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Debatte zur Eurokrise im BundestagSchlagabtausch ums ewige Sparen

Der Bundestag debattiert gleich zwei historische Großprojekte: den Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt. Die Linke hält das Sparpaket für verfassungswidrig.

Verfassungsrechtliche Fragen: Der Bundestag debattierte Rettungsschirm und Fiskalpakt. Bild: dapd

BERLIN taz | Ausgerechnet Rainer Brüderle. Sein Hang zu abgegriffenen Phrasen bringt dem FDP-Politiker im Bundestag oft den Hohn der Opposition ein. Und ausgerechnet er trifft am Donnerstag den wunden Punkt der SPD. „Steinmeier schluckt doch eine Kröte nach der anderen“, ruft er. „Er bemüht sich, aber Gabriel hintertreibt diese Bemühungen.“ Die Koalition grölt, der SPD-Fraktions- und Parteichef schauen stur geradeaus.

Brüderle spielt in der Bundestagsdebatte, die mit dem Fiskalpakt und dem dauerhaften Rettungsfonds ESM gleich zwei historische Großprojekte behandelte, auf einen Streit der Sozialdemokraten an: Während Gabriel mit dem Gedanken spielte, ein Ja der SPD zum Fiskalpakt an das Einknicken der Bundesregierung bei der Finanztransaktionssteuer zu knüpfen, hält Steinmeier davon nichts.

Genau darum geht es bei der Debatte: Würden SPD und Grüne beim Fiskalpakt mit der Koalition stimmen? Und was bekommen sie dafür? Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) behauptet in seiner Rede, die Regierung habe zwei Jahre lang einhellig für die Finanztransaktionssteuer in der EU gekämpft. Eine These, die ihm Lacher einbringt – schließlich stemmt sich die FDP nach wie vor mit aller Macht dagegen.

Ein Billionending

Fiskalpakt: Er enthält harte Sparauflagen für alle EU-Staaten, zum Beispiel Schuldenbremsen.

ESM: Der Rettungsschirm soll im Sommer starten und Kredite von 500 Milliarden Euro bereithalten. Weil der vorherige Schirm EFSF parallel weiterläuft, wird das Volumen auf 700 Milliarden angehoben. Die OECD und Frankreich fordern 1 Billion Euro. (us)

Jetzt sagt Schäuble mit Blick auf skeptische Eurostaaten wie die Niederlande: „Die Chancen sind nicht sehr groß.“ Schäuble wirbt dann eindringlich für die Zustimmung zum Fiskalpakt, der allen Eurostaaten harte Sparauflagen macht. Es gehe um eine „balancierte Politik“ von Wachstumsförderung und Defizitbekämpfung.

SPD: Veto soll Finanztransaktionssteuer nicht stoppen

Steinmeier macht es spannend, er droht der Koalition. Und spricht seinen Kollegen, CDU-Fraktionschef Volker Kauder, direkt an: „Glauben Sie nicht, dass Ihnen unsere Zustimmung in den Schoß fällt.“ Selbst wenn Staaten wie die Niederlande ein Veto gegen eine Finanztransaktionssteuer einlegen würden, müsse die Regierung andere Wege finden, sagt Steinmeier.

Für die Grünen redet Fraktionschef Jürgen Trittin und bezeichnet den Fiskalpakt als „weiße Salbe“. Er wirft der Koalition vor, bewusst die Abstimmungen über das Sparpaket und den Rettungsschirm miteinander zu verknüpfen, um die Kritiker in den eigenen Reihen zu besänftigen.

Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi widmete seine Redezeit fast ganz einer juristischen Argumentation. Und gerade weil sich der glänzende Rhetoriker Klamauk verkneift, ist sie eindrücklich. Der Fiskalpakt, beginnt Gysi, sehe keine Kündigungsoption für Nationalstaaten vor.

Furcht vor dem Verfassungsgericht

Die Schuldenbremse wiederum – ein Teil des Fiskalpakts – ist im Grundgesetz in drei Artikeln festgeschrieben. Diese Artikel sind nicht durch die sogenannte Ewigkeitsklausel geschützt. Sie müssten also, argumentiert Gysi, änderbar bleiben, also vom Parlament neu gefasst werden können.

Eine Veränderung der Artikel sei aber nach einer Ratifizierung des Fiskalpaktes nicht mehr möglich, sagt Gysi. Deshalb sei der Pakt verfassungswidrig. „Mit diesem Vertrag beginnen Sie die Gründung einer Föderation, der Vereinigten Staaten von Europa, und zwar über eine Fiskalunion.“

Wie schon bei anderen Europa-Abstimmungen steht die Linkspartei abseits. Sie hat als Einzige angekündigt, gegen den Fiskalpakt zu stimmen. Daher wird Gysi im Plenum oft lächelnd abgetan. Doch dieses Mal sieht man in anderen Fraktionen ernste Gesichter. In der Koalition wie auch bei SPD und Grünen ist die Furcht vor dem Verfassungsgericht groß. Dort will die Linkspartei ihre Bedenken prüfen lassen.

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