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Demos gegen Rechtsextreme am Wochenende200.000 bundesweit auf der Straße

Seit Freitag demonstrierten Hunderttausende für Demokratie. Unsere Karte zeigt das aktuelle und vergangene Demogeschehen.

Kreativ in Dresden: in der sächsischen Landeshauptstadt versammelten sich am Sonntag bis zu 20.000 Menschen Foto: Sebastian Kahner dpa

Berlin taz | „Selbst die Kartoffel hat Migrationshintergrund“, steht auf dem Pappschild eines Demonstranten in Budenheim. Mit ihm standen etwa 1.300 Menschen am frühen Freitagabend vor dem rheinhessischen Bürgerhaus, um gegen den Beginn der Wahlkampfveranstaltung der AfD zu demonstrieren. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch war geladen. Ein Mann der Gegendemo macht klar: „Budenheim glaubt nicht an die Storch“.

Am Wochenende (inklusive Freitag) demonstrierten mindestens 198.000 Menschen an 107 Orten für eine weltoffene und demokratische Gesellschaft. Das zeigt eine Auswertung der taz, die das Demogeschehen seit Wochen begleitet. In unserer Karte finden sich detaillierte Informationen zu bisherigen Versammlungen.

450 Kilometer östlich von Budenheim sprach der Neonazi Martin Sellner etwa zeitgleich auf einer Kundgebung der rechtsextremen Identitären Bewegung im Zentrum Chemnitz. Rund 260 Menschen demonstrierten gegen seinen Auftritt. Sie zogen durch Chemnitz-Schönau und „zeigten dem IB Grenzen auf“, wie auf einem Transparent zu lesen war.

Martin Sellner hatte bereits Ende November einen Vortrag in Potsdam gehalten, an dem einige Politiker der in Teilen rechtsextremen AfD sowie einzelne Mitglieder der CDU und der rechtsradikalen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Dabei ging es auch um Pläne, nichtweiße Menschen und Menschen mit ausländischen Wurzeln auszubürgern und zu vertreiben. Darüber berichtete das Recherchezentrum Correctiv und löste damit die bundesweite Protestwelle gegen Rechtsextremismus aus.

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Die größten Demos in Hamburg und Dresden

Gegen den Landesparteitag der AfD in Marl waren am letzten Samstag gleich drei Versammlungen angemeldet. Laut Rheinischer Post demonstrierten bis zu 2000 Menschen vor der Eventhalle NRW. Die größte Demo gegen Rechtsextremismus am Samstag fand in Stuttgart statt. Dort versammelten sich zwischen 8000 und 9000 Menschen, wie die Polizei mitteilte. Auch für etwa 50 weitere Orte konnten wir am Samstag deutschlandweit Kundgebungen, Laufdemos, Lichtermeere und sogar ein Kulturfest erfassen, an denen sich 53.000 Menschen beteiligten.

Richtig voll wurde es am Sonntag in zwei Städten. In Hamburg trafen sich Schätzungen zufolge zwischen 50.000 und 60.000 Menschen am Bahnhof Dammtor, um zusammen mit der Band Deichkind gegen Rechtsextreme einzustehen.

In Dresden demonstrierten zwischen 15.000 und 20.000 Menschen unter dem Motto #WirSindDieBrandmauer. In ihrer Rede bei dem Protest sagte Klimaaktivistin Luisa Neubauer: „Unsere Gleichgültigkeit bekommen sie nicht. Stattdessen zeigen wir uns von der schönsten, solidarischsten Seite. Demokratie hat man nicht, Demokratie lebt man“. Insgesamt waren es am Sonntag 135.000 De­mons­tran­t:in­nen bei 49 Veranstaltungen.

Anfeindungen und Störungen durch Rechtsextreme

Erneut kamen die meisten Demoaufrufe aus kleinen Dörfern und Städten, die sich überall in Deutschland gegen Rechtsextreme stark machen. Wir zählen 59 Demos mit dreistelliger Teilnehmerzahl, insgesamt 27.000 Menschen und 46 Demos mit vierstelliger Teilnehmerzahl, insgesamt 107.000 Menschen. Die kleinste uns bekannte Demo fand am Freitag in Bruckmühl mit 150 Teilnehmenden statt. Oft werden Menschen während der Proteste angefeindet, wie Lokalmedien verschiedentlich berichten.

Am Sonntag störten Rechtsextreme in Bautzen mehrfach eine Versammlung unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus! Gemeinsam für Menschlichkeit und Demokratie!“. Sie versuchten unter die Versammlungsteilnehmer zu gelangen, heißt es in einer Medieninformation der Polizei Sachsen. Die Polizei erstattete vier Strafanzeigen wegen des Anfangsverdachts des Verwendens verfassungsfeindlicher Zeichen gegen die Rechtsextremen und drei wegen Vermummung gegen die Demo-Teilnehmenden.

Fast 5 Millionen Menschen gegen Rechtsextremismus

Seit 12. Januar demonstrierten bundesweit zwischen 3,7 und 4,9 Millionen Menschen bei 1264 Versammlungen gegen die AfD und für die Demokratie, wie eine taz-Auswertung zeigt.

Nach vier Wochen beenden wir am heutigen 26.02. unsere Datensammlung zur aktuellen Protestbewegung gegen Rechtsextremismus. Vielen Dank an die zahlreichen Hinweisgebenden – in unserem Hinweis-Postfach erreichten uns fast 700 Zuschriften. Wir nehmen weiterhin Korrekturen und Hinweise zu Demos vor dem 26.02. an.

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3 Kommentare

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  • Ja, die Demonstranten sind "Wir-sind-viele". Aber hat jemand mal die Zahl der potenziellen AfD-Wähler ausgerechnet (17% Umfrageergebnisse für die AfD von 80% Wahlbeteiligung von 60 Millionen Wahlberechtigten)? Sind auch viele, oder? Und die können nicht mehrfach wählen wie die Demonstranten oft mehrfach demonstrieren.

  • Man stelle sich vor, alle Demonstranten würden in den Foren der besorgten Bürger bezüglich unserer Zukunft etwas von Zuversicht, Großzügigkeit und dergleichen verbreiten ...



    Oder unsere Regierungsvertreter anders darstellen als den Foren üblich. Nämlich als, zwar etwas fremd in der finanziell benachteiligten Schicht, aber bemüht.

  • Ich sage, diese Demos verändern Deutschland. Bürgerliche Kreise, die auch mal AfD ankreuzten, werden damit schon wachgerüttelt. Und die AfD trifft auf Widerstand. Das man sich erst in ein paar Bundesländern an die Macht schlängelt und dann den Rest einfach überrennt, wird hier nicht passieren.