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Dem Frieden keine Chance

■ In Jugoslawien werden weder Waffenstillstand noch Waffenembargo eingehalten/ Hilfskonvoi evakuierte nach Marathonfahrt Verletzte aus Vukovar/ Bald 400.000 Menschen auf der Flucht

Belgrad (afp) — Ungeachtet des in Den Haag ausgehandelten zehnten Waffenstillstandsabkommens haben die Kämpfe in Jugoslawien am Wochenende angehalten. Der serbische Block machte gestern den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman dafür verantwortlich, da er die im Abkommen genannten Bedingungen nicht erfüllt und neue Forderungen an die Armee gestellt habe. Unterdessen gelag es dem internationalen Ärzte-Hilfskonvoi nach tagelangen Bemühungen, 109 Verletzte aus der umkämpften ostkroatischen Stadt Vukovar zu evakuieren. Auf der Rückfahrt geriet der zum Politikum gewordene Konvoi jedoch unter Beschuß und mußte einen hundert Kilometer langen Umweg fahren. Der UN-Sondergesandte Cyrus Vance zeigte sich bei seiner Rückkehr in New York besorgt über die Lage in dem Bürgerkriegsland. Nach seiner Einschätzung wird das UN-Waffenembargo problemlos unterlaufen. Vance zeigte sich im weiteren auch über die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen besorgt. Ihre Zahl nehme schnell zu. Bis zum Ende des Jahres könnten es 400.000 sein.

Gestern mittag kam es nach Angaben der kroatischen Nachrichtenagentur 'Hina‘ zu heftigen Kämpfen in der Umgebung der Hafenstadt Dubrovnik. Die jugoslawische Bundesarmee habe schwere Artillerie eingesetzt, um die Küstenstraße nach Dubrovnik einzunehmen. Das kroatische Fernsehen berichtete, der Armee sei zwischen Plat und Cavat ein Durchbruch gelungen. Panzer würden auf Mlini und Srebreno vor den Toren Dubrovniks zurollen. Der jugoslawische Verteidigungsminister Veljko Kadijevic und der kroatische Präsident Tudjman hatten ihren Streitkräften befohlen, die Feindseligkeiten ab Samstag 12 Uhr MEZ einzustellen. Nach Angaben des kroatischen Rundfunks wurde diese Anordnung jedoch bereits Stunden später in Nowska durch serbische Freischärler und die Bundesarmee gebrochen. Die jugoslawische Armee habe auch Stellungen der kroatischen Nationalgarde in Nova Grandiska beschossen, ohne daß die Nationalgarde das Feuer erwidert habe. Das Belgrader Fernsehen berichtete dagegen von einem Bombenangriff kroatischer Verbände auf Bundestruppen nahe Nova Grandiska. Nach Angaben der jugoslawischen Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ dauerten die Kämpfe in den Krisengebieten am Samstag abend unvermindert an. Am Sonntag morgen flauten die Kämpfe vorübergehend ab — offenbar allerdings nur wegen der heftigen Regenfälle.

Unterdessen war es dem internationalen Ärztekonvoi am Samstag morgen endlich gelungen, über hundert Verletzte aus dem seit Wochen umkämpften Vukovar zu evakuieren. Die Rückfahrt mit dem Verletzten entwickelte sich jedoch zu einer gefährlichen Schlangenlinienfahrt durch die umkämpften Gebiete. Der Konvoi geriet unter Beschuß, ein Lastwagen fuhr auf eine Mine, wobei zwei Krankenschwestern schwer verletzt wurden. Schließlich übernahm die Bundesarmee am Samstag nachmittag den Geleitschutz, was die Kroaten verärgerte und zu Gegenmaßnahmen verleitete. In der Nacht zum Sonntag konnten die Ärzte der Organisation „Médecins sans frontières“ (MSF) schließlich die Verletzten in Krankenhäusern unterbringen. Wie die kroatische Nachrichtenagentur 'Hina‘ berichtete, wurden 43 Verletzte ins Krankenhaus im 50 Kilometer westlich von Vukovar gelegenen Ort Djakovo gebracht. Die übrigen Verletzten seien ins 15 Kilometer entfernte Mikanovci gebracht worden. Nach Angaben von MSF sind ungefähr zwei Drittel der 109 Evakuierten schwer verletzt. Die beiden verletzten Krankenschwestern der Hilfsorganisation seien in einem Militärhospital in Belgrad in der Nacht operiert worden, teilte MSF mit. Sie seien außer Lebensgefahr.

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