Debatte um Beschneidungen: Rabbiner will Medizinkurse
Oberrabbiner Yona Metzger ist wegen der Debatte aus Israel angereist. Beschneider sollen Medizinkurse belegen, sagt er. Das Alter der Jungen sei aber nicht verhandelbar.
BERLIN taz | Der Debatte um Beschneidungen in Deutschland wird in Israel offensichtlich hohe Bedeutung beigemessen. Oberrabbiner Yona Metzger war eigens aus Jerusalem nach Berlin gereist, um Gespräche mit Vertretern aus Politik und Religion zu führen. Am Dienstag berichtete er in der Bundespressekonferenz von den Ergebnissen.
Kurz gesagt, schlägt das israelische Oberrabbinat vor, dass die in Deutschland tätigen Beschneider einen Medizinkurs belegen, um auf eventuell auftretende Verletzungen vorbereitet zu sein. Über die Achttagefrist für jüdische Babys sowie die Frage der Betäubung des Kindes will man aber nicht verhandeln. Der achte Tag als Termin „ist heilig“, sagte Metzger. Zudem sei man „gegen eine Spritze“, in Israel werde der Säugling mit einem Tropfen süßen Weins beruhigt.
Die Debatte über die religiöse Beschneidung von Jungen hatte sich an einem Urteil des Kölner Landgerichts von Ende Juni entzündet. Das Gericht wertete die Beschneidung als Köperverletzung, selbst wenn die Eltern einwilligen. Das Urteil hatte starke Kritik von jüdischen und muslimischen Verbänden hervorgerufen. Die Konferenz Europäischer Rabbiner wertete es Mitte Juli als einen der wohl schwersten Angriffe auf jüdisches Leben nach dem Holocaust.
Der Bundestag hatte Mitte Juli mit großer Mehrheit eine Resolution zur Erlaubnis religiöser Beschneidungen verabschiedet. In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, bis zum Herbst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. An diesem Donnerstag befasst sich erst einmal der Deutsche Ethikrat mit der Frage der Beschneidung. Das Gremium soll dazu beitragen, dass man dieses komplexe Thema nicht nur unter medizinrechtlichen Aspekten ansieht.
Rabbiner Yona Metzger erklärte in Berlin auf Nachfrage, er sehe in der hierzulande geführten Debatte „überhaupt keinen Antisemitismus“. Jeder Mensch solle seine Religion leben können, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Im Bundesjustizministerium habe man ihm versichert, dass die religiöse Beschneidung „im Moment keinen Gesetzesverstoß darstellt. Man hat mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen soll“, sagte der 59-Jährige in Berlin.
Auf die Frage nach einer möglichen Traumatisierung des Kindes durch die Beschneidung antwortete er, wäre dies der Fall, so „wäre das Gebot nicht 4.000 Jahre eingehalten worden“. Als Rabbiner empfehle er allen in Deutschland lebenden Juden, ihre Söhne beschneiden zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko