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Den Sommer in Schweiß ertränkt

■ Ein Konzert mit Tocotronic, Guided By Voices und Chavez

Es regnete. Über Hamburg lag nach Monaten wieder ein dämmrig-kühlender Dunst. Dem Publikum half das nicht: In der renovierten Markthalle prasselten Lichtstrahlen durch erschlagend schwülen Dampf. Tocotronic spielten. Dirk begrub den Mega-Sommer: „Jeder Tag fängt mit Regen an“.

Bis dort war es Mittwoch abend ein weiter Weg. Für Chavez aus New York stand das Gros der gut gefüllten Markthalle nicht einmal auf. Mit lärmig-psychedelischem Rock zeigte die Gruppe, daß musikalisches Können sich nicht in gute Songs umsetzen muß.

Die US-Amerikaner Guided By Voices, vom Headliner zur Vorgruppe der Gymnasiasten-Lieblinge Tocotronic degradiert, füllten ihre 70 Minuten mit kurzen Ansagen, Zwei-Minuten-Stücken und Budweiser light. Keine versponnenen Experimente, sondern wechselnde Rhythmen, gar Melodien im klassischen Punk-Pop-Outfit.

Eine halbe Stunde vor Mitternacht, die Pfützen draußen fast getrocknet: Tocotronic. Den Beginn macht Schlagzeuger Arne mit drei Solo-Titeln, und wir rätseln – kann ein Jura-Student Gitarrengriffe und Textzeilen so geschickt vergessen? Oder ist es nicht nur kokett, wenn Sänger Dirk nachher sagt: „Ein hartes Stück Arbeit, in Hamburg aufzutreten“? Daß Tocotronic ihre Instrumente nicht unbedingt perfekt beherrschen, ist bei ihnen legitimes Stilmittel und wirkte in der auf Rockpalast getrimmten Markthalle als effektvoller Gegensatz.

So schrammelten sie voran, sich als clowneske Variante der Hamburger Schule zu etablieren – wodurch die Band erst recht der Ikonographie des Diskurs-Pop eingeschrieben werden wird. Schön wär's gewesen, wenn vom sprachironischen Geist des Trios zwischen den Liedzeilen mehr zu vernehmen gewesen wäre als ein fortlaufendes „Vielen herzlichen Dank“ zum Schlußakkord. Lag es an der Hitze, lag es an den festgefahrenen Erwartungen der Szene? „Ich muß reden, auch wenn ich schweigen muß“, sangen Tocotronic. Aber wir wissen ja, „auch das klappt meistens nie“.

folk/tim/uwi

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