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Debatte um TierhaltungZoodirektor kritisiert Knut-Hysterie

Den Direktor des Berliner Zoos stört die übertriebene Trauer um Eisbär Knut. Die meisten Deutschen sind derweil überzeugt, dass Tiere in Zoos nicht artgerecht gehalten werden können.

Als ob ein Mensch gestorben wäre: Trauerecke für Knut im Berliner Zoo Bild: dapd

BERLIN dpa | Rund eine Woche nach dem Tod des weltberühmten Berliner Eisbären Knut ist eine Debatte über den Umgang mit Zootieren entbrannt. Der Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin, Bernhard Blaszkiewitz, hält die weltweite Trauer für übertrieben. "Ich hatte Knut auch gerne", sagte Blaszkiewitz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Aber in Japan sind mehr als 20 000 Menschen gestorben. In Nordafrika herrscht Krieg." Knuts Fans trauern dagegen weiter. Sie schalteten im Tagesspiegel eine Todesanzeige.

Der Star des Berliner Zoos war am 19. März im Alter von nur vier Jahren gestorben. Er brach vor zahlreichen Zuschauern plötzlich in seinem Gehege zusammen und stürzte ins Wasser. Eine erste Sektion ergab, dass Knut eine schwere Gehirnerkrankung hatte.

Unterdessen gibt es erneute Spekulationen um den Tod des Bären. "Wir klagen die Zooleitung an, Dich nur verwahrt zu haben", heißt es in der Annonce von Knut-Verehrern, die der Tagesspiegel am Samstag veröffentlichte. Knut habe sich in seinem Gehege zuletzt sehr bedrängt gefühlt.

Auch Tierschützer kritisieren, dass Knut am Ende mit drei älteren Eisbär-Weibchen in einem Gehege leben musste. Sie vermuten, dass das Tier an Stress gestorben sein könnte. Knut war nach der Geburt von seiner Mutter verstoßen und von einem Pfleger per Hand aufgezogen worden. Das Schicksal des Bären hatte weltweit viele Menschen berührt.

Eine Mehrheit der Deutschen ist laut einer Umfrage davon überzeugt, dass Tiere in Zoos nicht artgerecht gehalten werden können. In einer Erhebung der Bild am Sonntag gaben 60 Prozent der befragten Menschen an, dass dies grundsätzlich nicht möglich sei. 36 Prozent der insgesamt 500 Befragten meinten, Löwen, Bären und andere Wildtiere könnten auch in Tierparks artgerecht leben.

Wissenschaftler halten einen epileptischen Anfall für die Todesursache von Knut. "Wir sind absolut sicher, dass Knut durch einen epileptischen Anfall gestorben ist", sagte der Neurologe Christian Elger von der Universität Bonn dem Magazin Focus. Der Krampf schalte beim Sturz ins Wasser alle Schutzreflexe im Gehirn aus, auch beim Menschen. "Epileptiker haben ein 23 Mal höheres Risiko, durch Ertrinken zu sterben", sagte Elger. Eine erste Sektion von Knuts Gehirn hatte ergeben, dass das Tier an einer Gehirnerkrankung litt. Die Untersuchungen in der Pathologie am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) sind noch nicht abgeschlossen. Am kommenden Donnerstag sollen die Ergebnisse bei einer internationalen Pressekonferenz bekanntgegeben werden.

"Ich arbeite seit 37 Jahren in Zoos und muss sagen: So viel Aufmerksamkeit für ein Tier habe ich noch nie erlebt", sagte Zoo-Chef Blaszkiewitz. "Der Grad der Vermenschlichung war extrem." Ob es im Berliner Zoo einen Nachfolger für den verstorbenen Medienstar geben wird, will Blaszkiewitz entscheiden, wenn sich der "Knut-Hype" gelegt hat.

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14 Kommentare

 / 
  • EP
    Elisabeth Petras

    Warum Menschen gegen Tiere ausspielen?

    Die gleiche Art von Politik schaut nicht auf Menschenleben, wenn es um Atom-Gewinne geht und nicht auf argerechte Tierhaltung, wenn es um für Zoos nicht geeignete Tierarten oder gar die Massentierhaltungs-Lobby geht, die Tiere quäle und menschen entwürdigt (Dumpinglöhne, Bauernsterben, Futtermittel aus Hungerländern...).

     

    Eisbären brauchen Ruhe bei der Geburt, die sie im zoo nicht haben. Daher passiert es immer wieder, dass Eisbärmütter ihre Jungen im Zoo verstoßen. Ob man diese dann dennoch halten muss?

     

    Grund für alle diese Phänomene ist Geldgier statt eienr Solidarität auch mti den von uns betreuten oder von uns abhängigen Tieren. Ein angemessener Lebensstandard wäre auch möglich, wenn wir mit Tieren besser umgingen - ja, auch der Würde der Bauern, der Würde der Pfleger der dann noch gehaltenen wenigen Tiere würde das guttun.

  • D
    D.B.H:

    Ich finde die Kritik des Zoodirektors mehr als angemessen, mich haben die Bilder von Trauernden auch geärgert. Das ist doch wohl wirklich pietätlös!

    Die typischen Kandidaten, die nur Obdachlosen mit Hund was geben, denkt doch an das arme Tier!

     

    Schade, dass der Eisbär tot ist, aber da muss man doch irgendwie einen Hirnschaden haben, wenn man da so einen Terz drum macht!

  • E
    EsGehtNochDümmer

    @gracey hey: Ja, toll, deine schöne, heile Welt. Und dafür darf dann eine Kreatur leiden und kaputt gehen, weil du deinen Sehnsüchten freien Lauf lassen möchtest, und weil die Leute in ihrem bodenlosen Egoismus meinen, für die Befriedigung ihrer lächerlichen Bedürfnisse darf gern das eine oder andere über die Klinge springen. Tiere wie Eisbären im Zoo zu halten, damit die stumpfe Masse was zu glotzen hat - wenn das kein Morden ist. Echt zum Kotzen!

  • N
    Noncommital

    Ja, natuelrich nicht artgerecht. Die Mama-Eisbaer hat den kleinen Baerchen Knut verstossen und wollte ihn verhungern lassen. Warum? Naja, sie hat wohl gewusst, dass mit dem Kindchen was nicht stimmt. Aber nein, der Zoo geht hin und "rettet" das Baerchen. Nach vier Jahren ist der Baer tot.

     

    Wenn man der Natur ihren Lauf liess, haette man den kleinen Knut verhungern lassen muessen. DAS waere artgerecht.

  • A
    Angela

    An wen man sein Herz hängt und um wen man trauert lässt sich doch nicht moralisieren!

    Aber das passt zu einem Chef einer Tierverwahrungsanstalt, dass er nicht auf der Seite der zwangsinternierten Lebewesen steht und emotional verroht. Knut war gut fürs Business solange er klein und niedlich war, da hat Herr Direktor sich nicht beschwert über all die Fans...artgerecht ist nur die Freiheit, übrigens für alle Tiere.

    Und nix verkehrte Welt, man kann über alle trauern, gleichzeitig und differenziert, man muss aber nicht (s. Satz eins).

  • S
    Sebastian

    alexander - unabhängig von Deinem Argument liegst Du da ganz schön daneben.

    Die jährliche "Death-Rate" pro 1000 in Afrika liegt so um die 20

    http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_sovereign_states_and_dependent_territories_by_death_rate

     

    Afrika hat 1 Mrd Einwohner, d.h. es sterben pro Jahr etwa 20 Millionen Menschen, täglich also etwa 55.000

    und das schließt alle natürlichen Todesfälle ein....

  • G
    Gaspode

    Tiere können in Zoos nicht artgerecht gehalten werden, können sie es denn noch in der "freien" Natur? Was ist bitteschön artgerecht? Wie würden sich die Tiere entscheiden? All inclusive im Zoo oder Survival of the fittest im beengten Lebensraum? Es gibt immer eine Alternative, aber die ist nicht unbedingt besser.

  • R
    Ruhrpottpirat

    Das ist doch kein Wettkampf, wo mehr Menschen sterben und was schlimmer ist.

     

    Also wirklich...

  • D
    deviant

    "Den Direktor des Berliner Zoos stört die übertriebene Trauer um Eisbär Knut."

    Seltsam, der übertriebene Rummel war ihm bisher immer sehr genehm...

  • L
    Leon

    Mein Gott, lasst die Leute doch trauern.

  • GH
    gracy hey

    Nein,es hat mit verkehrte Welt nichts zu tun.Wir sind schon so abgestumpft von den täglichen Horror Meldungen...ständig überall Krieg.Dann den ganzen Tag Serien...Filme,die nur noch mit Mord zu tuen haben.Da Gemetzel,hier Gemetzel.

    Da kam uns Knut genau recht.Ein Pfleger zieht Ihn groß...wir konnten es alle mit verfolgen und haben nur unsere Sehnsucht nach wahren Gefühlen...freien Lauf gelassen.Wir haben unsere Herzen für Gefühle wieder öffnen können,weil uns jeden und jeden Tag gezeigt wurde,wie rührend ein Pfleger,einen jung Bären aufzieht.Endlich mal kein Gemetzel und Morden.

  • H
    Hannelore

    Hysterie ist im Falle Knut genau das richtige Wort. Da werden sogar Blumen hingelegt, Kerzen angezündet und ähnlicher Quatsch mehr.

    Knut hätte seine Anhänger, falls er sie in freier Wildbahn getroffen hätte, locker verspeist. Ohne Kerzen !!

  • A
    alexander

    In Afrika sterben täglich Millionen und Deutschland schaut auf ein paar Tausend Japaner, verkehrte Welt..

  • M
    Micha

    In Japan sterben tausende Menschen beim Tsunami und Erdbeben und in Deutschland wird um einen Eisbären getrauert, verkehrte Welt...