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Debatte über UngleichheitJürgen Rüttgers genießt und schweigt

NRW-Ministerpräsident Rüttgers, der soziale Vorkämpfer der CDU, hält sich in der Debatte über Ungleichheit auffällig zurück. Wie bei der Rente wartet er auf den besten Moment zur Profilierung.

Wann ist der richtige Moment zur Profilierung? "Aber doch nicht jetzt. Jetzt reden doch alle." Bild: dpa

Der selbst ernannte Vorsitzende der Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen schweigt. Die halbe Republik diskutiert über Armut in Deutschland, doch Jürgen Rüttgers sagt kein Wort zum Armutsbericht der Bundesregierung. "Sicherlich wird sich der Ministerpräsident äußern", ist aus der Düsseldorfer Staatskanzlei zu hören. "Aber doch nicht jetzt. Jetzt reden doch alle."

Der Regierungschef des größten Bundeslandes macht es wie bei seinen Forderungen nach längerer Zahlung des Arbeitslosengeldes I für Ältere oder nach höheren Renten für langjährige Beitragszahler - er wartet auf einen günstigen Moment zur Profilierung. Nach dem am Montag vorgestellten Armutsbericht gilt jeder achte Deutsche offiziell als arm. Während die Bundes-CDU munter über Steuerreform und die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung diskutiert, schickt Rüttgers seinen CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann vor, der auch der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) ist. Er fordert eine bessere Schul- und Berufsbildung - schließlich hätten "93 Prozent aller Kinder ohne allgemeinbildenden Schulabschluss später auch keinen Berufsabschluss". Das NRW-Schulsystem werde "auf Vordermann" gebracht, verspricht Laumann - und meint damit den erst im April beschlossenen Aufbau von Ganztagsschulen. Am dreigliedrigen Schulsystem, das Hauptschüler beinahe chancenlos zurücklässt, hält Laumann dagegen wie das schwarz-gelbe Kabinett Rüttgers fest.

Stattdessen übt sich der Arbeitsminister in Attacken auf seinen SPD-Kollegen auf Bundesebene, Olaf Scholz. Schnellstmöglich müsse der eine NRW-Bundesratsinitiative zur Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder umsetzen, fordert Laumann - und klingt dabei ähnlich wie die Vizechefin der CSU, Barbara Stamm: "Experten haben uns schon lange darauf hingewiesen, dass vor allem kinderreiche Familien und Alleinerziehende sehr schnell unter die Armutsgrenze kommen", sagte Stamm der taz. Die richtige Antwort auf Bundesebene seien die Anhebung des Kindergeldes und die steuerliche Entlastung von Familien, "aber nicht der pauschale SPD-Mindestlohn".

Jenseits der Parteipolitik bleibt das Interesse an Armutsbekämpfung im reichen Bayern so gering wie in Nordrhein-Westfalen. In München wurde der letzte Sozialbericht 1999 veröffentlicht. "Das war zu meiner Zeit als Sozialministerin. Es wird aber an einem neuen Bericht gearbeitet", sagt Stamm - dasselbe hat schon die aktuelle CSU-Ressortchefin Christa Stewens vor zwei Jahren zugesichert.

In NRW dagegen protestieren Arbeitsloseninitiativen gegen die Streichung aller Zuschüsse für unabhängige Arbeitslosenzentren - sie bieten Arbeitssuchenden Schuldner- oder Drogenberatung und helfen gegen willkürliche Entscheidungen der Arbeitsverwaltung. "Unverantwortlich" sei der Förderstopp, sagt die grüne Arbeitsmarktexpertin Barbara Steffens.

Dabei steht der "katastrophale Kahlschlag", so der Landtagsabgeordnete der Linken, Rüdiger Sagel, stellvertretend für die Politik des Kabinetts Rüttgers: Die Landesentwicklungsgesellschaft LEG mit ihren 93.000 Wohnungen steht zum Verkauf. Bei Frauenhäusern und -beratungsstellen wurde gekürzt, auf kostenlose Schulbücher warten die Kinder von Hartz-IV-Empfängern noch immer. Mit der Initiative "Jedem Kind ein Instrument" setzt die Landesregierung lieber auf bürgerliche Bildungsideale - leihweise und gegen Gebühr.

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