: Den Taxifahrern sitzt die Angst im Nacken
■ Fahrer in Kreuzberg ermordet/ Sieben Überfälle seit Montag/ Taxi-Gewerbe will bargeldlosen Zahlungsverkehr
Berlin. Auf der Suche nach den Mördern des Taxifahrers Helmut Güttler hat die Polizei noch keine heiße Spur. Der 34jährige Familienvater war am frühen Dienstag abend in Kreuzberg von zwei Männern erschossen worden. Obwohl die Kasse im Taxi zurückblieb, geht Ilona Scholz, Leiterin der 8. Mordkommission, von einem Raubüberfall aus: „Warum sollte man einen Taxifahrer sonst überfallen?“ Die Täter hätten vermutlich überstürzt fliehen müssen.
Mit einer spontanen Trauerkundgebung vor dem Roten Rathaus gedachten 600 Berliner Taxifahrer in der Nacht zum Mittwoch ihres ermordeten Kollegen. „Damit haben die ihre ohnmächtige Wut abgelassen“, sagte Horst Alex von der Taxi-Innung, die die Hälfte der 7.500 Berliner Taxifahrer vertritt. Seit Anfang der Woche wurden sieben Taxifahrer überfallen. Es ist abzusehen, daß die Rekordzahl von 68 Überfällen im vorigen Jahr bis Ende 1992 noch überschritten wird. Bereits 1991 hatte sich die Zahl der Gewalttaten gegen Taxifahrer gegenüber dem Vorjahr verdreifacht.
Besonders beunruhigend ist die zunehmende Gewaltbereitschaft der Täter. Während im vorigen Jahr kein Taxifahrer bei einem Überfall starb, gab es 1992 schon zwei Todesopfer – am 10. Juli war der 35jährige Uwe Bischof erschossen worden. Viele Fahrer fühlen sich jetzt wehrlos ausgeliefert. „Schließlich sieht ein Fahrgast mit bösen Absichten ja nicht aus wie der Räuber Hotzenplotz, wie soll man sich da schützen“, meint Alex. Er kann nur dazu raten, die Selbstverteidigungskurse zu besuchen, die die Innung seit einigen Monaten anbietet.
Die beste Vorsichtsmaßnahme sei, möglichst wenig Geld mitzunehmen, meint Karsten Zegenhagen von der Taxi-Vereinigung. Auf einem Treffen der Funkgesellschaften und der Vertreter des Taxi-Gewerbes gestern nachmittag wurde auch über die Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beraten. „Wir hoffen, diese Umstellung bis Anfang 1993 zu erreichen“, sagte Horst Alex. Die 1.500 Mark teuren Lesegeräte für Kredit- und Euroscheckkarten könnten den Taxifahrern gegen eine Grundgebühr von den Genossenschaften gestellt werden. Für mehr Sicherheit würde auch eine gemeinsame Notruffrequenz sorgen, über die sich Funkgesellschaften und Taxi-Gewerbe allerdings bislang nicht einigen konnten.
Eine Bewaffnung der Taxifahrer lehnt Alex entschieden ab: „Damit wird Aggression erst provoziert.“ Und auch Zegenhagen ist nicht wohl bei dem Gedanken, „daß dann womöglich Tausende von Taxifahrern durch Berlin düsen, jeder mit 'ner Wumme“. Miriam Hoffmeyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen