaretten am Reichstag? Architektonisch sind die durchaus ansehnlich.
Im Unterschied zum Pegida-Original, auf dem der Kanzlerin Pony noch zu sehen war, gehen die ARD-Nachahmer gar einen Schritt weiter und zeigen Merkel radikaler verhüllt. Statt auf Schrift setzen sie auf Worte. Moderator (und künftigter ARD-Chefredakteur) Rainald Becker fragt angesichts der Flüchtlingskrise besorgt: „Schaffen wir das wirklich oder sind wir überfordert? Was geschieht mit unseren Werten? Alles Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt und die deshalb Ängste schüren.“
Ängste schüren also die unbeantworteten Fragen, nicht etwa die kreativen Grafiken von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Paul Wrusch
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