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■ Den Haag: Teilweiser Schuldspruch gegen Dušan TadićSchwieriger Prozeß, heikles Urteil

Dušan Tadić, Aufseher des todbringenden Internierungslagers Omarska, wurde in Den Haag in elf von 31 Anklagepunkten der Folter, Mißhandlung und Beihilfe zum Mord für schuldig gesprochen. So wird wohl das Schlimmste ausbleiben, wenn demnächst sein Strafmaß verkündet wird – daß Tadić nämlich als freier Mann in seinen ethnisch homogenisierten Heimatort Kožarać zurückkehren kann, um sich fortan in seiner Bar als Lokalmatador feiern zu lassen.

Tadić sollte ursprünglich auch wegen Vergewaltigung vor Gericht stehen, doch die Hauptbelastungszeugin zog ihre Aussage kurz vor Prozeßbeginn vor einem Jahr zurück. Eine große Enttäuschung für alle, die auf den historischen Augenblick der Verurteilung eines Vergewaltigers als Kriegsverbrecher warteten. Doch schon die Formulierung der Statuten der beiden internationalen Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda, die Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definieren, bedeutet eine wesentliche Veränderung und Erweiterung des Völkerrechts. Zum erstenmal in der Geschichte gibt es nun offizielle Dokumente, die sich auf die Untersuchung sexueller Gewaltverbrechen beziehen.

AnklägerInnen und RichterInnen des skandalös an Geld- und Personalmangel leidenden Den Haager Tribunals arbeiten engagiert an der Aufklärung weiterer Verbrechen. Doch die kanadische Chefanklägerin Louise Arbor wehrt sich dagegen, bloß als „historischer Aktenschrank“ zu wirken, und richtet schwere Vorwürfe gegen die unkooperativen Nachfolgestaaten Jugoslawiens und die internationale Gemeinschaft, die sie gewähren läßt. So wurde der wegen Genozids angeklagte ehemalige Kommandant der bosnisch-serbischen Armee, Mladić, kürzlich bei einem Fußballmatch in Belgrad gesichtet.

Auf dem Spiel steht mehr als die Glaubwürdigkeit des Tribunals. Die Verurteilung vor allem der Drahtzieher Karadžić und Mladić wäre für die leidgeprüfte Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas Teil eines überlebensnotwendigen Heilungsprozesses. Auf meine Frage an eine Psychologin aus Zentralbosnien, die mit traumatisierten Frauen arbeitet, was wäre, wenn Tadić freigesprochen würde, antwortete sie: „Wir würden jedes Vertrauen in den Rechtsstaat verlieren.“ Erica Fischer

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