: Den Führer entsorgt
■ Berliner Landgericht verurteilt Ewald Althans
Dreieinhalb Jahre muß Bela Ewald Althans hinter Gitter. Er hat in den Gaskammern von Auschwitz den Holocaust eine Lüge und die Krematorien eine Attrappe genannt. Dreieinhalb Jahre für den Auftritt in dem Film „Beruf Neonazi“, der den Führer Althans entlarven sollte, ihm jedoch nur die Bühne für seine eitle Selbstdarstellung bot. Dennoch ist das gestrige Urteil kaum der richtige Weg, den geistigen Brandstiftern von Rostock, Mölln oder Solingen das Handwerk zu legen.
Es ist kaum drei Jahre her, da drohte der Republik in den Augen der Bundesregierung angesichts der „Asylantenflut“ der Staatsnotstand. Der rassistische Mob fackelte Ausländerheime nieder, und Bela Ewald Althans schien sich zum Bilderbuch-Nazi des Massenmedienzeitalters zu mausern: groß, blond, blauäugig, intelligent und schlagfertig. Jederzeit stand er Journalisten zur Verfügung, und jedem, der genügend zahlte, diktierte er ins Mikrofon, daß ihm und seinesgleichen eines Tages die Welt zu Füßen liegen werde. Der Traum von der Weltherrschaft war allerdings schnell ausgeträumt.
Althans habe es meisterhaft beherrscht, die Medien für sich einzusetzen, begründet Richter Brüning das harte Urteil. Doch daß dazu auch immer Journalisten auf der Suche nach Schlagzeilen gehören, schien ihm keinen Gedanken wert. Althans habe mit seinen revisionistischen Reden den Nährboden für rassistische Straftaten geschaffen, argumentiert Brüning, als seien für das gesellschaftliche Klima, in dem Flüchtlinge und Migranten zu Opfern rassistischer Gewalt werden, allein ein paar rechtsextreme Köpfe verantwortlich.
Das Gericht hat den Führer Althans elegant entsorgt. Dieser hat es dem Gericht mit seiner wirren Selbstverteidigung dabei auch sehr einfach gemacht. Doch der Artikel 5 Grundgesetz war dem Gericht nur einen Nebensatz wert. Dabei ist es eine juristisch relevante Frage, ob beziehungsweise in welchem Maße sich auch Neonazis auf die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Kunst berufen dürfen.
Wenn Neonazis von Journalisten und Filmemachern zitiert werden und anschließend juristisch zur Rechenschaft gezogen werden können, dann könnte dies noch eine ganz andere Konsequenz haben. Die Berichterstattung über den Rechtsextremismus würde so weder besser noch weniger dramatisierend. Statt dessen dürfte es immer schwieriger werden, ein gesellschaftliches Phänomen anhand von Aussagen der Beteiligten zu analysieren. Christoph Seils
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