piwik no script img

Debatte ums Kopftuch an Schulen„Pädagogisch ein fatales Signal“

Hinter dem Kopftuch steht die Vorstellung, dass der Frauenkörper ein Sexobjekt ist, sagt der Psychologe und Autor Ahmad Mansour.

Zuschauerinnen verfolgen im April 2016 die Klage einer Lehrerin mit Kopftuch gegen das Land Berlin Foto: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Mansour, was haben Sie dagegen, dass Frauen mit Kopftuch an Schulen unterrichten?

Ahmad Mansour: Zunächst habe ich nichts dagegen, dass Frauen Kopftuch tragen. Aber ich lehne das Kopftuch für mich als religiöses Symbol ab. Dahinter steht die Vorstellung, dass der Frauenkörper ein Sex­objekt ist, das man verhüllen muss, und damit eine patriarchalische Ideologie, in der Frauen nicht gleichberechtigt gesehen sind. Dieses Symbol finde ich an Schulen hoch problematisch – zumal in diesen Zeiten, wo viele SchülerInnen ohnehin fragwürdige Ideen zu Geschlechterrollen haben.

Was für Ideen?

Wir haben schon jetzt teilweise Mädchen, die im Grundschulalter Kopftuch tragen! Da kann man mir nicht erklären, dass sie das freiwillig tun. Es gibt bundesweit Tausende Mädchen, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, die ihren Partner nicht frei wählen dürfen, die von ihren Familien und religiösen Autoritäten abgewertet werden, weil sie sich „unislamisch“ bekleiden. Diesen Schülerinnen noch eine Lehrerin vorzusetzen, die Kopftuch trägt, fände ich pädagogisch und soziologisch ein fatales Signal.

Sie unterstellen also, Frauen, die Kopftuch tragen, hängen alle einem konservativen, patriarchalen Islam an?

Das Wort „unterstellen“ mag ich in diesem Kontext nicht. In der Begründung des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dass zwei Lehrerinnen recht gegeben hat, wurde deutlich gesagt, die Frauen hätten glaubhaft vermitteln können, dass das Kopftuchtragen eine religiöse Pflicht ist. Aber wenn etwas als Pflicht angesehen wird, ist es definitiv keine freie Entscheidung. Und die theologische Grundidee dahinter hat auch mit Gleichberechtigung wie gesagt nichts zu tun.

Bild: dpa
Im Interview: Ahmad Mansour

40, ist Psychologe, Autor („Generation Allah“, S. Fischer, 2015) und Programmdirektor bei der European Foundation for Democracy. Er wuchs als Araber in Israel auf und wäre als Jugendlicher beinahe selbst Islamist geworden. Nachdem er 2004 einen Anschlag in Tel Aviv miterlebt hat, emigrierte er nach Deutschland. Bis 2016 war er Gruppenleiter des Antigewaltprojekts Heroes, das sich gegen „Unterdrückung im Namen der Ehre“ wendet.

Auch Lehrer ohne Kopftuch können reaktionäre Einstellungen haben. Trotzdem traut man ihnen zu, neutral zu sein. Warum?

Das stimmt nicht. Wenn etwa ein bekennender AfD-Anhänger Schulleiter wird, will ich das auch thematisieren. Es stimmt, niemand weiß, was in den Köpfen von Lehrern vorgeht, aber wenn sie ihre Einstellung etwa durch das Tragen eines Kopftuchs oder einer Kippa an der Schule zur Schau tragen, dann muss das thematisiert werden!

Was sagen Sie zu dem Argument, Frauen mit Kopftuch können auch positive Vorbilder sein, indem sie zeigen, dass muslimische Frauen hier etwas werden können, dass man in dieser Gesellschaft angekommen ist?

Angekommen sein bedeutet, die Werte unseres Grundgesetzes ohne Einschränkung zu achten und im Zweifel auch über religiöse Normen zu stellen. Das schließt mit ein, dass Frauen mit oder ohne Kopftuch alles erreichen können sollen. Aber es gibt Bereiche, die ich neutral halten will, weil sie sehr wichtig sind für eine Sozialisation, in der gewisse Werte vermittelt werden können. Das ist vor allem die Pädagogik. Natürlich können Frauen mit Kopftuch an Unis forschen, Professorinnen werden, in Banken arbeiten oder Politikerinnen werden, wenn sie gewählt werden. Aber für die Kinder brauchen wir Vorbilder, die zeigen, wie man aus diesen patriarchalen Geschlechterrollen rauskommt, und sie nicht auch noch vorleben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Meine Kinder gehen auf eine Grundschule, deren Traeger die Church of England ist. Die 'teaching assistant' in der ersten Klasse war Muslima und trug Kopftuch. Was bei meinen Kindern haengen blieb: a) Menschen glauben unterschiedliche Sachen, b) das ist ok.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Sehr guter Kommentar von Herrn Mansour.

    Nur so kann Integration funktionieren!

    Religion ist Privatsache und soll es auch bleiben!

  • Ich finde, es sollte noch weiter gehen: mMn sollten alle Staatsbediensteten in politischer, religiöser und sonstiger Hinsicht neutral auftreten. Also ein kleiner "Meinungsbutton" ok, aber nix Auffälliges wie ein Kopftuch o.ä.

  • Ein guter Kommentar! Lehrer_innen haben Vorbildfunktion. Wenn sie es sich erkämpfen wollen, dass die "religiöse Pflicht" Kopftuch zu tragen stärker ist, als das aufklärerische Interesse des Staates, so vermitteln sie genau dieses. Ein muslimisches Mädchen, das/die kein Kopftuch tragen will, hat da dann einen sehr schweren Stand. Das Kopftuch ist im Koran nicht vorschrieben und vielen muslimischen Gesellschaften ist (oder war) es für Frauen möglich, ohne Kopftuch in die Öffentlichkeit zu gehen. Unter dem Vorwand der "religiösen Pflicht", wurde schon in einigen Ländern den muslimischen Frauen die freie Entscheidung genommen, ob sie ein Kopftuch tragen wollen oder nicht. In der Schule hat der Staat da eine Pflicht die Schüler_innen davor zu bewahren.