Debatte: Gefahr für Leib und Leben
Darf man ausgerechnet in einem Neonazi-Kiez eine Unterkunft für Flüchtlinge eröffnen? Ein Pro & Contra.
Kein Fußbreit den Faschisten
Von Sebastian Heiser
Die Entscheidung, keine Flüchtlingsunterkunft in einem Neonazi-Kiez zu eröffnen, ist eine Kapitulation vor den Rechtsextremisten. Es belohnt sie dafür, dass sie sich an einem Ort zusammengerottet haben, dort öffentlich aufgetreten sind, Szenekneipen eröffnet, Hass verbreitet haben. Es ist schlimm genug, dass die Neonazis in Schöneweide eine "national befreite Zone" schaffen wollen, die der "arischen Herrenrasse" vorbehalten ist. Die Gesellschaft darf sie bei diesem Vorhaben aber nicht auch noch unterstützen. In Berlin gibt es zu Recht das politische Ziel, die Flüchtlinge gleichmäßig über die Stadt zu verteilen. Natürlich kann man es dabei nicht hinnehmen, dass sie in einem Kiez wohnen müssen, in dem sie von Neonazis bedroht werden. Aber um dieses Problem zu lösen, muss man doch nicht bei den Flüchtlingen ansetzen, sondern bei den Neonazis. Mit konsequenter Polizeipräsenz im Kiez müssen sie davon abgehalten werden, anderen Menschen Gewalt anzutun.
Das ist vielleicht aufwendig und teuer - aber wer stattdessen vor den Neonazis kapituliert, der setzt völlig falsche Anreize. Der sorgt dafür, dass die Rechtsextremisten auch andernorts mit dem Aufbau "national befreiter Zonen" beginnen. Der sendet ein fatales Signal an alle Menschenfeinde und Ausländerhasser: dass sie gewinnen können.
Stattdessen wäre es richtig, diesen Menschen zu vermitteln, dass man ihnen keinen Fußbreit entgegenkommt. Und dass dieser Staat von dem in der Verfassung festgeschriebenen Ideal der Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig von Hautfarbe und Herkunft, nicht abzurücken bereit ist.
Leider nicht zu blöd zum Morden
Von Alke Wierth
Natürlich dürfen wir dem Druck von Nazis nicht nachgeben, ihnen keinen Millimeter weit entgegenkommen. Wir BerlinerInnen müssen uns den rechten Narren entgegenstellen, geschlossen und mit Selbstverständlichkeit.
Doch wir dürfen dabei keine Menschen missbrauchen, die hier Schutz vor Verfolgung suchen. Deshalb ist die Entscheidung von Bezirksbürgermeister Oliver Igel, in der Nazi-Hochburg Schöneweide kein Flüchtlingsheim zu bauen, verantwortungsvoll und richtig. Der Sozialdemokrat und jüngster Bezirksbürgermeister Berlins ist - notgedrungen und aus Überzeugung - ein erfahrener Kämpfer gegen Rechtsextremismus geworden. Er kennt die organisierte rechte Szene in Schöneweide, er weiß, welche Gewaltbereitschaft und welche Gefahren damit für Leib und Leben der Flüchtlingsfamilien drohen.
Und zwar ganz real. Denn es wird zwar gern verdrängt, aber es wurden und werden Menschen nichtdeutscher Herkunft von Neonazis getötet. Erschossen, totgeschlagen oder in ihren eigenen Häusern angezündet.
Klar schützt der Verzicht auf ein Heim in Schöneweide nicht vor solchen Taten. Nazis sind blöd, aber leider nicht zu blöd, um mordend durchs Land zu ziehen. Dennoch geht es um das Leben der Flüchtlinge, um ihren Alltag: Sollen sie und ihre Kinder in einem Umfeld leben, in dem die Angst, die ein Fluchtgrund war, nicht endet? In der sie weiter gehasst und verfolgt werden?
Menschen, die sich vor Fremden fürchten, kann die Begegnung mit solchen diese Furcht nehmen. Man darf aber Flüchtlinge nicht zwangsweise als Umerziehungsmaterial für Nazis missbrauchen.
Siehe auch: Kein Asyl im Nazi-Kiez
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