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Demo gegen sexuelle ÜbergriffeSchlamperei bei den Schlampen

Mit Slutwalks soll der Begriff Schlampe zu einem Protestschlagwort umgewandelt werden. Doch wer alltäglich als solche beschimpft wird, tut sich schwer mit der hippen Neudefinition.

Sich wie "Schlampen" kleiden, ohne deswegen Freiwild zu sein. Bild: Reuters

BERLIN taz | Die Slutwalks sind in kürzester Zeit Darlings der Presse geworden. Es sind Märsche, mit denen Menschen weltweit für das Recht potestieren, sich wie "Schlampen" kleiden zu dürfen, ohne deswegen Freiwild zu sein. Am Samstag werden die selbsternannten Schlampen in mehreren deutschen Städten durch die Straßen ziehen und gegen sexuelle Gewalt protestieren.

Doch es gibt auch Personen, die sich den Begriff "Schlampe" nicht lustig selbst aneignen wollen. Die Beratungsstelle für Prostituierte, Hydra, wies in einem offenen Brief darauf hin, dass der Titel Schlampe für viele von ihr vertretene Menschen ein verletzendes Stigma ist. "Wir wünschen, dass jene gehört werden, die sich nicht "Schlampe" nennen können und wollen, weil der Begriff aus eigener Erfahrung Schmerz und Beschämung durch die Abwertung der Gesellschaft hervorruft", heißt es in dem Schreiben. Auch LesMigras, Berliner Anlaufstelle für lesbische/bisexuelle Migrant_innen, Schwarze Lesben und Trans*Menschen, unterstützt das.

Hydra und LesMigras geben zu bedenken, dass durch die Slutwalks vor allem Menschen der weißen Mittelklasse repräsentiert würden, und fordern die Einbeziehung der Personen, die besonders häufig als Schlampe abgewertet werden.

Die Veranstalter_innen des Berliner Slutwalks reagierten auf die Kritik der beiden Organisationen zunächst erschrocken: "Wir haben sofort Kontakt zu Hydra aufgenommen", erläutert Diana Drechsel, die den Marsch zusammen mit einem circa 20-köpfigen Team organisiert. Unter anderem wurde nun die Auswahl der Redner_innen gemeinsam getroffen.

Auch mit LesMigras fanden Gespräche statt, so dass sich Claudia Apfelbacher von der Lesbenberatung Berlin, zu der LesMigras gehört, zufrieden zeigt: "Es gab Einwände von uns, die wurden gehört und wir stehen nun miteinander in Kontakt." Falls es einen weiteren Slutwalk geben sollte, sei eine engere Zusammenarbeit geplant.

Vergewaltigungsmythen

Für den Slutwalk in Berlin hoffen die Organisator_innen auf großen Zulauf: "Wir rechnen mit 3.000 Teilnehmer_innen, aber wenn 1.000 kommen, freuen wir uns auch", meint Drechsel.

Damit der Marsch friedlich abläuft, wurde ein Awareness-Team gebildet, das gegen sexistische, homophobe, transphobe und rassistische Bemerkungen vorgehen soll. Dass mit Pöbeleien durchaus zu rechnen ist, zeigt der Fall der Facebook-Veranstaltungsseite des Berliner Slutwalks: Nachdem sie immer wieder mit sexistischen Kommentaren bombardiert worden war, musste die Pinnwand geschlossen werden.

Ausdrücklich thematisieren die Slutwalks Vergewaltigungsmythen, durch die den Betroffenen eine Mitschuld zugesprochen wird. Dass solche heute noch existieren, belegt Carola Klein, Beraterin bei Lara, einem Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen in Berlin: "Den Frauen, die sich an uns wenden, wird von ihrem Umfeld sehr häufig eine Mitschuld unterstellt, und falls sie den Täter anzeigen, ist ihre Kleidung eigentlich immer Thema."

Die von der Autorin verwendete Unterstrich-Schreibweise wurde entwickelt, um auch Menschen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit wie Inter- und Transsexuelle sprachlich repräsentieren zu können. Gerade diese Personengruppen sind besonders häufig von sexueller Gewalt betroffen.

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13 Kommentare

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  • P
    pro "_"

    Die Schreibweise mit Unterstrich dient dazu, allen Menschen, jenseits der Geschlechterdichotomie unserer Sprache, einen Raum zu schaffen. Die Idee der Zweigeschlechtlichkeit und damit auch deren Verankerung in der Sprache ist entgegen allgemeiner Annahmen und Vorurteile keine (!) durch die Biologie belegbare universelle Tatsache, sondern stattdessen ein historisch entstandenes Gedankenkonstrukt, welches eben durch die Sprache (und da wären wir wieder bei „Sprache schafft gesellschaftliche Realität“) als solches nicht mehr zu erkennen ist.

     

    @FMH: Die Schreibweise „Bürgerinnen und Bürger“ schließt eben genau keine Menschen mit ein, die sich nicht zu einem der beiden, in der Sprache vorhandenen, Geschlechter zuordnen.

     

    @Jo: Inwiefern werden denn Transsexuelle mit dieser Schreibweise nicht repräsentiert? Falls mensch sich nicht zu m oder f zuordnen möchte, bleibt ja noch der Unterstrich. Genau das ist ja das Raffinierte. Vorzuziehen wäre selbstverständlich eine Sprache, die keine geschlechtlichen Kategorien kennt, oder dutzende davon, oder eine Gesellschaft, die mit diesen Kategorien keine Wertungen verknüpft. Aber das ist wohl noch ein langer Weg...

     

    @Tobias: „Die_er AutorenInnen_inneren machen noch so lange bis man die taz gar nicht mehr lesen kann.“ Ja, durch die 5 (!) Wörter mit Unterstrichen verliert so ein Artikel schon mal seine Lesbarkeit. Zumindest anscheinend bei dem unbeleseneren Publikum. Schade. Aber seien Sie beruhigt: Ein Großteil der Taz-Autor_innen wird auch in Zukunft die von Ihnen bevorzugte konventionelle Schreibpraxis beibehalten. Auch schade.

     

    In jedem Fall vielen Dank an die Autorin für diesen (durch die Kommentare belegten) Mut zum Fortschritt!!!

  • K
    Kim

    Vielen Dank für den Unterstrich!

    Wunderbar,endlich finde ich mich auch in der Sprache der Taz wieder!

    Denn entgegen anderer Stimmen hier im Kommentarbereich vertrete ich die These, dass genau auf diese Art Sprache Realtität schaffen kann, es schaffen kann gesellschaftliche Konstruktionen (wie z.B.Geschlecht)aufzudecken und zu wandeln.Abgesehen davon schliesst Sprache aus oder wirkt eben einbeziehend,wie dieser Text.

    Ich kann verstehen, dass Leute die sich in der Mitte des Zweigeschlechtersystems wohl fühlen, kein Problem in einer ausschliessenden Sprache sehen. Aber es als "lächerlichen Mist" abzuwerten,wenn Menschen versuchen ihre Lebensrealität in der Sprache sichtbar zu machen finde ich anmassend und denke dass an dieser Stelle eine Reflektion der eigenen Privilegien angesagt ist!

    Liebe_r Autor_in und TAZ:weiter so: BITTE MEHR UNTERSTRICHE!

  • V
    Valie

    Mag der Unterstrich auch anfangs beim Lesen irritieren oder gar stören, ist es doch aber eine reine Frage der Gewöhnung. Gab es früher nur Ärzte, gibts nun auch Ärztinnen und störts? Hoffentlich war das nicht der letzte Artikel in der taz mit Unterstrich, dann wirds wohl auch in naher Zukunft keine Pöpelei mehr aus Bequemlichkeit geben.

     

    Es geht nicht um Gemütlichkeit beim Lesen sondern darum, was dahinter steht - Sprache ist Teil der Wirklichkeit und ist somit auch Teil von Ausgrenzung. Dem gilt es etwas entgegen zu setzen, weiter so!

  • A
    Anna

    Also Artikel gar nicht mehr lesen zu können aufgrund des Unterstrichs empfinde ich als höchst übertrieben und ich finde es gut dass der Unterstrich es endlich mal in die TAZ geschafft hat!!!!

    Höchste zeit!!

  • A
    abate

    @macho arsch: die von dir genannten beispiele laufen aber weder durch iro, poloshirt, papi oder arschhaftigkeit gefahr aufgrund des pullis angegrapscht zu werden, von schlimmeren als theoretiche möglichkeit ganz zu schweigen. einen iro, der sich als opfer von vergewaltigung im gericht mit" selbst schuld" angehen lassen muss habe ich jedenfalls noch nicht gesehen, es sei denn es ist ein weiblicher und hatte einen minirock an.

  • T
    Tobias

    "Die von der Autorin verwendete Unterstrich-Schreibweise wurde entwickelt, um auch Menschen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit wie Inter- und Transsexuelle sprachlich repräsentieren zu können. Gerade diese Personengruppen sind besonders häufig von sexueller Gewalt betroffen."

