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Dem Ende nah

Arminia Bielefeld spielt gegen 1860 München mal wieder richtig gut, kann aber beim 2:2 wieder nicht gewinnen

BIELEFELD taz ■ Mannschaften, die sich in einer Situation wie Arminia Bielefeld vor der Partie gegen 1860 München befinden, wird häufig nachgesagt, sie seien unberechenbar wie ein angeschlagener Boxer. Die Saison ist so gut wie gelaufen, der Abstieg scheint unvermeidbar, das Team kann befreit aufspielen. Das Resultat ist oft ein überraschendes Ergebnis. Nicht so in Bielefeld.

Alles ist beim Alten. Die Truppe von Hermann Gerland beginnt überlegen, erspielt sich eine Reihe von guten Tormöglichkeiten und geht in Führung. Und am Ende sind es doch wieder die Gäste, die zufrieden nach Hause fahren. Die Reaktionen nach einem solchen Spiel sind in der Regel unzulängliche Erkärungsversuche und das Hadern mit dem Schicksal, das bei Fußballspielen gern in Form von strittigen Entscheidungen des Schiedsrichters gesucht wird. Nicht so in Bielefeld. Und das, obwohl es so einfach gewesen wäre, als Schuldigen dafür, dass es nach einer 2:0-Führung nur zu einem 2:2 gereicht hatte, Bernhard Zerr auszumachen.

Schließlich hatte der Schiedsrichter den 60ern durch einen zweifelhaften Elfmeter in der 81. Minute die Möglichkeit zum Ausgleich gegeben, die sich Thomas Häßler dann auch nicht nehmen ließ. Als zwei Minuten später der Münchner Thomas Riedl im eigenen Strafraum dem Ball mit der Hand ins Toraus beförderte, blieb der Pfiff aus. Bruno Labbadia, dessen dusseliger Einsatz gegen Daniel Borimirov zum Elfmeter geführt hatte, beschwerte sich zwar auch nach dem Abpfiff noch bei Herrn Zerr, die Zuschauer machten ihrem Ärger mit „Schieber, Schieber“-Rufen Luft, doch Trainer Gerland wollte diese Entschuldigung nicht gelten lassen. „Ich kann die Jammerei über den Schiedsrichter nicht mehr hören. Wir hatten genug Chancen, das Spiel schon in der ersten Halbzeit zu entscheiden. Die müssen wir nutzen“, resümierte Gerland. Und hatte Recht.

In den ersten 45 Minuten schienen die Löwen noch gar nicht richtig auf dem Platz zu sein. In der Defensive schlecht organisiert und die Angriffsbemühungen pendelten irgendwo zwischen harmlos und nicht existent. Bielefeld störte früh, gewann die Zweikämpfe und kam immer wieder zu Chancen. Und erzielte ja auch immerhin zwei Treffer. In den letzten fünf Minuten vor der Halbzeit war zweimal der in den vergangenen Monaten so oft gescholtene Labbadia zur Stelle. Ein völlig anderes Bild dann in der zweiten Hälfte. Werner Lorant stabilisierte die Abwehr, indem er die überforderten Tapalovic und Tyce durch Riedl und Cizek ersetzte, und plötzlich war bei Bielefeld die Unsicherheit wieder da, die die Elf als treuer Weggefährte durch die gesamt Saison begleitet.

Martin Max gelang nach einer Ecke von Thomas Häßler der Anschlusstreffer, dann der Elfmeter neun Minuten vor dem Ende und alles war wie immer auf der Alm. Und weil es immer so ist, hat man in Bielefeld damit aufgehört, zu hadern und Erklärungen zu suchen. Nicht einmal unzureichende.

Bis vor wenigen Wochen wurde meistens noch von Pech gesprochen, oder davon, dass durch den energieraubenden Spielaufbau zum Schluss die Kräfte fehlen. Mittlerweile ist: „Ich weiß nicht, warum wir keine Führung halten können“ die Analyse, die am regelmäßigsten zu hören ist. Der Eine würzt das Ganze mit ein wenig Galgenhumor (Gerland: „Soll ich mich jetzt erschießen?“), der Nächste flüchtet sich in anschauliche Metaphorik. „In der zweiten Halbzeit ist der Ball auf einmal wie ein Bumerang in unsere Hälfte zurückgekommen“, konstatierte Alexander Klitzpera. Woran das gelegen habe, wisse er aber auch nicht so recht. Trotz aller Ratlosigkeit vermitteln die Reaktionen den Eindruck einer späten Erkenntnis. Und zwar der, dass keine Mannschaft nach 24 Spielen auf dem letzten Tabellenplatz steht, nur weil sie ständig Pech hat. Jörg Böhme brachte es auf den Punkt: „Wir spielen ganz gut, schießen auch ab und zu ein paar Tore, aber können das nie über die Zeit bringen. Darum stehen wir zu Recht ganz unten.“ Helfen wird diese Einsicht den Arminen freilich auch nicht mehr. MICHAEL BECKER

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