Debatte über Blutproben ohne richterlichen Beschluss: Piksen ohne Erlaubnis
Geht es nach Schleswig-Holsteins oberster Richterin, dürfen Polizisten künftig selbst entscheiden, wann sie eine Blutprobe nehmen. Das finden nicht alle gut.
HAMBURG taz | Die Präsidentin des Oberlandesgerichtes in Schleswig-Holstein, Uta Fölster, will der Polizei die Arbeit erleichtern. Sie fordert, dass die Polizei künftig auch ohne richterlichen Beschluss bei Alkoholkontrollen Blutproben anordnen darf. "Der Richtervorbehalt garantiert die gründliche staatliche Kontrolle eines Sachverhaltes", sagt Fölster. "Aber die Anordnung von Blutproben ist ein Massengeschäft und in der Praxis können sich die beteiligten Richter ohnehin nur auf die Aussage der Polizisten vor Ort verlassen." Zudem schreibe das Grundgesetz den Richtervorbehalt in diesem Fall nicht vor, im Gegensatz zu schwerwiegenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte wie der Durchsuchung einer Wohnung.
Niedersachsen hat bereits im vergangenen Jahr einen Antrag auf Änderung dieser Regelung beim Bund eingebracht. "Die Abschaffung des Richtervorbehalts bei Blutproben wird seit Jahren diskutiert und ich wünsche mir, dass dieser Antrag jetzt durchgeht", sagte Fölster.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Schleswig-Holstein begrüßte diesen Vorstoß. "Das jetzige Prozedere ist gerade in ländlichen Regionen sehr störend", sagt Oliver Malchow von der GdP Schleswig-Holstein. Die Kollegen müssten mit dem Verdächtigen erst zur nächsten Dienststelle fahren und dort versuchen, einen Richter zu erreichen, um die Erlaubnis für eine Blutprobe zu bekommen. Mit der Begründung "Gefahr in Verzug" habe die Polizei jahrzehntelang selbst Blutproben angeordnet. "Dieses Vorgehen ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 schwieriger geworden", sagt Malchow. "Wir wünschen uns eine einfachere Regelung."
Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt am 11. Juni 2010 über den Richtervorbehalt bei Entnahme von Blutproben bei Trunkenheitsfahrten entschieden (2 BvR 1046/08).
Polizisten dürfen auch bei hinreichendem Tatverdacht nicht ohne richterliche Rücksprache eine Blutprobe anordnen und sich auf "Gefahr in Verzug" berufen.
Wenigstens der Versuch, einen Richter zu erreichen, muss nachgewiesen werden.
Der richterliche Beschluss zur Anordnung der Blutentnahme ist nötig, um eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten.
Auch die CDU-Fraktion in Kiel unterstützte am Donnerstag die Forderung Fölsters. Dies würde die Arbeit der Polizei erleichtern und der Rechtssicherheit ihrer Arbeit dienen, sagte Innenpolitiker Werner Kalinka. Koalitionspartner FDP will nicht an der jetzigen Regelung rühren, weil die Blutprobe das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berühre. "Bisher gibt es klare Regelungen, unter welchen Voraussetzungen dieses Grundrecht eingeschränkt werden kann, und dazu gehört die Zustimmung eines Richters", sagte auch Heinz-Werner Jezewski, innenpolitischer Sprecher der Linken. Davon könne schon jetzt in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise trotz des richterlichen Bereitschaftsdienstes kein Richter erreicht werde, abgewichen werden. Er sehe keinen Grund, an dieser Regelung etwas zu ändern.
"Der Gesetzgeber ist da sehr eindeutig", sagte Wolfgang Weißleder vom Schleswig-Holsteinischen Anwaltsverein. "Eine Blutprobe bedeutet nicht nur, einmal mit der Spritze gepikst zu werden, sie ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und bedarf der Zustimmung eines Richters." In der Praxis komme es aber vor, dass die Richter schwer oder gar nicht erreichbar seien. Dann kommt doch wieder "Gefahr in Verzug" ins Spiel, der potenziell betrunkene Fahrer müsse eine Blutprobe abgeben und könne erst im Nachhinein überprüfen lassen, ob diese Maßnahme rechtens war. "Und da sind die Hürden sehr hoch gehängt", sagt Weißleder. "Nur, wenn dem Beamten Willkür nachgewiesen werden kann, darf die Blutprobe im Verfahren nicht als Beweis verwendet werden. Und das kommt so gut wie nie vor."
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