     

    Sonst geht es noch? Die_er AutorenInnen_inneren machen noch so lange bis man die taz gar nicht mehr lesen kann. Wie kann man den Grundsatz "Sprache schafft gesellschaftliche Realität" nur so gnadenlos falsch verstehen. Hört auf mit dem Mist das ist nur noch lächerlich!

  • Q
    Querulant

    Gegen sexuelle Übergriffe wird die Demonstration wohl kaum helfen... eher gegen die Relativierung ein bestimmter Kleidungsstil würde Vergewaltigungen provozieren...

  • QA
    "Jo" als Name ist zu kurz?

    "Die von der Autorin verwendete Unterstrich-Schreibweise wurde entwickelt, um auch Menschen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit wie Inter- und Transsexuelle sprachlich repräsentieren zu können. Gerade diese Personengruppen sind besonders häufig von sexueller Gewalt betroffen."

     

    Wie wird denn z.B. ein_e Transsexuelle_r... wartemal, muss Mehrzahl sein:

    Wie werden denn z.B. Transsexuelle (m->f) mit der "_"-Schreibweise repräsentiert?

    Und das schützt?

  • M
    Macho-Arsch

    Feststellung: Wer sich einen Iro frisiert und mit Nietenjacke rumläuft, wird für einen Penner gehalten (oder einen Punk?); wer mit langen Haaren und Kutte läuft, wird für einen Motorradnazi gehalten (oder einen Metaller?); wer schwarz mit pinkem Plüsch rumläuft, wird für eine Tucke gehalten (oder Emo?); wer mit pinkem Poloshirt und hochgestelltem Kragen herumläuft, für ein Arschloch gehalten (oder einen von Papi finanzierten FDP-Fatzke, der BWL oder Jura studiert); wer in schwarz rumläuft, für einen grabschändenden Satanisten (oder Gothic?) und wer sich wie eine Schlampe anzieht...

     

    Manche Dinge benötigen gesunden Menschenverstand und keine blödsinnigen Demos.

    Ich hab noch keinen Möchtegern-Gangsta auf ner Demo gesehen, der für sein Recht eintrat, wie ein Asozialer rumzulaufen, ohne HartzIV zu bekommen.

  • F
    FMH

    Bei der Schreibweise mit dem Unterstrich davon zu sprechen, dass sie für einen Zweck entwickelt wurde, ist wohl eine starke übertreibung. Man hat einfach irgendwas genommen wie es mir scheint. All diese Schreibweisen mit Innen, _in, -innen und so weiter sind meiner Ansicht nach nur sprachpolitischer Vandalismus. Würden die alle an solchen Gender-Angelegenheiten Beteiligten ihre Sätze ordentlich ausschreiben (à la "liebe Bürgerinnen und Bürger" - das schließt intersexuelle Menschen auch ein, und eben nicht "liebe Bürger_Innen") oder mit geschlechtsneutralen Begriffen (à la "liebe Anwesende", statt "liebe Teilnehmer_innen") umschreiben, dann wäre das nicht nötig.

    Die Sprache ist flexibel genug für eine moderne Gesellschaft. Zwanghafte Neuregelungen sind grober Unfug.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Und was tun sie gegen die in feministischen und queeren Kreise vorhandene Heterophobie? Warum wird die mal wieder unter den Teppich gekehrt?

  • S
    schlamper

    los gehts nebenbei um 13uhr am wittenbergplatz.

     

    http://slutwalkberlin.de/info

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Der Kritik ist folgendnes Argument entgegenhzuhalten.

    "Schlampe" ist offen auf Hervorrufen von Scham ausgerichtet, und zwar in voller bruateln Offenheit.

     

    Es handelt sich un ein verbalen Großangriff in geschüztze Bewertungen privtatesten Verhaltens.

    Das ist ungefähr so, wie wenn man mit einen Schlagstock ankündigunslos auf jemanden losgeht, als Privatmensch.

     

    Die Frauen der "Schalmpen"märsche beweisen, dass ihnen der Schmmechanismus voll bewusst ist, der in sie verpflanzt ist und von dem sie sich in den Märschen gerade befreien.

     

    Da dieser Schammechansismus zum Beispiel mit "Faule"

    oder "keine Ahnung" ebenso brutal ausgenutzt wird, von den Herrschenden zu repressiven Absicherung der Herrschaft, insbesondere der bürgerlichen sekündlich allerorten wirkenden Sexual- ud Leistungsmoral - in willkürlichsten privaten "Auslegungen".

     

    Vor allem, weil es mal ein Öffentlichkeit für "privateste" Beschimpfungen gibt.

     

     

    "Die Scham ist vorbei" - liebe Schlampen.