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DemokratiePolitiker züchten Volksini

Während Bausenatorin Anja Hajduk zur Rettung des Stadtbahnprojekts auf Bürgerbeteiligung setzt, leiern die befürwortenden Parteien eine Pro-Initiative an.

Will die Stadtbahn unbedingt: der neu gegründete Trägerverein. Bild: dpa

Die Befürworter der Stadtbahn wollen deren Gegner mit ihren eigenen Mitteln schlagen. Im Brakula, dem Bramstedter Kulturladen, hat sich dazu am Dienstagabend ein Kreis von 15 Leuten mit dem Ziel getroffen, eine Volksinitiative "Pro-Stadtbahn" zu gründen - unter ihnen einige Vertreter von CDU, GAL und auch der SPD. Von Bramfeld und Steilshoop aus wollen sie einen Startschuss abfeuern, der durch die ganze Stadt hallen soll.

Die Gründung eines Trägervereins für die Volksinitiative steht an. Dass eine Parteizugehörigkeit dem Vorhaben schaden könnte, weil sie Misstrauen schürt, ist die Anwesenden bewusst. Also wird dafür gesorgt, dass "nicht überwiegend Parteivertreter" den Verein repräsentieren. Ob die Nicht-Parteizugehörigen auch das Sagen haben, steht auf einem anderen Blatt.

Das Projekt Stadtbahn, eine Straßenbahn auf eigenem Gleiskörper, ist auf überraschend großen Widerstand gestoßen. Vielen gilt sie angesichts der desolaten Haushaltslage als zu teuer. Manche der Anwohner wiederum haben keine Lust auf eine Baustelle vor ihrer Haustür und darauf, dass ein paar Parkplätze zu Gunsten des neuen Verkehrsmittels wegfallen könnten, erst recht nicht. Stadtbahngegner in Winterhude und Eppendorf haben eine Bürgerinitiative gegründet und sammeln Unterschriften gegen das Vorhaben.

Umfragen hätten gezeigt, dass die Skepsis gegenüber dem Vorhaben groß sei, räumt Enno Isermann, der Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) ein. Die Senatorin setzt deshalb auf Bürgerbeteiligung. "Die Frage des ersten Spatenstichs ist für uns erstmal zweitrangig", sagt Isermann. Wichtiger sei es zu informieren und für ein Projekt mit Gesamtkosten von einer Milliarde Euro für Akzeptanz zu sorgen. "Die Bevölkerung hat in den letzten Jahren schlechte Erfahrungen mit Großprojekten gemacht", sagt Isermann. Da müsse man Vertrauen zurückgewinnen.

Aus Sicht Hajduks ist die Stadtbahn notwendig, "damit die Verkehrsinfrastruktur den Anforderungen einer wachsenden Stadt und dem Mobilitätsbedürfnis auch in Zukunft gerecht wird". Wegen des Widerstand hat der Senat seine Pläne gestreckt. Erst im ersten Halbjahr 2012 soll der Bau beginnen.

Für die GAL ist das schlecht. Nach ihrem gescheiterten Vorhaben einer Schulreform und den vergeblichen Versuchen, das Kohlekraftwerk in Moorburg und eine weitere Elbvertiefung zu verhindern, steht damit der letzte große Erfolg für die GAL auf dem Spiel: der erste Spatenstich für die Stadtbahn vor den Wahlen im Frühjahr 2012.

Während die Hochbahn die Stadtbahn weiter plant, damit der Bund entscheiden kann, sich an der Finanzierung zu beteiligen, richtet die Stadtentwicklungsbehörde noch in diesem Jahr ein "Bürgerforum Stadtbahn" ein. Die Ergebnisse der 14-tägigen öffentlichen Diskussion mit professioneller Moderation, Experten, Gegnern und Befürwortern sollen in die weiteren Planungen einfließen.

Hajduk verspricht sich vom Diskussions- und Planungsprozess, dass bis zu seinem Abschluss im Sommer 2011 die Zustimmung so groß sein wird, dass auch die künftige Regierung das Projekt durchführen kann. Da kommt der "Startschuss" aus Bramfeld sicher ganz gelegen.

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7 Kommentare

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  • H
    Hellseher

    Der schwarz-grüne Senat ist zu Ende. Die Stadtbahn wird gebaut. Hamburg braucht sie!!!

  • BS
    Britta Schneider

    Das kommt mir alles bekannt vor.

    Gab es nicht auch eine Initiative der

    Befürworter der Primarschule?

    Das zweite grosse Projekt der sogenannten Grünen

    aus Hamburg wird auch scheitern.

  • H
    H.B.

    Die Gründung einer (weiteren) Initiative für die Stadtbahn Hamburg halte ich für absolut sinnvoll!

     

    Wenn nun Vertreter von CDU, GAL und SPD dabei sind, kann ich nur sagen: Na und? Die Gegner der Stadtbahn werden doch auch von den Freien Wählern und der FDP unterstützt! Nimmt daran jemand Anstoß?

     

    Es gibt in Hamburg eben nicht nur Bürger, die aufgrund irgendwelcher Vorurteile gegen die Stadtbahn sind, sondern auch solche, die es einfach satt haben, sich jeden Tag in krachend volle Busse drängeln und in verschiedenen Zeitungen nur dumme Beiträge über die Stadtbahn lesen zu müssen.

     

    Ist das so schwer zu begreifen, dass auch diese Bürger ihr Recht fordern?

  • M
    Mathias

    Tatsache ist, daß diese Initiative zwar auch Parteimitglieder aus mehreren Parteien in ihren Reihen hat, aber gerade NICHT von Parteien initiert wurde. Diese Initiative ist rein Privat, die Parteien haben damit nichts zu tun.

    Wie Frau Kaiser zu ihrer Aussage kommt,ist mir schleierhaft.

  • W
    Wilhelmsburger

    Das ist das klassische "Deja Vue" - Erlebnis mit der GAL in Hamburg !

     

    Schon die Goetsch hat bei der Schulreform das volle Register gezogen: eine Pseudo-Beteiligung in Form von RSKs, Gruendung einer Pseudo-Pro-Initiative durch Gleichgesinnte - um so zu tun, als wenn die Bevoelkerung tatsaechlich nicht in der Mehrheit gegen die Politiker sondern in sich gespalten sei - und immer wieder die Phrase "man muss nur richtig aufklaeren und fuer das neue Projekt ueberzeugen" (die Bevoelkerung sei ja zu dumm, um sich selbst zu informieren - udn auch um die richtigen GAL-Argumente zu verstehen..).

     

    Sehr aehnlich ist die GAL auch in Wilhelmsburg vorgegangen - beim Thema Hafenquerspange und Reichstrasse.

     

    Liebe GAL-ier: werdet von Bundesumfragen nicht wahnsinniv vor Trunkenheit ! In Hamburg seid Ihr "Flasche leer...". Eure Stadtbahn will die Mehrheit der Hamburger nicht, denn sie wissen, dass das Geld nicht da ist und wir uns das nicht leisten koennen. Und wer auch nur ein wenig an seine Kinder und Enkeln denkt, der wird ihnen die Schulden fuer die Stadtbahn kaum auf deren Ruecken abladen wollen.

  • SD
    Schuhe des Fischers

    Vielen Dank auch für diese Berichterstattung. Einer reißerischen Überschrift und einigen Unterstellungen im ersten Absatz folgt eine weitgehend sachliche Darstellung der Zusammenhänge. Schade, dass vor allem das hängen bleibt, was behauptet, aber nicht belegt wird.

     

    Als Leser, der weder mit der Stadtbahn noch mit irgendeiner Partei besonders viel am Hut hat, bin ich leider genauso schlau wie vorher: Entsteht die Volksinitiative tatsächlich auf Betreiben der Parteien? Oder ist es Zufall, dass Parteimitglieder sich auch für die Volksinitiative engagieren?

     

    Wäre ersteres der Fall, sollte man in der Lage sein, zumindest ein paar Indizien anzuführen, die für die implizierten Zusammenhänge sprechen. Fehlen solche Indizien, spricht die Unterstellung einer "Züchtung" für ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Darf man als Parteimitglied kein anderweitiges Engagement mehr zeigen?

     

    Journalismus kann eben manchmal sehr einfach sein. Parteien-Bashing geht immer. Böse Politiker gegen gute Bürger. Schön, dass ich mir nicht mal mehr das Abendblatt kaufen muss, um auf diesem Niveau informiert zu werden.

  • RH
    Robin Hohberg

    Hallo liebe Journalisten,

    Sie brauchen jeden Tag einen Skandal.

    Die Zeitungen bewerten die politischen Themen nur noch. Vielleicht schreiben Sie mal Artikel, in denen die Argumente das Übergewicht haben.

     

    Sie kündigen zwar an, dass ein "Bürgerforum Stadtbahn" stattfinden soll, bei dem Argumente ausgetauscht werden sollen.

    Dann ist es doch vorher Ihre Aufgabe, ALLE Argumente zu nennen, damit überhaupt Argumente ausgetauscht werden können.

     

    Wenn das so weiter geht, geht in Deutschland bald gar nichts mehr.