Debatte um Inferno bei Recycling-Firma: Niemand ist’s gewesen

Nach Explosion bei Ritterhuder Recycling-Klitsche wehrt sich Ex-Landrat Jörg Mielke gegen die Behauptung, er habe illegale Lagerung von Gefahrgut geduldet.

Verheerende Explosion: Brennende Fabrik in Ritterhude. Bild: dpa

RITTERHUDE taz | Jörg Mielke wehrt sich. In einer persönlichen Erklärung hat der frühere Umweltdezernent und spätere Landrat des Kreises Osterholz alle Anschuldigungen zurückgewiesen, seine Amtspflichten verletzt zu haben, indem er über Jahre die illegale Lagerung von Gefahrgut auf dem Firmengelände der Recycling-Firma „Organo Fluid“ in Ritterhude geduldet habe.

Hier war es im September 2014 zu einer verheerenden Explosion gekommen, bei der ein Mensch ums Leben kam und 40 Häuser in der Umgebung stark beschädigt wurden. Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt seitdem gegen den Betreiber des Entsorgungsbetriebs, Wolfgang Koczott, wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.

Seitdem hagelt es Vorwürfe gegen Mielke, der seit Februar 2013 Chef der niedersächsischen Staatskanzlei ist. Dem NDR liegt ein Schreiben Mielkes aus dem Jahr 2005 vor, in dem der damalige Landrat einräumt, dass es für die behauptete Lagerung von Chemikalien keine Genehmigung gebe und auch nicht geben werde. Dies habe man dem Betreiber mitgeteilt. Mielke habe also von der illegalen Lagerung von Gefahrgut auf dem Firmengelände gewusst, aber nichts unternommen, folgert der NDR.

In seiner Erklärung, die der taz vorliegt, weist Mielke nun die „Unterstellung“ zurück, „ich hätte als Landrat jahrelang meine Amtspflichten verletzt“. Mielke behauptet zudem, er habe „zu keinem Zeitpunkt eine baurechtswidrige Lagerung von Gefahrgut auf dem Gelände der Firma Organo Fluid GmbH geduldet“. Stattdessen habe der Landkreis unter seiner Federführung „eine Vielzahl von formellen Beanstandungen gegen Baurechtsverstöße“ der Organo Fluid verfügt, was zur Beseitigung dieser Mängel geführt habe.

Auch der Landkreis wies die vom NDR erhobenen Vorwürfe am Mittwoch als „schlicht falsch“ zurück und untermauerte diese Position mit einer Chronologie des behördlichen Einschreitens gegen Organo Fluid. Aus dieser geht hervor, dass etwa 2004 vom Landkreis die Lagerung „chemischer Produkte“ verboten, mit Zwangsgeldern belegt und das Verbot durch Vorort-Kontrollen durchgesetzt wurde. Zu dieser Zeit war Mielke der für Bau- und Umweltfragen zuständige Dezernent des Kreises. Vom Amt angemahnte bauliche Mängel der Anlage seien dann „bis Ende 2005 beseitigt“ worden.

Ob Mielke damit aus dem Schneider ist, oder ob das Bauordnungsamt zu wenig oder gar falsch prüfte, lässt sich aus der Chronologie, die sieben Jahre vor dem Unglück endet, nicht ableiten. Was zur Explosion führte und ob die Anlagen-Betreiber oder die Behörden schlampten, muss nun die Staatsanwaltschaft ermitteln. Die Christdemokraten brachten zudem einen Untersuchungsausschuss des Landtages ins Gespräch. Der CDU-Abgeordnete Martin Bäumer forderte SPD-Ministerpräsident Stephan Weil auf, seinen Parteifreund Mielke als Staatskanzleichef zu entlassen.

Anfang Februar hatte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) betont, der aktuelle Prüfungsstand seiner Behörde lege nahe, Organo Fluid habe Fremdabfälle jahrelang ohne Genehmigung verbrannt und mehr Müll als erlaubt durch die Feuerungsanlage gejagt. Gegen diese Behauptung versucht Organo Fluid derzeit, eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.