Demo in München: 50.000 gegen Atomkraft
Dreimal mehr Demonstranten als erwartet protestierten am Samstag in München gegen die Laufzeitverlängerung. Das war die größte Demo in Bayern seit Wackersdorf.
MÜNCHEN taz | Kann ein Protest noch mehr Mainstream sein? Gerade ist auf der Wiese hinter dem Rathaus die Band Sportfreunde Stiller aufgetreten, jetzt klatscht der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) mit seiner Frau ein paar Meter weiter auf der Straße fröhlich lächelnd in die Hände und ruft "Abschalten!". Die Polizisten tragen keine Helme und Schilde, sondern regeln ruhig den Verkehr, und auf zehn Kilometer Länge drängen sich die Demonstranten quer durch die Innenstadt und halten sich an den Händen, um ein Zeichen gegen die Laufzeitverlängerung der Bundesregierung zu setzen.
Kette schloss sich 15 Uhr
50.000 Teilnehmer haben die Veranstalter am Samstagnachmittag bei der Aktions- und Menschenkette für den Atomausstieg gezählt - die Polizei spricht von mindestens 25.000 Demonstranten. Um 15 Uhr schloss sich die Kette, die vorbeiführte an der Bayerischen Staatskanzlei, den Zentralen von Eon Energie, Siemens und der CSU. Ude erklärte, es habe seit den Protesten gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf keine so große Demonstration mehr in München gegeben.
Markus Greineder hat den Protest für das Bündnis Kettenreaktion Bayern organisiert. Er sagt: "Es ist ein Riesenerfolg für uns. Es ist das angekündigte und erwartete Erdbeben." Dass das Erdbeben so groß ausfallen würde, hatte selbst das Organisationsbündnis nicht erwartet. Die Veranstalter rechneten mit 15.000 Menschen.
Es ist ein Protest quer durch alle Altersschichten und Milieus. Familien und Senioren sind gekommen, es sind viele Fahnen von SPD und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zu sehen. Der Hauptadressat des Protests: die CSU und die bayerische Staatsregierung.
"Den Leuten stinkt es einfach. Sie haben das Gefühl, dass nicht für sie regiert wird, sondern für eine Industrielobby", sagt die Vorsitzende der bayerischen Grünen, Theresa Schopper.
Krawatte und Lodenjanker
Neben ihr in der Menschenkette, in Krawatte und Lodenjanker: Florian Streibl, Sohn des früheren CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl und heute Landtagsabgeordneter bei der konservativen Gruppierung Freie Wähler. Sie haben den Protest ebenso unterstützt wie Grüne, SPD und Linke. Der Energiekompromiss der Bundesregierung gefährde die Sicherheit der Energieversorgung, so die Freien Wähler.
Hier seien keine fortschrittsfeindlichen Technikmuffel versammelt, ruft Ude bei der Abschlusskundgebung auf dem Odeonsplatz. "Hier ist die technologische Avantgarde." Der Protest gegen die Laufzeitverlängerung in Bayern geht weiter: Am Montag treffen sich Antiatomaktivisten im niederbayerischen Niederaichbach zur Mahnwache vor dem Kraftwerk Isar 1.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?