Demonstration in Friedrichshain-Kreuzberg: Für die Linken ein Abbruch
Mehrere tausend Demonstranten gedenken des Hausbesetzers Silvio Meier, prangern aber auch die steigenden Mieten und die Situation der Flüchtlinge an. Es kommt zu Rangeleien mit Polizisten.
Viele Passanten verlangsamen am U-Bahnhof Samariterstraße ihren Gang. Manche bleiben neugierig stehen und lesen die Tafel, die dort zwischen den gräulichen Kacheln an der Wand an Silvio Meier erinnert. Hin und wieder legt jemand eine Rose nieder, vor der Gedenktafel brennen Kerzen. Wenige Meter weiter setzt sich eine Demonstration in Gang, die an das Fortbestehen rechter Gewalt erinnern will. Die Gewalt, die Meier tötete.
Fast auf den Tag genau 22 Jahre nachdem der Hausbesetzer an diesem Ort von Neonazis niedergestochen wurde, gedenken am Samstagabend tausende Antifaschisten im Rahmen der traditionellen Silvio-Meier-Demonstration seiner und aller anderen, die faschistischen Übergriffen zum Opfer fielen. Die Polizei spricht von etwa 1.600 Teilnehmern, die Veranstalter nennen mehr als 4.000. Zwar vermelden die Behörden einen „überwiegend störungsfreien Abend“. Doch viele Demonstranten werfen der Polizei unverhältnismäßig aggressives Verhalten vor. Am Lausitzer Platz beenden die Veranstalter den Aufzug frühzeitig. „Wir wollten eine weitere Eskalation der Lage vermeiden“, sagte Stefan Schmidt, Sprecher des Silvio-Meier-Bündnisses.
Im Vorfeld ist die Demonstration auf den Abend verlegt worden, um eine Überschneidung mit den Protesten gegen den Aufmarsch von Rechten in Marzahn-Hellersdorf zu vermeiden. Dennoch stoßen einige verspätete Demonstranten erst im Lauf der Demonstration hinzu. Manchen ist die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben.
Die erfolgreiche Blockade der Rechten in Marzahn sorgt für ausgelassene Stimmung unter den Demonstranten. Grund zur Euphorie ist sie nicht. „Dass die Rechten den Ort, an dem ich aufgewachsen bin, wieder für sich reklamieren wollen, macht mir ein mulmiges Gefühl“, sagt ein Teilnehmer.
Doch die Silvio-Meier-Demonstration will in diesem Jahr mehr sein als ein Ausrufezeichen gegen Neonazis. Der Aufzug läuft unter dem Motto „Antifa heißt Kampf ums Ganze“. Die Botschaft: „Antifaschismus ist immer auch antikapitalistisch und muss die soziale Frage stellen“, so Bündnis-Sprecher Schmidt. Die Demonstration prangert daher auch die steigenden Mieten in Berlin und die Situation der Flüchtlinge an. Ursprünglich wollte man auch so nah wie möglich an die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule kommen, um dort Solidarität zu zeigen – aber so weit soll es dann nicht kommen.
Nachdem der Aufzug mit bengalischem Feuer, Feuerwerken und Sprechchören kraftvoll durch Silvio-Meier- und Rigaer Straße in Richtung Kreuzberg gestartet ist, heizt sich die Stimmung zunehmend auf. Auf der Oberbaumbrücke eskaliert die Lage: Polizeibeamte stürmen in den Aufzug und nehmen mehrere Demonstranten fest. Darauf werfen Demo-Teilnehmer Flaschen und Böller, es kommt zu Rangeleien mit den Polizisten. Die wiederum antworten mit Pfefferspray. Gegen einen Demonstranten ermitteln die Behörden nun wegen schweren Landfriedensbruchs.
Um keine weiteren Gefechte in den kleinen Kreuzberger Gassen zu riskieren, erklären die Veranstalter die Demonstration gegen 21 Uhr für beendet.
Ihr Fazit fällt dennoch positiv aus „Die radikale Linke in Berlin hat geschlafen“, so Stefan Schmidt. „Langsam wacht sie wieder auf.“
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