Demo für Inklusion in Berlin: Dahin, wo das Leben ist
Für Teilhabe, gegen Diskriminierung: Am Samstag wird zum sechsten Mal in Kreuzberg und Neukölln „Behindert und verrückt“ gefeiert.
Menschen mit Behinderungen, psychiatrischen Diagnosen und deren UnterstützerInnen sind aufgerufen, sich selbst zu feiern, inklusive ihrer vermeintlichen Mängel und Defizite. Der Kampf gegen fortgesetzte Diskriminierungserfahrungen hat die Gruppe zusammengeführt. 2013 brachten sie die erste Parade auf den Weg. Sven Drebes, der seitdem dabei ist, erklärt, dass der Name Pride und ihre Verbindung von Party und Protest dabei nicht zufällig von der LGBTI-Bewegung übernommen wurde. Schließlich hätten viele queere Menschen sehr ähnliche Diskriminierungserfahrungen.
Neben der Zelebrierung individueller Diversität erhebt die Parade immer wieder auch Forderungen an die Politik. War das 2017 das breit diskutierte Bundesteilhabegesetz, fehlt solch ein Kristallisationspunkt in diesem Jahr. Die alltagspraktischen, oft einschränkenden Folgen politischer Regulierungen jedoch sind ständige Begleiter für Menschen mit Behinderungen. Paula Franz und Sven Drebes beschreiben konkrete Probleme von Menschen, die auf intensive Assistenz bei der Bewältigung des Alltags angewiesen sind. So werden die Assistenzleistungen in Berlin von vielen Bezirksämtern nicht getragen, wenn die Betroffenen sich in Krankenhäusern aufhalten. Deren standardisierte Pflegeleistungen, die auch Krankenkassen in ihren Abrechnungssystemen für ausreichend halten, decken den Bedarf keineswegs.
Diskriminierung und Stigmatisierung sehen Franz und Drebes derweil nicht als allein administrativ zu lösendes Problem. Beim Abbau von Barrieren seien nicht allein Politik und Verwaltung, sondern die Gesellschaft insgesamt gefragt, sagen sie. „Deshalb stellen wir uns mit der Parade ja auch nicht vors Kanzleramt, sondern dahin, wo das Leben ist“, so Drebes.
Die größte Herausforderung für das Orgateam ist die Mobilisierung ihrer Zielgruppe. Zunächst sei die Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen oder psychiatrischen Diagnosen erschwert, da diese oft in hermetisch abgeschlossenen Hilfesystemen eingebunden seien. Zudem ist noch immer für viele die Angst vor einer Stigmatisierung allein durch die Teilnahme an einer Veranstaltung wie der Pride ein Hinderungsgrund.
Die OrganisatorInnen hindert das aber nicht, selbstbewusst ihr Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Zum Abschluss der Parade werden sie die „Glitzerkrücke“ verleihen, einen Negativpreis für besonders inklusionsfeindliche Praxis in Politik und Wirtschaft. Die Nominierten werden vor Ort bekanntgegeben. Ganz basisdemokratisch erfolgt dann die Abstimmung unter den TeilnehmerInnen.
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