Debatte um Böllerverbot: Und jährlich grüßt das Murmeltier?
Kommt jetzt Bewegung ins Spiel? Knapp 2 Millionen sind für ein Böllerverbot, auch die SPD will. Fehlt nur noch die CDU.
Jedes Jahr nach Silvester gibt es eine Debatte über das Böllerverbot – und dann wird es doch nichts. Dieses Jahr könnte es allerdings anders werden. Viele Bürger scheinen nach den bundesweit fünf Toten, den allein in Berlin 363 Feuerwerk-Verletzten und den immensen Sachschäden aufgewacht zu sein.
Zwei Petitionen zum Thema, die seit Jahren mit wenigen Tausend Unterstützern vor sich hin dümpelten, sind in den letzten Tagen sprichwörtlich explodiert: 1,9 Millionen Unterschriften haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Montag dem Bundesinnenministerium übergeben. Die Forderungen sind schlicht aber einleuchtend: ein Böllerverbot im Privatbereich (wie etwa in Frankreich) und ein Verkaufsverbot von Pyrotechnik an Privatpersonen. Die ja auch den Rest des Jahres laut Verordnung zum Sprengstoffgesetz nicht mit dem Zeug hantieren dürfen.
Auch die Politik bewegt sich, allerdings, wie gewohnt, etwas langsam. Allein die Grünen sind voll auf Linie von Polizei und Umweltschutz sowie von Ärzte- und Tierschutzverbänden, die bei der DUH-Petition ebenfalls mitmachen. Die Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch erklärte am Montag: „Wer Sicherheitskräfte, Krankenhauspersonal und friedlich feiernde Bürgerinnen und Bürger schützen will, kommt um ein Verkaufsverbot für Böller nicht herum.“
Dies sei aber im Bundesrat, der zustimmen muss, nicht durchsetzbar, argumentiert der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Matz. Bundesländer mit viel ländlichem Raum wollten kein generelles Verbot. Seine Partei sei daher für eine „Länderöffnungsklausel“, so Matz zur taz. Sprich: Kommunen und Länder sollen mehr Handlungsfreiheit bekommen, um großflächig – etwa in ganz Berlin – das Feuerwerken und Knallen verbieten zu können.
SPD will „Pyroerlaubniszonen“
Zusätzlich hat Innensenatorin Iris Spranger der zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) gesonderte „Pyroerlaubniszonen“ vorgeschlagen, in denen Böllerfreunde ihren Spaß haben dürfen. Der Idee soll Faeser nach einem Gespräch mit Spranger inzwischen wohl zugeneigt sein. „Ich erhoffe mir dazu auch ein Umdenken in den Ländern, um für eine Änderung des Sprengstoffrechts eine Mehrheit der Länder zu erhalten“, so Spranger zur taz.
Aber dafür muss auch in Berlin noch umgedacht werden – bei der CDU. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner lehnt ein generelles Böllerverbot bislang ab. Man dürfe nicht den „Familien eine fröhliche Silvesternacht mit traditionellem Feuerwerk versagen“, sagte er der taz. Seine Partei ist – natürlich – für mehr Grenzkontrollen, um den Import von illegalem Feuerwerk zu unterbinden, und für härtere Strafen. Nur: Das Problem wird dies nicht lösen, weil selbst die bestausgerüstete Polizei nicht alle „Polen-Böller“ finden kann – und im Windschatten der legalen Böllerei auch nicht alle Missetäter auf den Straßen Berlins.
Aber wenn noch mehr Menschen die Petition unterschreiben, lässt sich ja vielleicht auch die CDU überzeugen, dass Silvesterböllern nicht wirklich eine altehrwürdige „deutsche Tradition“ ist.
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