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Debatte ums "Lab" in Kreuzberg"Die Leute haben andere Probleme"

Unter den KreuzbergerInnen sind die Meinungen zur Absage des BMW Guggenheim Lab geteilt.

Hier bleibt erstmal eine Brache: Spreeufer in Kreuzberg. Bild: dpa

Gegen Gentrifizierung? Sind sie alle. Aber gegen BMW Guggenheim? Da gehen die Meinungen in Kreuzberg auseinander: „Ich fand das ganz interessant“, sagt Jürgen Borchers, Buchhändler in der Oranienstraße. „Ich bin auch gegen Gentrifizierung, aber die Kritik am Lab geht zu weit.“ „Es ist gut, dass das Lab abgesagt wurde“, sagt dagegen Borchers’ Kollegin von der Buchhandlung OH21 ein paar Häuser weiter. „Die Leute hier haben andere Probleme.“ Sie glaubt, die Anwohner wüssten die Fläche besser zu nutzen, „wenn es wieder wärmer wird“.

Hans-Jürgen Hillmann, Inhaber eines Feinkostgeschäfts auf der Kreuzberger Szene-Magistrale, hat gerade erst in der Zeitung vom BMW Guggenheim Lab gelesen. „Das braucht niemand“, ist er sich sicher. „Traditionell sind wir ja immer eher skeptisch“, beschreibt er die KreuzbergerInnen. Dem Kiez und der Nachbarschaft jedenfalls hätte das Lab nicht geholfen. Eine Kundin pflichtet Hillmann bei: „Dieses Thinktankmäßige, das ist zu kommerziell gedacht.“ Der Verkäufer im nahegelegenen Skaterladen hat vom Lab noch gar nichts erfahren. Trotzdem hat er Verständnis für die Kritik daran. Die Kreuzberger seien heute wegen der Gentrifizierung „sensibler als noch vor fünf Jahren“. Deswegen entzünde sich der Protest zunehmend an „Kleinigkeiten“.

Auf der Brachfläche an der Ecke Cuvry-/Schlesische Straße, wo das Lab stattfinden sollte, ist um diese Jahreszeit noch wenig los. Nur ein paar Touristen aus Valencia haben sich auf das Gelände verirrt. Sie fotografieren begeistert die Graffitis.

„Kleinkariertes Gemoser“

„Erstaunt“ und „enttäuscht“ über die Absage des Lab ist Ute Wohlgemuth. Sie betreibt in der Nähe der Brache einen Modeladen, spricht sich gegen Gentrifizierung aus, hat aber vom Lab spannende Veranstaltungen erwartet. Die Kritik sei „kleinkariertes Dorfgemoser“ und habe die Falschen getroffen. „Guggenheim ist international bekannt für gute Kunst, aber wenn die Leute BMW hören, denken sie an Gentrifizierung.“ Auch Michele d’Alessio: Er sei gegen das Lab, sagt der Betreiber eines kleinen Plattenladens in der Schlesischen Straße. „Es ist kein Zufall, dass die hier hinwollten. Das hier ist die Hipster-Straße schlechthin, davon will BMW profitieren.“

Im Spätkauf gegenüber zeigt sich eine ältere Anwohnerin enttäuscht über die Absage des BMW Guggenheim Lab: „Ich bin immer dafür, Neues auszuprobieren.“

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6 Kommentare

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  • G
    Gerda

    "Die Leute haben andere Probleme".

     

    Das stimmt! Die regen sich gar nicht über dieses gescheiterte "Lab" auf, sondern sind beschäftigt mit

     

    Arbeitslosigkeit, dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes, mögliche Berufswahl ihrer Kinder, Bezahlbarkeit eines Studienplatzes, Drogen, Alkohol, Ehescheidungen, Konflikte zwischen Eltern und ihren heranwachsenden Kindern, Eindämmung des Schulschwänzens und Mobbing in Schulen und Betrieben, hohen Lebensmittelpreisen und höheren Preisen für andere Konsumgüter, Bezahlbarkeit der nächsten Mieterhöhung durch Erhöhung der Betriebskosten, Strom, Wasser und Heizung, Höhe der Gewerbemieten des kleinen Einzelhandels, Ausbleiben von neuen Kunden und drohendes Scheitern der Selbständigkeit und allgemeine Zukunftssorgen. Nicht zu vergessen die eigene Gesundheit und das zukünftige Leben im Alter und wo dann leben.

     

    Das sind beispielhaft die Probleme, die die Leute haben. Das "Lab" interessiert die meisten gar nicht, sondern nur einige wenige, die meinen, für die gesamte Kreuzberger Bevölkerung zu sprechen und zu argumentieren.

  • O
    ole

    „Das braucht niemand“

     

    Klar, hat man damals zu McDonald's auch gesagt.

    Heute brummt der Laden.

  • M
    Mya

    Da kann ich dir nur voll und ganz zustimmen!!!

  • LK
    Loretta Kreuzberg

    "Spannende Veranstaltungen" von einem Autokonzern zur Stadtentwicklung zu erwarten, das halte ich nun wahrlich für sehr naiv und "kleinkariert"!

     

    BMW wollte in Kreuzberg Propaganda für eine Auto-orientierte Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik machen und sich per Standortwahl mit dem hippen Kreuzberg - Image schmücken. Wem sollte das nutzen?

     

    Den AnwohnerInnen sicher nicht!

     

    Nur gut, dass der Konzern woanders hingeht! Und wenigstens diese eine Freifläche vorerst noch erhalten bleibt

     

    Das Potsdamer Klimaforschungsinstitut empfiehlt übrigens dringend den Erhalt von Freiflächen und die Einrichtung von mehr Freiflächen sowie mehr Stadtgrün/Bäume etc. wegen der Klimaerwärmung in den Städten.

     

    Wieso handelt Bezirksbürgermeister Schulz (Grüne) nicht demgemäß, sondern lässt immer mehr Bäume im Bezirk fällen von seinem Kollegen Umweltstadtrat Panhoff (Grüne) und macht sich zu allem Überdruss auch noch lieb Kind beim Autokonzern BMW?

  • Y
    yberg

    wir brauchen hier in kreuzberg keine aufwertung,weil die teuerung in allen lebensbereichen schon längst angekommen ist.

     

    wenn wowereit meint ,daß er uns xberger mit dem sponsor seiner partei- und dienstkarossen unter dem mäntelchen kultur auf zeitgeist einzustimmen hätte sollte er mal solangsam aus seinem WOLKENGUGGENHEIM der FIRSTGLASFLUEGE GEGEN MINISPENDE raus- und runterkommen.

     

    je lauter die axel springer verlag ag mit ihrem henkel wedelt und den untergang des abendlandes beschwört ,um so klarer wurden unseren selbsternannten machern ihre grenzen aufgezeigt.

     

    dafür dank an die mitbürger.

     

    wowi sollte die verlogenen wolkenschieber ,die nur werbung für ihre produkte im sinnhaben,auf der reichstagswiese zwischenlagern,da ham sies nicht weit zu ihren eingekauften und mit pkws gesponsorten und geschmierten parteien.

     

    wahrlich eine WINWIN situation.

  • S
    Suchender

    Ich habe mal versucht im Netz zu recherchieren, was den Besucher des Lab so erwartet. Von BMW/Guggenheim dort kommuniziert habe ich nur gefunden das übliche pathetische, bedeutungsschwangere aber vollkommen inhaltsleere Marketinggequatsche. Danach bin ich sicher, daß Berlin nix verpaßt, wenn das Lab wegbleibt.