■ Plattmachen bis auf die Fassade: Denkmalhitzschlag
Wenn Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer über Denkmalschutz und Hauptstadtplanung philosophiert – wie gestern anläßlich einer Bootsfahrt –, müssen alte Gemäuer in der Berliner Mitte einmal mehr um ihre Zukunft fürchten. Denn während der Senator noch die „gemachten Schularbeiten“ für Rettungsaktionen bilanziert oder prähistorische Besiedlungsreste aus dem Urschlamm ausgraben will, holt die Abrißbirne immer weiter aus, um die Relikte des sozialistischen Städtebaus hinwegzufegen. Aber nicht nur über dem Marx-Engels-Platz und der halben östlichen Innenstadt schwebt das Damoklesschwert der Schleifung. Es hebt sich über dem Denkmalbegriff selbst. Zwischen dem Brandenburger Tor und der bröckelnden Museumsinsel ist kein Stein mehr vor der Räumung sicher, wenn Hassemer glaubt, vom Haus nur die Fassade retten zu müssen, um den privaten Investoren einen rentablen Gefallen zu tun. Die Bank- und Geschäftsbauten in der Jägerstraße, der Zollernhof an der Straße Unter den Linden oder die neogotische Hotelburg in der Schützenstraße bilden die letzten Beispiele in einer 190er-Serie: „Plattmachen bis auf die Fassade“. Es ist trostlos, daß ein Baudenkmal gerade in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung „in Gefahr gerät“ und der zuständige Denkmalchef, nämlich Hassemer, den Abrißinteressen nicht mannhaft entgegensteht, wie Dorothee Dubrau, Baustadträtin von Mitte, schimpft. Und schon gar nicht kann entschuldigt werden, daß Hassemer seine eigenen Aufgaben vergessen hat: Wer bis auf die Hülle ein Gebäude abreißen läßt, der hat mit Denkmalschutz nichts mehr am Hut. Daß Hassemer zu allem Unglück die Fehler in der Stadtentwicklung nun gar noch den eigentlichen Beschützern der Bausubstanzen anlasten will, kann nur einem Hitzschlag geschuldet sein. Immerhin kletterte die Quecksilbersäule während der Bootsfahrt auf über 35 Grad Celsius. Rolf Lautenschläger
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