Demonstrationsrecht: Teurer Waldspaziergang
Braunschweiger Ratsherr wird wegen Aktionen gegen die Abholzung des Querumer Forsts zu 20.000 Euro Strafe verurteilt. Dabei ist strittig, ob die verwaltungsrechtlichen Auflagen der Stadt zulässig waren.
Die Sache mit dem rot-weißen Flatterband hat das Amtsgericht dann doch fallen lassen. Peter Rosenbaum von der Bürgerinitiativen-Fraktion BIBS im Braunschweiger Rat soll es beim Protest gegen den Flughafenausbau im Querumer Forst zerrissen haben. Am Freitag ist Rosenbaum zwar nicht wegen dieser aber wegen anderen Aktionen gegen den Flughafen zu rund 20.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Dem Ratsherrn wurde vorgeworfen, illegal das Baustellengelände betreten zu haben. Dazu kommen Verstöße gegen das Versammlungsrecht. Dabei ficht Rosenbaum die aus seiner Sicht ungerechtfertigten Auflagen seit einem halben Jahr vor dem Verwaltungsgericht an.
Rosenbaum gehört zu den führenden Persönlichkeiten der Bürgerinitiative, die eine Pistenverlängerung des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg verhindern will. Sie befürchtet, dass der Ausbau die umliegenden Stadtteile mittelfristig in Gewerbegebiete verwandeln werde. Sie kritisiert die Zerstörung des Waldes mit seinen Tieren und Pflanzen. Und sie hält den Flughafenausbau überhaupt für unnötig, weil er gar nicht, wie behauptet für die Forschung, sondern nur für die Bequemlichkeit des VW-Managements ausgebaut werde.
Der Widerstand bewegt nicht die Massen. Dafür ist er dauerhaft, intensiv und offenbar nervend. Vor einer Woche veranstaltete die Initiative ihren 300. demonstrativen Waldspaziergang. Die Leute von der Initiative haben im Winter im Wald campiert; vor den Sägen der Abholzungsmaschinen suchten sie seltene Tiere und Pflanzen und fanden den geschützten Eremitenkäfer; und ihre Vertretung im Rat, die BIBS, stänkert bei jeder Gelegenheit gegen den Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) - nicht nur beim Thema Flughafenausbau.
Darum geht es beim Protest gegen den Flughafenausbau:
Stadtplanung: Die acht benachbarten Ortsteile könnten sich bei einem Ausbau über kurz oder lang in Gewerbegebiete verwandeln.
Natur: Für die Piste wird ein Teil des Waldes zerstört. Kürzlich wollen die Leute von der Bürgerinitiative darin den seltenen Eremitenkäfer entdeckt haben.
Täuschung: Der Flughafen wird nach Angaben der Stadt hauptsächlich als Forschungsflughafen betrieben und soll ausgebaut werden, um der Wissenschaft besser dienen zu können. Die Bürgerinitiative vermutet, dass er nur den Managern der Firma VW die Möglichkeit verschaffen soll, vor ihrer Haustür zu Langstreckenflügen zu starten.
Nach den Anzeigen gegen Rosenbaum und dessen Fraktionskollegin Heiderose Wanzelius hatte die CDU per Anfrage eine Schelte der Verwaltung organisiert. Die teilte mit, sie halte es "generell für sehr bedenklich, wenn Ratsmitglieder rechtswidrig handeln".
Unlängst tauchte ein nachgemachtes Terroristen-Plakat auf, mit dem unter anderem nach Hoffmann gefahndet wurde. Der Erste Stadtrat Carsten Lehmann erkannte hierin "eine weitere Stufe der Eskalation der Auseinandersetzungen in der Stadt" und rückte das Plakat in einen Zusammenhang mit dem Flughafen-Protest. Inzwischen liegt der Verdacht nahe, dass das Plakat nirgendwo anders als einmal im Rathaus aufgetaucht und von der Stadt bekannt gemacht worden ist. Der Sprecher der Stadt, Jürgen Sperber, muss passen bei der Frage, ob es davon mehr als ein Exemplar gibt und auch die BIBS weiß von keinem weiteren.
Im Prozess ist Rosenbaum wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht, Nötigung, Aufforderung zu Straftaten und Hausfriedensbruch verurteilt worden. Mit 150 Tagessätzen à 135 Euro blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die 200 Tagessätze verlangt hatte. Rosenbaum kündigte an, er werde Berufung einlegen.
Der Staatsanwalt hatte Rosenbaum unter Verweis auf das Versammlungsrecht vorgeworfen, Demonstrationen geleitet zu haben, obwohl ihn die Stadt wegen mangelnder Zuverlässigkeit als Versammlungsleiter abgelehnt hatte. Er hatte eine Demonstration auf der Straße geleitet, obwohl sie laut Auflage nur über die Straße hätte führen dürfen und er sprach per Megaphon zu einer Menschengruppe, obwohl diese, anders als vorgeschrieben, weniger als 50 Personen umfasste. Der Streit über diese Auflagen vor dem Verwaltungsgericht ist jedoch bis heute noch nicht entschieden.
Außerdem soll Rosenbaum als faktischer Leiter einer Demonstration 15 Minuten lang eine Straße blockiert haben. Er soll Demonstrationsteilnehmer aufgefordert haben, widerrechtlich die Baustelle betreten zu haben und selbst widerrechtlich auf die mit Flatterband abgesicherte Baustellenzufahrt gegangen sein.
Rosenbaum wehrt sich gegen den Vorwurf des Hausfriedensbruchs: "In einem öffentlichen Wald gibt es kein Hausrecht", argumentiert er. Außerdem sei die Baustelle nicht gekennzeichnet gewesen - schließlich habe da kein Bauschild gestanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei