Debatte um Umgang mit Türkei: Die umstrittene Ehre des Doktor Yıldırım

Der Asta der TU Berlin fordert, dem türkischen Ministerpräsidenten den Ehrendoktortitel abzuerkennen.

der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim winkt

Hier lacht er noch: Kann Binali Yildirim seine Ehrendoktorwürde behalten? Foto: dpa

Wie politisch ist Wissenschaft? Diese Frage wurde am Mittwoch an der Technischen Universität (TU) Berlin in der Sitzung des Akademischen Senats heiß diskutiert. Die Studierendenvertretung Asta der TU forderte, dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım die Ehrendoktorwürde zu entziehen. Der Grund: die massenhaften Entlassungen von Lehrkräften an türkischen Universitäten.

Den repräsentativen Titel hatte die TU Berlin Yıldırım 2011 verliehen, weil er mit der Gründung der Deutsch-Türkischen Universität in Istanbul den akademischen Austausch zwischen Istanbul und Berlin entscheidend vorangebracht habe. Zudem habe er sich um die Ausbildung und Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie verdient gemacht, so die Begründung der Universität.

Für die hochschulpolitische Referentin des Asta, Hannah Eberle, ist diese Auszeichnung ein Hohn. „Wie sehr sich Binali Yıldırım in der Kommunikationstechnik hervorgetan hat, hat er bei den Gezi-Protesten bewiesen, als er Twitter abgeschaltet hat“, sagt sie.

Ein Paragraf mit dunkler Vergangenheit

Die TU könne dem türkischen Ministerpräsidenten den Ehrendoktortitel aber nur dann aberkennen, wenn er sich „durch sein späteres Verhalten eines Ehrendoktors unwürdig“ erweise, erklärt der Präsident der TU Berlin, Christian Thomsen. Rechtliche Grundlage dafür ist ein Paragraf im Berliner Hochschulgesetz mit dunkler Vergangenheit: Während des Nationalsozialismus sei das Kriterium des „unwürdigen Verhaltens“ benutzt worden, um jüdischen Wissenschaftlern akademische Titel zu entziehen, erläutert Thomsen. Der Bund habe das Gesetz 2010 aufgehoben; im Berliner Hochschulgesetz steht der Paragraf nach wie vor.

Im Fall Yıldırım beruft sich der TU-Präsident auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2014. Der Entzug des Doktorgrades wegen „Unwürdigkeit“ komme nur bei wissenschaftsbezogenen Verfehlungen in Betracht, urteilte das Gericht, da die Hochschulen zu außerhalb der Wissenschaft angesiedelten Werturteilen nicht berufen seien. Ein Prozess um den Entzug von Yıldırıms Ehrendoktortitel könne deshalb nur scheitern, ist Thomsen überzeugt.

Hannah Eberle vom Asta sieht das anders: „Die Ehrendoktorwürde auf das Kriterium der sachlichen Kompetenz zu reduzieren, ist ein Fehler, denn Wissenschaft ist politisch.“ Die Aberkennung sei nur ein erster Schritt. Der Asta forderte insgesamt eine klare Positionierung der Universität zu den Geschehnissen in der Türkei.

Das Präsidium der TU will den Fall nun dem Ehrenausschuss der Universität zur Prüfung vorlegen. Zudem kündigte die Unileitung weitere Konsequenzen an: Die Vorbereitungen für drei neue Studiengänge an der Partnerhochschule in Istanbul sollen gestoppt werden; drei weitere Studiengänge, die bereits laufen, sollen weiterbetrieben werden. „Damit setzen wir ein klares Signal, aber wir lassen nicht die 140 Studenten im Stich, die sich bereits dort immatrikuliert haben“, sagte Thomsen.

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