Denkmal-Tag: Kaffeebohnen an Sandwüste
■ Am Sonntag öffnen sie wieder, die sonst so verschlossenen Orte wie der Speicher XI und viele andere Denkmale
Viel zu sehen gibt es auf den ersten Blick im Speicher XI nicht. So ein leerer „Boden“ – wie die Stockwerke im Speicherhaus genannt werden – ist eben erst mal nur leer. Aber wenn man genau hinguckt, kann man noch ungeröstete Kaffeebohnen in den Ritzen zwischen den Holzbrettern entdecken. Schließt man dann die Augen, kann man das alte Gemäuer riechen. Und mit etwas Phantasie, erwacht der Speicherboden wieder zum Leben: Schließlich lagerten hier mal Baumwollballen, Säcke mit Tabak – und eben auch mit Kaffee aus Übersee.
Am kommenden Sonntag ist mal wieder der „Tag des offenen Denkmals“ – wie jedes Jahr am zweiten Sonntag im September. In Bremen findet er zum achten Mal statt, in der Bundesrepublik und in ganz Europa sogar schon zum neunten Mal.
In Bremen wird der sonst bei Veranstaltungen übliche Trend des „immer größer, immer mehr“ durchbrochen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Immer-Mehr an Besichtigungen letztlich zu immer weniger Besuchern führt. Deshalb haben wir unser Programm begrenzt gehalten“, erklärt Wilhelm Tacke, der Vorsitzende des Vereins für Niedersächsisches Volkstum e.V. Außerdem seien Denkmäler vor allem dann für viele Leute interessant, wenn sie eben oben drauf steigen und runter gucken könnten.
Das kann man beim Speicher XI leider nicht. Der Aufstieg auf's Dach mittels schmalen Stiegen ist zu gefährlich. Aber von da oben kann man auch nichts weiter sehen als eine große wüste Sandfläche: Die Vorarbeiten für den Großmarkt sind bereits in vollem Gange.
Neben dem historischen Speichergebäude können Interessierte auch wieder den Schütting und die Bürgerschaft von innen angucken. Zum ersten Mal kommt man dabei in den Anbau der Bürgerschaft, das so genannte Börsennebengebäude, inklusive der „Havanna Lounge“. Auch das alte Pumpwerk von 1916 in der Findorfer Bayernstraße zeigt wieder seine Maschinen und Abwasserentsorgungspumpen. Zum ersten Mal kann man sogar in einen begehbaren Kanal hinabsteigen.
Wer wehmütig seiner Schulzeit nachtrauert, kann im „Museum Bremischer Schulgeschichte“, Auf der Hohwisch 61/63, noch einmal träumen.
Auch die Kirchen sind natürlich wieder dabei. Besonders erwähnt werden soll hier die Martin-Luther-Kirche in Blu-menthal, deren Gemeinde gerade ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Auch die Große Kirche in Bremerhaven öffnet ihre Pforten und bietet Führungen. Die Bremer Innenstadt-Kirchen sind ebenfalls vertreten, wie jedes Jahr. In vielen Kirchen werden auch die Orgeln vorgeführt oder andere Musik geboten.
Wer am Wochenende lieber mal raus aus der Stadt will, kann auch in Worpswede den „Tag des offenen Denkmals“ begehen. Dahin kommt man von Bremen aus am besten mit dem „Moor-express“. Im Teufelsmoor-Gebiet kann man entweder mit geliehenen Fahrrädern oder mit einem Kremserpendeldienst unterwegs sein. Die Worpsweder Mühle, die Zionskirche oder die „Käseglocke“, ein eigenwilliges Rundhaus, sind nur einige der offenen Denkmäler in und um Worpswede.
Im vergangenen Jahr waren in ganz Europa gleichzeitig schätzungsweise 20 Millionen Menschen in 32.000 „offenen Denkmälern“ unterwegs. Mal gucken wie viele der Speicher XI anlockt?
Ulrike Bendrat
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