Debatte über Tempelhof: Senator Müller rügt die Feldfreunde
Der Stadtentwicklungssenator wirft der Initiative "100 % Tempelhof" vor, sie habe mit falschen Aussagen zur Bebauung des Ex-Flughafens Unterschriften gesammelt
Noch während der laufenden Auszählung des Volksbegehrens zum Tempelhofer Feld hat Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) der Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ unseriöses Vorgehen vorgeworfen. Nach seiner Darstellung hat sie in ihrem Infomaterial fälschlicherweise dargestellt, „dass die gesamten Rändern massiv bebaut werden und in der Mitte des Feldes Villen entstehen“. Für Müller verfälscht das das Ergebnis: „Da haben Menschen unterschrieben, um etwas zu verhindern, was gar nicht Senatspolitik ist“, sagte der Senator am Donnerstag in einer Parlamentsdebatte über das Volksbegehren.
In gleicher Weise wies Müller Vorwürfe aus der Opposition, aber auch leise Kritik vom Koalitionspartner CDU zurück, die Planung zu schnell und ohne ausreichende öffentliche Beteiligung voran getrieben zu haben. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek etwa sprach von einer „Schnellschuss-Planung“, der CDU-Abgeordnete Stefan Evers vermisste eine breite Debatte im Rahmen des Stadtforums. Elf öffentliche Veranstaltungen mit jeweils 300 bis 500 Teilnehmern habe es im vergangenen Jahr gegeben, entgegegnete Müller. Und wenn es nicht schnell gehe mit dem Bauen, „dann schadet dass den Berlinern und den Leuten, die in unsere Stadt kommen.“
Müller versicherte, dass die 230 Hektar große Feldmitte frei bleibe, so wie es der sogenannte Masterplan dazu vorsieht. Erneut schlug er vor, das auch in einem Gesetz festzuschreiben. Der Piraten-Abgeordnete Philipp Magalski mochte gar nicht an Müllers Worten zweifeln: „Ich glaube Ihnen ja, dass Sie das Feld nicht anknabbern wollen. Aber wo ein Anfang gemacht ist, da kann Ihr Nachfolger schon ganz anders denken.“
Die Grünen im Abgeordnetenhaus setzen in der Debatte um das Tempelhofer Feld nun auf einen alternativen Gesetzentwurf des Parlaments. Diese Möglichkeit hat das Abgeordnetenhaus bei den bisherigen vier Volksentscheiden nicht genutzt. In diesem Fall müsste das Parlament bis 60 Tage vor dem Entscheid - für den der Tag der Europawahl am 25. Mai im Gespräch ist - einen eigenen Gesetzentwurf beschließen, über den die 2,4 Millionen Wahlberechtigten dann parallel zum Gesetzentwurf des Volksbegehrens abstimmen könnten. Laut Wahlleitung ist jeweils ein "Ja" oder "Nein" möglich.
Damit aus einem der beiden Entwürfe ein Gesetz wird, muss ein Viertel der Wahlberechtigten mit "Ja" stimmen. Übertreffen beide Gesetzentwürfe diese Messlatte, das sogenannte Quorum, so ist der Entwurf angenommen, der mehr Ja-Stimmen bekommt.
Von den bisherigen vier Volksentscheiden - zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhofs 2008, zum Streit über Religion als Wahlpflichtfach unter dem Titel "Pro Reli" 2009, zur Offenlegung der Wasserverträge 2011 und zu Stromnetz und Stadtwerk im November des vergangenen Jahres - war bislang nur der Wasservolksentscheid erfolgreich. (sta)
Die Oppositionsfraktionen – und auch CDU-Mann Evers – beglückwünschten zwar die Initiatoren des Volksbegehrens. Weder Grüne noch Linke oder Piraten mochten aber ihre Forderung nach gar keiner Bebauung übernehmen. Am vorsichtigsten drückten sich dabei noch die Piraten aus, von denen es hieß, man schließe „Randbebauung im unteren und mittleren Preissegment nicht kategorisch aus.“ Im Kern wollte auch die Opposition neue Wohnungen, bloß weniger. Die Linkspartei will dabei ausdrücklich in allen Wohnungen Mieten, die ausdrücklich auch für kleinere Einkommen bezahlbar sind – Müllers Pläne sehen das nur für die Hälfte vor. Der Vorschlag der Opposition: ein Kompromiss zwischen allen Fraktionen, aus dem ein Gesetzenwurf des Abgeordnetenhauses werden soll, der mit dem Entwurf der Intitiative abgestimmt würde (siehe Kasten).
Aus der CDU war zuletzt gleichfalls Kritik an Müllers Vorgehen zu hören, ihr stadtentwicklungspolitischer Sprecher Evers forderte für die Bebauung eine Architektur mit Vorbildcharakter. Müller zeigte sich grundsätzlich bereit zu Änderungen – „ich habe überhaupt kein Problem damit, Pläne zu korrigieren“ – wehrte sich aber gegen höhere Mieten. „Hier noch ein Türmchen, dort noch ein Erker, das kann man ja machen. Aber das kostet Geld“, warnte er.
Zum Termin forderte die Opposition, den Volksentscheid zeitgleich mit der Europawahl am 25. Mai anzusetzen. Beim gescheiterten Volksentscheid Energie hatte der Senat die Möglichkeit nicht genutzt, am Tag der Bundestagswahl abstimmen zu lassen, was zum einen Kosten gespart, zum anderen die Beteiligung erhöht hätte. SPD-Stadtentwicklungspolitiker Daniel Bucholz ließ die Terminfrage offen: „Der 25. Mai ist ein Termin, der für uns in Frage kommt.“
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