Debatte um Ex-Bundespräsidenten: Wulff soll auf Ehrensold verzichten
Politiker aus FDP und SPD fordern, Wulff solle den Ehrensold nicht annehmen. So könne Wulff „ein Stück seiner Glaubwürdigkeit“ zurückgewinnen, meint ein Liberaler.
BERLIN afp | Die Zahlung des lebenslangen Ehrensolds für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff sorgt weiter für Protest. Politiker der Liberalen und der Sozialdemokraten forderten in der Bild-Zeitung, Wulff solle auf den Ehrensold in Höhe von jährlich 199.000 Euro verzichten. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte, es habe bei der Sold-Entscheidung keine gerichtliche oder politische Kontrolle gegeben.
Der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin sagte der Bild-Zeitung, „es wäre am besten, Herr Wulff würde auf den Ehrensold verzichten oder das Geld an gemeinnützige Einrichtungen spenden. Damit würde er ein Stück seiner Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.“ Das SPD-Vorstandsmitglied Heiko Maas forderte Wulff ebenfalls zum Verzicht auf. „Wulff sollte den Ehrensold nicht annehmen. Damit könnte er endlich ein Signal der Einsicht und des Bedauerns senden“, sagte Maas.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert sagte, eigentlich dürfe Wulff schon deshalb keinen Ehrensold erhalten, „weil er nach einer peinlichen Affäre unehrenhaft aus dem Amt geschieden ist. Das Wort Ehrensold ist in seinem Fall völlig Fehl am Platz.“
Das Bundespräsidialamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung des Ehrensoldes seien erfüllt, Wulff sei am 17. Februar „aus politischen Gründen“ zurückgetreten. Laut Gesetz ist bei einem vorzeitigen Ausscheiden allein „aus politischen oder gesundheitlichen Gründen“ die Zahlung eines Ehrensolds vorgesehen.
„Keine unabhängige Prüfung“
Wulff hatte unter dem Druck staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen des Verdachts auf Vorteilsannahme sein Amt niedergelegt. Dabei geht es um seine Beziehungen zu dem Filmproduzenten David Groenewold.
Der Anti-Korruptionsverein Cleanstate will nach Informationen der Bild am Freitag Strafanzeige wegen möglicher Untreue gegen den Chef des Bundespräsidialamtes, Lothar Hagebölling, stellen. Cleanstate-Vorstandssprecher Hans-Joachim Selenz sagte der Zeitung, Hagebölling sei ein enger Mitarbeiter Wulffs in Niedersachsen wie auch im Bundespräsidialamt gewesen. „Es hat offensichtlich keine objektive und unabhängige Prüfung bei der Entscheidung der Gewährung des Ehrensolds gegeben.“
Der Staatsrechtler von Arnim sagte der in Hannover erscheinenden Neuen Presse, Beamte, die kürzlich noch Untergebene und politische Weggenossen Wulffs waren, hätten nun über den Ehrensold entschieden. „Da stellt sich die Frage ihrer Unbefangenheit.“ Von Arnim verwies zudem darauf, dass im Falle des Ablebens von Christian Wulff dessen Witwe „60 Prozent de Ehrensoldes auf Lebenszeit erhalten“ würde.
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