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Archiv-Artikel

Der Altar weicht der Kultur

Seit über zwei Jahren gibt es in der „Kulturkirche Köln“ ein Programm vom Feinsten. Das lockt nicht nur Besucher aus dem Umland nach Nippes, es stärkt auch die Gemeinde – finanziell und ideell

Von Jürgen Schön

Eva-Maria Hagen war schon da. Katharina Thalbach. Eugen Drewermann. Harry Rowohlt auch. Stefan Stoppok kommt noch im Dezember. Tommy Engel im nächsten Jahr. Brings sowieso. Die Gästeliste der Nippeser „Kulturkirche Köln“ verzeichnet illustre Namen aus der lokalen und nationalen Kulturszene. In den über zwei Jahren ihres Bestehens hat sie sich einen Namen weit über die Grenzen Kölns hinaus gemacht – bei Künstlern und Besuchern. „Unser Einzugsbereich reicht bis ins Bergische und nach Pulheim“, sagt Pfarrer Thomas Diederichs nicht ohne Stolz.

Vor 14 Jahren übernahm er die evangelische Gemeinde. Die Idee der Kulturkirche hat sich langsam entwickelt. Am Anfang standen ein paar Konzerte, weil „die Kirche über die Woche ja nicht leer stehen soll“. Daraus entwickelte sich ein „vernünftiges, tragfähiges und langfristiges Konzept“, erzählt der 44-Jährige. Das sieht monatlich mindestens eine Veranstaltung vor: Konzert, Lesung, Kabarett und Diskussion, „niedrigschwellig, aber anspruchsvoll“.

Ob die Gemeinde keine Schwierigkeiten damit habe, wenn statt des Pfarrers etwa die Kabarettistin Cordula Stratmann „predige“? „Es ist doch schön, wenn auch in der Kirche gelacht wird“, sagt Diederichs und widerlegt das Vorurteil vom asketischen preußischen Protestantismus, den zumindest das Kirchengebäude zwischen Siebach- und Merheimer Straße ausstrahlt.

Das wurde vor 115 Jahren gebaut, strenge Neugotik mit roten Backsteinen. Eine Kirche „von der Stange“: Das gleiche Modell stand auch in Kalk, wurde nach 1945 wegen Kriegsschäden abgerissen. Eisenplastiken von Odo Rumpf (von ihm ist auch der „Sonnenvogel“ unter der Deutzer Brücke) zieren den Raum. Eine „Traverse“ für Scheinwerfer spannt sich über das Mittelschiff.

Gut 400 Personen finden auf den Bänken Platz, werden die weggeräumt, passen bis zu 600 Menschen hinein. Für eine Veranstaltung wird der Altar nach hinten geschoben. Ton- und Lichttechnik sind auf dem neuesten Stand. Sechs Presbyter, Mitglieder aus dem Gemeindevorstand, teilen sich die Organisation einschließlich des Getränkeverkaufs in der Kirche. Unterstützt werden sie von einem 40-köpfigen Helferkreis. Bezahlt wird lediglich der Tontechniker.

Bei Eintrittspreisen zwischen 10 und 17 Euro und Sponsoren aus der Wirtschaft tragen sich die Veranstaltungen selber. Sogar ein kleiner Überschuss ist drin. Der hilft in diesem Jahr, das Haushaltsloch der Gemeinde von 70.000 Euro wenigstens ein bisschen zu stopfen, rettet eine halbe Stelle. Entstanden ist die Finanzlücke durch die Steuerreform, nicht durch Kirchenaustritte, betont Diederichs. Vor allem durch Wegzug ins Umland sei die Gemeinde in den letzten 15 Jahren um 2.000 auf jetzt 4.300 Mitglieder geschrumpft.

Doch wichtiger als der finanzielle ist für Diederichs der ideelle Gewinn, den die „Kulturkirche“ der Gemeinde gebracht hat: „Die Gemeindemitglieder sehen: Da passiert etwas kontinuierlich und verlässlich. Das schafft Vertrauen. In der Folge ist das Engagement auch in anderen Bereichen gestiegen.“ Auf das so entstandene Zusammengehörigkeitsgefühl führt es Diederichs unter anderem zurück, dass trotz angespannter Finanzlage die Kindertagesstätte weitergeführt werden kann. „Darauf kann die Gemeinde stolz sein.“

„Das war 2004“ – Jahresrückblick für Köln und den Rest der Welt mit Kabarettist Heinrich Pachl und dem Blasorchester „Dicke Luft“: Sonntag, 12. Dezember, 20 Uhr, Kulturkirche Köln, Siebachstr. 85, Tel 0221/733 700