: Den Schulden an den Kragen
■ Grünes Hearing fordert Schuldenberatung im Lande Bremen / Streit um Konzepte
In Bremen soll es in naher Zukunft eine systematische Schuldnerberatung geben. Auf einem Hearing der Grünen im Bremer Übersee-Museum diskutierten gestern PolitikerInnen und VertreterInnen der freien Wohlfahrtsverbände zwei entsprechende Anträge der Grünen und der SPD an die Bremische Bürgerschaft. Während die Grünen ein Beratungskonzept mit weitverzweigten Anlaufstellen favorisieren, setzt die SPD auf eine zentrale Koordinierungsstelle mit einem Zwei-Millionen-Fonds.
Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Horst Frehe sprach sich für ein Drei-Stufen-Modell der Schuldenberatung und -hilfe aus. Ein weitverzweigtes Netz dezentraler Beratungsstellen soll den Verschuldeten individuelle Lösungswege aufzeigen. Eine Zentrale steht dabei mit Informationen über aktuelle Bankenstrategien und mögliche Verhandlungsquoten zur Verfügung. Jeder Gläubiger soll auf einen Teil der Schulden verzichten, dafür bürgen die Schuldenstellen für die ausgehandelte Restschuld, meist zwischen zwanzig und dreißig Prozent des ursprünglichen Betrages. Finanziert werden soll die Bürgschaft, wenn sie denn eingesetzt werden muß, aus ei
nem öffentlichen Topf, der laut Frehe aber nicht zu hoch ausfallen darf, „um nicht die Begehrlichkeit der Banken zu wecken“. Wenn es nach den Grünen geht, soll die Schuldenberatung noch in diesem Jahr institutionalisiert werden. Für das SPD-Konzept warb die Bürgerschaftsabgeordnete Marion Poppen: „Ein ausreichend ausgestatteter Fonds bietet eine gute Basis bei den Verhandlungen mit den Gläubigern.“ Die SPD will die Koordinierungsstelle 1991 einrichten.
Beide Bürgerschaftsanträge beziehen sich auf die gründlichen Vorarbeiten der freien Wohlfahrtsverbände, die sich seit Jahren um eine qualifizierte Schuldenberatung bemühen. Für die Wohlfahrtsverbände wandte sich Albrecht Lampe gegen den Vorschlag der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Stieringer, den Schwerpunkt der Schuldenberatung auf die Prävention zu setzen. „Wir haben es hier in der Regel mit Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen zu tun. Das ist nicht die soziale Gruppe, von der man einschneidende Veränderungen im Konsumverhalten erwarten kann.“ Bei diesen Menschen komme die Prävention viel zu spät.
Jährlich sind in Bremen 40.000
Mahnverfahren anhängig, die durchschnittliche Verschuldung eines belasteten Haushaltes liegt bei 18.000 Mark, 5.000 -7.000 BremerInnen „haben akuten Beratungsbedarf“, so schätzen die Wohlfahrtsverbände die derzeitige Situation in Bremen ein. Die Hauptgründe für die drastischen Verschuldungen liegen in Arbeitslosigkeit, Krankheit und in den Folgen privater Zerwürfnisse. Die öffentlich finanzierte Schuldenberatung soll sich für einen wirksamen Verbraucherschutz einsetzen. So sollen demnächst Kredite nicht mehr in der Reihenfolge Kosten-Zinsen-Tilgung abgetragen werden. „Wer immer nur Kreditkosten und Zinsen abzahlt, ohne die eigentlichen Tilgungsraten zu begleichen, kann nicht für die Bezahlung seiner Schulden motiviert werden“, erläuterte Frehe den Angriff auf den entsprechenden Paragraphen 367 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Die FDP will eine weitreichende Schuldenberatung nicht mittragen. Nach Ansicht ihrer Abgeordneten Pautzke gefährden weitreichende Entschuldungsmaßnahmen das marktwirtschaftliche Prinzip der Eigenverantwortlichkeit.
Markus Daschne
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