piwik no script img

Dem BDI herzlich verbunden

Verkehrsminister Matthias Wissmann diskutiert mit der Industrie, wie die Forderung nach höheren Spritpreisen ins Leere läuft  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Verkehrsminister Matthias Wissmann und der Chef vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) überlegen gemeinsam, wie sie die Kritiker einer Asphaltpolitik austricksen können. In einem Brief vom 18. Juni bedankt sich der Minister zunächst für die Zusendung eines Schreibens, in dem Henkel den ungebremsten Ausbau von Straßen gefordert hatte. „Ihr deutliches Plädoyer für den weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur werte ich als Unterstützung einer Politik, die auch in Zeiten notwendiger Haushaltskonsolidierung den Blick für diese zentrale Aufgabenstellung nicht aus dem Auge verliert.“ Danach bittet Wissmann den BDI-Boß um Unterstützung für LKW-Straßennutzungsgebühren, damit die deutschen Straßen durch den Transitverkehr nicht überlastet werden. Eine „Überbeanspruchung des Straßennetzes [...] muß vermieden werden, auch um politische Forderungen nach einer drastischen Erhöhung des Treibstoffpreises ins Leere laufen zu lassen“, argumentiert Wissmann, der sich anschließend von Henkel mit „herzlicher Verbundenheit“ verabschiedet.

Daß höhere Spritpreise auf jeden Fall vermieden werden müssen, darin sind sich die beiden Männer einig. In einem Vortrag zum Standort Deutschland, den Henkel vorm Deutschen Verkehrsforum im April gehalten und anschließend Wissmann zugeschickt hatte, lehnte er alle Beschränkungen einer autoorientierten Güterverkehrspolitik ab: „Was wir nicht brauchen, ist ein Mobilitätsprogramm à la SPD [...]: drastische Reduzierung des Straßenbaus, Verteuerung der LKW- Transporte und Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasserwege. [...] Wir brauchen auch nicht einen Benzinpreis in Höhe von fünf Mark pro Liter, den die Grünen als Allheilmittel für mehr Umweltschutz beschlossen haben.“ All das seien Versuche, die Freiheit der Mobilität einzuschränken – und was das bedeute, hätten die DDR-Bürger schließlich jahrzehntelang erfahren müssen.

Anlaß für den Schriftwechsel zwischen Henkel und Wissmann ist die Ankündigung von EU-Verkehrskommissar Kinnok, die Straßennutzungsgebühr für LKW europaweit deutlich zu erhöhen. Dieses Mal könnte Wissmann dabei für die deutschen Speditionen vermutlich keine Entlastung heraushandeln, so wie vor zwei Jahren. Damals war beschlossen worden, daß parallel zur Einführung der 2.300 Mark teuren Vignette in Deutschland, Belgien, Luxemburg, Dänemark und den Niederlanden Anfang 1995 die Kfz- Steuer für Brummis in Deutschland drastisch gesenkt wurde. Diese günstige Situation will die Industrie jetzt gern fortschreiben. In einem Brief an Kanzler Helmut Kohl vom 18. April drohen BDI, Deutscher Industrie- und Handelstag, der Verband der Automobilindustrie und der Bundesverband des deutschen Güterfernverkehrs mit massiven Arbeitsplatzeinbußen, wenn die LKW-Straßengebühren tatsächlich steigen sollten.

„Der Skandal ist, daß Wissmann nach außen so tut, als würde sein Ministerium vorurteilsfrei alle Maßnahmen zur Verminderung der Umweltbelastungen prüfen, in Wirklichkeit aber hinter dem Rücken der Öffentlichkeit Deals mit der Industrie schließen will“, kommentiert die bündnisgrüne Parlamentarierin Gila Altmann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen