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Debatte sexuelle GewaltSagt sie die Wahrheit?

Vergewaltigung gilt nicht mehr als Kavaliersdelikt. Doch vor Gericht werden mutmaßliche Opfer oft wie mutmaßliche Täter behandelt. Es fehlt an Sensibilität.

Bei Anzeigen wegen Vergewaltigung gegen Promis wie Strauss-Kahn, steht die Frau unter extremen Druck der Medien. Bild: dpa

Im Zweifel für den Angeklagten. So wird in einem Rechtsstaat entschieden. Wenn eine Straftat nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, darf der oder die Angeklagte nicht verurteilt werden. Das muss natürlich auch bei Anzeigen wegen sexueller Übergriffe gelten. Trotzdem gibt es gerade bei Prozessen wegen sexueller Gewalt noch einige Probleme.

So lassen einen die medial stark beleuchteten Vergewaltigungsprozesse der vergangenen Monate ratlos zurück. Die drei Fälle - der des gerade erst freigesprochenen Exchefs des IWF, Dominique Strauss-Kahn, des Wettermoderators Jörg Kachelmann und des WikiLeaks-Gründers Julian Assange - sind keinesfalls gleichzusetzen.

Aber eine Gemeinsamkeit gibt es: Alle drei Männer wurden freigesprochen. In keinem Fall gab es genügend Beweise für die Vergewaltigungen. Außerdem wirkten die mutmaßlichen Opfer in den Augen der Staatsanwaltschaften wenig glaubhaft.

Welche Signale gehen von diesen Urteilen aus? Zunächst einmal ein positives für Männer: Keine Frau kann einfach mal so behaupten, sie sei vergewaltigt worden und sich wegen ganz anderer Probleme in der Beziehung rächen. Andererseits gibt es auch für Frauen eine gute Nachricht: Egal, wie viel Einfluss und Geld ein Mann hat und wie prominent er ist - vor einer Strafverfolgung ist er nicht mehr gefeit.

Minirock gilt nicht mehr als "Einladung"

Er riskiert seine Karriere, wenn er auch nur in den Verruf gerät, vergewaltigt zu haben. Und: Frauen können die Täter anzeigen, ohne routinemäßig Angst davor haben zu müssen, auf der Polizeiwache und im Gerichtssaal nicht ernst genommen oder gedemütigt zu werden. Die Zeiten, in denen der Minirock und ein Lächeln als "Einladung" galten, sind vorbei.

Trotzdem werden sich viele Frauen vor ihrer Aussage mit Fragen herumquälen wie diesen: Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich aussage? Soll ich klar und direkt auftreten? Oder besser zurückhaltender und weniger resolut? Denn: Wie auch immer eine Frau es macht, es kann immer jemanden geben, der sagt: Das denkt die sich doch aus.

Bild: privat
SIMONE SCHMOLLACK

ist taz-Redakteurin für Frauen- und Geschlechterpolitik. Ihr Buch "Ich wollte nie so werden wie meine Mutter. Geschichten von Frauen zu einer ganz besonderen Beziehung" (Verlag Schwarzkopf / Schwarzkopf, 2005) war ein Bestseller.

Beharrt eine Frau trotz intensiver Nachfragen auf einer einzigen Variante des Tathergangs, kann es heißen: Das hat die sicher lange vor dem Spiegel geübt. Verstrickt sie sich in Widersprüchen - Vergewaltigungsopfer sind traumatisiert und erinnern sich nicht an jedes Detail - wird so mancher skeptisch die Augenbrauen hochziehen: Die sagt jedes Mal etwas anderes. Was stimmt denn nun?

Der Beschuldigte hingegen darf schweigen. Niemand muss eine Aussage machen, wenn sie ihn oder sie belasten könnte. Bei Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, und das ist bei Vergewaltigungsprozessen in der Regel der Fall, führt dies zu einer Schieflage. Einzig die Widersprüche der Klägerin, die gleichzeitig mutmaßliches Opfer ist, werden beleuchtet und bewertet.

Unbeweisbare Gewalt

Und noch etwas werden viele Frauen nach den Promi-Prozessen im Kopf haben: Ob ein Täter verurteilt wird, bleibt fraglich. Wie eine von der EU in Auftrag gegebene Studie der Londoner Metropolitan-Universität von 2009 zeigt, werden nur 13 Prozent der in Deutschland angezeigten Vergewaltiger verurteilt. Das Bundesfamilienministerium spricht sogar nur von 5 Prozent, die Dunkelziffer beträgt demnach 95 Prozent. Und Falschbeschuldigungen? Gibt es laut Studie nur 3 Prozent.

Beratungsstellen sehen angesichts dieser Zahlen eine "Gerechtigkeitslücke". Die Anforderungen eines Strafverfahrens sind hoch. Am häufigsten werden Verfahren wegen nicht ausreichender Beweise oder wegen mangelnder Kooperation der betroffenen Frauen eingestellt. Das ist auch für viele Richterinnen und Richter unbefriedigend. Der Kachelmann-Prozess führte das beispielhaft vor: Der Richter sprach den Moderator nicht frei, weil er ihn für unschuldig hielt. Sondern weil die Beweise nicht ausreichten. Am Stammtisch heißt so etwas "Freispruch zweiter Klasse".

Nicht wenige Frauen, die Vergewaltigungsprozesse hinter sich gebracht haben, treten aus dem Gerichtssaal und sagen: "Ich würde nie wieder Anzeige erstatten." Klarerweise muss die Verteidigung versuchen, ihre Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Das bedeutet einen enormen Druck und führt in der Praxis häufig dazu, dass das mutmaßliche Opfer als mutmaßliche Täterin behandelt wird. Häufig steht die Frage im Raum: "Haben Sie sich denn richtig gewehrt?"

Lieber Ruhe bewahren?

Allein diese Frage weist Restbestände patriarchalen Denkens auf. Denn sie impliziert die Erwartung, dass sich jede Frau körperlich aggressiv wehren muss, wird sie angegriffen. Tut sie das nicht, gilt das auch heute rasch als "Einwilligung".

Manche Frauen entscheiden sich in einer Gefahrensituation aber bewusst für eine andere Verteidigungsstrategie: Ruhe bewahren. Je nach Situation, kann sie das vor zusätzlichen Verletzungen schützen. Würde ihnen geglaubt, wenn sie keine eindeutigen Gewaltspuren aufweisen und trotzdem von Vergewaltigung sprechen?

Die Empirie zeigt: Eher nicht. Viele ExpertInnen bei Polizei und Justiz beklagen daher diese Diskrepanz.

In Deutschland werden im Gegensatz zu anderen EU-Ländern wenige Vergewaltigungen bei der Polizei gemeldet. Der EU-Statistik zufolge kommen knapp 10 gewaltsame Sexualdelikte auf 100.000 Einwohnerinnen. Damit liegt Deutschland im unteren Mittelfeld. In Schweden hingegen werden viermal so viele Vergewaltigungen angezeigt.

Offensichtlich ist die Sensibilität gegenüber Vergewaltigungen in Schweden, einem der skandinavischen Musterländer in Sachen Gleichstellung, ausgeprägter als in Deutschland. Schon die jungen Mädchen wissen dort meist: Nein heißt auch nein. Und wenn der Mann sich nicht daran hält, kann ich zur Polizei gehen.

Die Debatte darüber, wie sich in Deutschland vergewaltigte Frauen verhalten sollen, ob ihnen geglaubt wird und was sie dafür tun können, damit ihnen geglaubt wird, hat also stark mit dem allgemeinen Geschlechterbild in der Gesellschaft zu tun. Das Bild der jederzeit sexuell verfügbaren Frau sitzt in manchen Köpfen immer noch fest - bei Männern und bei Frauen.

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34 Kommentare

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  • A
    Adam

    Laut Angaben des Präsidenten des Deutschen Familiengerichtstages, Siegfried Willutzki, wird in ca. 40 % aller streitigen Sorgerechtsverfahren durch die um das Sorgerecht kämpfende Mutter ein Vorwurf des sexuellen Übergriffs gegen den Vater erhoben.

     

    Am 26. Februar 2011 berichtete Sabine Rückert in der "Zeit" über die Hamburger Opferambulanz unter Professor Püschel. Dieser verzeichnet einen starken Anstieg sogenannter Fake-Fälle:

    "Früher sei man in der Rechtsmedizin davon ausgegangen, dass es sich bei fünf bis zehn Prozent der vermeintlichen Vergewaltigungen um Falschbeschuldigungen handelte, inzwischen aber gebe es Institute, die jede zweite Vergewaltigungsgeschichte als Erfindung einschätzten."

     

    In Schweden schließlich kommen auf 100 000 Einwohner 46,5 ZUR ANZEIGE gebrachte Vergewaltigungen.

    In nur 13% der 46,5 Fälle kommt es im feministischen Musterland überhaupt zur Anklage. Also etwa 5 Fälle auf 100 000.

    Hierbei stellt laut einer Studie der Europäischen Union der übermäßige Alkoholkonsum der schwedischen Frauen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren die staatliche Justiz in Sachen Beweise vor gewisse Probleme. Mit anderen Worten: jene Frauen waren zumeist so blau, dass sie erst am nächsten Tag realisieren, dass da was war.

    Nur wie war noch mal der Ablauf? Und hat sie im Suff auch wirklich noch ein "Neein" gelallt? Schwer zu rekonstruieren nach `nem Filmriss.

     

    Schlamperei!

     

    "Die schwedische Justizministerin Beatrice Ask zeigte sich über die Studie sehr besorgt; die Regierung werde alles unternehmen, um der Problematik Herr zu werden."

     

    Ob mit "Problematik" der Alkoholkonsum gemeint war, wurde nicht bekannt.

     

    http://www.welt.de/politik/article3643996/Vergewaltigungsrate-in-Schweden-am-hoechsten.html

  • L
    lunaprojekt

    Die Behauptung, nur 3% aller erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe seien Falschbeschuldigungen beruht auf der sogenannten Daphne-Studie. Diese ist allerdings wegen ihrer fehlenden wissenschaftlichen Seriosität das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist. Vgl. zur grundlegenden Kritik daran den Kommentar Nr. 861 im folgenden Blog: http://tinyurl.com/5snbhxl

     

    Es handelt sich bei der daphne-studie um eine feministische Auftragsarbeit, bei der das Ergebnis (nur 3% Falschbeschuldigungen) im Prinzip bereits vorher feststand.

  • A
    Alex (2)

    @ juli

     

    Wenn es tatsächlich um die Wirkung dieser Prozesse gehen soll, dann sollte die Taz sich ihrer Verantwortung bewusst werden und anstatt die Mär des weiblichen Opfers vor deutschen Gerichten in die Köpfe ihrer Leser zu pflanzen, gezielt auf Beratungsstellen und Hilfangebote verweisen. Wenn sie die Frauen unterstützen will von erfolgreichen Prozessen berichten. Tut sie nicht, denn es geht darum, sich an diesem Strohhalm festzuhalten um das böse, dominierende Patriarchat zu beschwören.

  • T
    Tschekka

    @klaer: nein, mit den Inhalten der taz stimme ich nicht überein. Ich halte die taz für rassistisch, volksverhetzend, volksverdummend, kriegsfreudig und faschistisch.Aber das hat nichts mit der Studie "Vergewaltigung und sexuelle Nötigung

    in Bayern, 2005", die Sie jederzeit im Netz nachlesen können, zu tun. "....durchschnittlich geschätzten prozentualen Anteil der Vortäuschungen

    und falschen Verdächtigungen an allen Anzeigen gem. § 177 StGB - Sexuelle

    Nötigung; Vergewaltigung mit 33,4%..." heißt es da.

  • O
    Ottilie

    Ich finde es hochgradig peinlich, dass eine TAZ-Redakteurin für Frauen- und Geschlechterpolitik sich befleißigt, der Anzeigenerstatterin im Falle DSK, N. Diallo, hinsichtlich falscher Behauptungen so massiv Konkurrenz zu machen. Frau Schmollack hätte vielleicht ihren "Beststeller" von 2005 zur Seite legen und lieber einmal die aktuelle Presse lesen sollen. Vielleicht hätte dann auch sie bemerkt, dass es hier keinesfalls drei Freisprüche gab, sondern J. Assange immer noch gegen seine Auslieferung nach Schweden kämpft, während das Verfahren gegen DSK vom zuständigen Staatsanwalt wegen der Lügen der Anzeigenerstatterin eingestellt wurde. Und wenn sich die Autorin außerdem noch an den rechtlichen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland und nicht an Stammtischparolen orientieren würde, wüsste sie auch, dass es in Deutschland keinen Freispruch zweiter Klasse gibt. Auch habe ich angenommen, dass es für eine Redakteurin für Geschlechterpolitik selbstverständlich ist, objektiv in der Beurteilung beider Geschlechter zu sein. Ich kann mir jedenfalls sehr gut vorstellen, dass sich die nachweislich unschuldig verurteilten Männer im Falle Amelie und Jennifer sowie der zuletzt wegen erwiesener Unschuld freigesprochene Biologielehrer von diesem Artikel mit seinem Geschwätz von Minirock, Lächeln als "Einladung" sowie Geld und Macht eines Mannes, der dann auch noch (igitt im Namen des Feminismus!) als Beschuldigter gemäß Gesetz schweigen darf, absolut verhöhnt fühlen müssen.

     

    Übrigens bin ich selbst eine Betroffene, die erst vor kurzem darüber informiert wurde, dass ein Verfahren aufgrund ihrer Anzeige wegen sexueller Belästigung eingestellt wurde, weil Aussage gegen Aussage stand. Und es handelte sich keinesfalls um einen einflussreichen Mann mit Geld, sondern ganz einfach darum, dass ich mich erst nach einer Woche Überlegung aufgerafft hatte, eine Anzeige zu erstatten und dann natürlich keine Spuren mehr vorhanden waren. Und Frau Schmollack sollte meinen Falls auch keinesfalls für ihre dubiose Statistik mißbrauchen, denn ich habe den sehr tüchtigen und freundlichen Polizisten letztlich durch mein zögerliches Verhalten die Arbeit erschwert und dieses Ergebnis dadurch selbst herbeigeführt und nicht das Geschlechterbild in der Gesellschaft.

  • A
    Alex (2)

    @ gast:

     

    Mir schwant nichts Gutes, aber was bitte sind denn die Alternativen?

  • BA
    bitte anonym

    Sobald sich jemand fragt, " Was soll ich sagen", und sich ueberlegt was er/sie am besten sagen soll um Anzeige zu erstatten, ist dieser jemand sich am ueberlegen ob er die 'ganze' Wahrheit sagen soll.

    Rationalisieren schliest meist auf ' Halbwahrheit', was ein Justizgelehrter ( polizist, anwalt, richter) soffort erkennt, denn... Der Anklaeger wird sich verhutteln nachdem ihm Fragen gestellt werden.

     

    Eine Person die positiv vergewaltigt worden ist und sich keiner ' Eigenschuld' bewusst ist, oder es in Frage stellt, wird waerend einer Anzeige/Anklage nur den genauen Tatablaub wiedergeben wie sie es in Erinnerung hat.

    Nun kann es sein das sie sich hier und da an etwas erinnert das sie vorher wegens Trauma vergass ( Eigenschutz des Gehirns), dies wird jedoch nicht die anderen beschreibungen ' widersprechen' - die Geschichte wird nur 'klarer', veraendert sich aber nicht.

     

    Jeder Justizangestellte weiss: " ein luegner muss eine gute erinnerung haben, sonst verhappert er sich; was einen Luegner immer wieder ertapt.

     

    In Bezug auf ' Traumatisierte'; diese koennen sich meist nicht mit dem ganzen Vorgang kontrontieren, und es braucht Geduld eines 'guten' Untersuchungspsychologen' der Person 'vertrauen' zu versichern, um die Tat zu erzaehlen, da sie waerend des Erzaehlens den ganzen Vorgang ' wieder ' erlebt - keiner will Trauma noch mal erleben, und versucht es zu 'verdraengen'.

     

    Manchmal verursacht ein Schock auch eine Art ' Amnesia', also Teilerinnerung, wobei die Traumatiserende Tat gegen die Person erst Monate, manchmal Jahre spaehter vom Gehirn 'freigeschaltet' wird .( Schutzschaltung )

     

    Denoch wird die Erzaehlung einer solchen Person nicht inkonsistent, eher mehr detailiert. Die Detaile werden sich nicht 'widersprechen'.

     

    Es gibt viele Gruende warum Frauen oder Maedchen zu Luegnern werden und sich des Sexualaktes nicht verantworten wollen; sei es da sie betrunken waren und sich hinterher schaemen - sich an einen Liebhaber raechen wollen - oder die Nacht der Begierde NUR zu einem ' One night stand'. wurde, anstatt ein Liebesverhaeltniss.

     

    Seitdem es jedoch GELD, und zwar sehr hohe Summen, fuer ' Sexual harrassment ', gibt, und nur der flotte klaps auf den Po mit unmengen Geld bestraft wird, an welches sich das 'Opfer' bereichert, wurde es zu einem 'money-scheme' - wenn es sich bei den Angeklagten um Wohlhabende Maenner handelt

     

    Aber was ist mit der Frau die fremd ging, es fuer ihren Chef jedoch nur ein ' Kavaliersdelikt' war, sie jedoch nicht verantwortung fuers fremdgehen nehmen will und den Chef skrupelos wegens Vergewaltigung anzeigt ?

    Dieser sich kaum wehren kann und sich einen Anwalt nehmen muss, da keine Augenzeugen anwesend waren, also ein Wort gegen das andere ?

     

    Wenn es um Verfuehrung geht wissen Frauen das sie Power haben, und wenn sie vorhaben einen Mann zu verfuehren, hat der Mann keine Chance, denn er ist nun mal das ' Schwache' Geschlecht wenns darum geht seine Hose zuzulassen. Die Macht der Frau in bezug zu Sex ist Weltgeschichte - Kleopatra und Caesar ? Machen wir uns doch nix vor ; Die ' Superwaffe ' heisst immer noch ' FRAU' welche die staerksten Maenner in die Knie zwingt ...

  • DG
    Dod Grile

    Nanu, warum meinte die TAZ denn, meinen Kommentar wegzensieren zu müssen? Also einen zweiten Versuch, mit Selbstzensur des letzten Absatzes zu den m.E. geratenen arbeitsrechtlichen Konsequenzen für Verfasser so schlechter Artikel:

     

    Dass Frau Schmollack gelinde gesagt eigenwillige Vorstellungen vom idealen Rechtswesen hat, hat sie ja bereits beim Kachelmann-Prozess mit ihrem "der Angeklagte muss sein Unschuld beweisen"-Kommentar bewiesen.

    Heute zeigt sie, dass sie auch mit Begriffsgebrauch und Textverständnis so ihre Probleme hat:

     

    "Ob ein Täter verurteilt wird, bleibt fraglich. Wie eine von der EU in Auftrag gegebene Studie der Londoner Metropolitan-Universität von 2009 zeigt, werden nur 13 Prozent der in Deutschland angezeigten Vergewaltiger verurteilt. Das Bundesfamilienministerium spricht sogar nur von 5 Prozent, die Dunkelziffer beträgt demnach 95 Prozent. Und Falschbeschuldigungen? Gibt es laut Studie nur 3 Prozent."

     

    1) "Dunkelziffer" sind die (geschätzten) Fälle von nicht engezeigten Vergewaltigungen, nicht die Fälle, in denen der Angeklagte freigesprochen wurde.

     

    2) Die Zahlen sollen offenbar - plump manipulativ - insinuieren, dass mindesten 84% aller angezeigten Vergewaltiger nicht bestraft / verurteilt werden (13% Verurteilungen, 3% Falschbeschuldigung, macht einen Rest von 84%). Tatsächlich könnte es mit diesen Zahlen genausogut andersrum sein: 13% Vergewaltigungen, 87% Falschbeschuldigungen, von denen aber nur 3% von der Justiz geahndet werden - eine schreiende Gerechtigkeitslücke für Männer also?

    Tatsächlich bedeuten die Zahlen schlicht: in 16% der Fälle konnten die Gerichte zweifelsfrei nachweisen, dass entweder eine Vergewaltigung oder eine Falschanschuldigung vorlag. In 84% konnte weder das eine noch das andere sicher festgestellt werden - hinter wievielen dieser 84% der Fälle sich aber ungeahndete Vergewaltigungen oder ungeahndete Falschbeschuldigungen verbergen, darüber erlauben diese Zahlen, anders als der Artikel glauben machen möchte, keine Aussage.

  • N
    Normalo

    @Sarah @LeserIn

     

    Es mag sein, dass der größte Teil der Sexualstraftaten ungesühnt bleibt (was aber die einzelne Verleumdung nicht weniger gefährlich macht). Es mag auch sein, dass dieser Artikel da wirklich "mehr Sensibilität" anmahnen will und nicht bloß ideologisch motivierte Statistik-Biege veranstaltet.

     

    Nur was wäre die Konsequenz?

     

    Wenn die wahren Opfer sich nicht trauen, vor Gericht zu gehen, steigt in der Praxis der Richter, die dort entscheiden, der Anteil an Simulantinnen. Denn die gehen immer vor Gericht, darin besteht ja ihre Simulation. Also wundert sich kein Richter, wenn der Verteidiger in einem solchen Prozess dem mutmaßlichen Opfer nach Kräften auf den Zahn fühlt und die Maske, die sie möglicherweise trägt, herunterreißen will.

     

    Nach Frau Schmollak scheint ja noch nicht mal mehr die wahrhaft Vergewaltigte ohne so eine Maske auszukommen. Sonst müsste sie sich keine Gedanken machen, welche "Aussagestrategie" sie wählt. Kleiner Tipp aus der Praxis: Wer sich vorher seine "Rolle" so zurechtlegt, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm daraus ein Strick gedreht wird, sobald der Profi auf der Gegenseite Lunte riecht. Genau darauf wartet er/sie doch: Dass das Opfer (egal ob echt oder falsch) meint, sich irgendwie "präsentieren" zu müssen, und sich dafür entlarvbar verstellt. Also: Danke für den Tipp, Frau Schmollak, aber möge ihn bloß keines der Opfer befolgen!

     

    Nun aber zurück zum Problem der hohen Dunkelziffer:

    Es müssen also mehr wahre Opfer vor Gericht ziehen. Aber wie macht man denen das schmackhaft?

    Manche haben Angst vor der Demütigung, sowas überhaupt zugeben zu müssen, manche vor Rache, unheimlich Viele sicher auch schlicht um ihre Beziehung, weil der Vergewaltiger gleichzeitig Vater ihrer Kinder ist. Kann man denen mit "mehr Sensibilität" im Strafverfahren gegen den Täter helfen?

     

    Und überhaupt: Wie sähe denn mehr Sensibilität aus? Dass die Gerichte auch schon mal Einen ohne eindeutige Beweise verknacken, um seiner Anklägerin nicht zu arg auf die Pelle rücken zu müssen? Und wie unsicher darf's dann bitte sein??

     

    Man kann es offenbar nicht oft genug wiederholen: Das Strafrecht humanistischer Prägung ist kein geeignetes Instrument für das Opfer, am Täter Genugtuung zu üben. Es funktioniert am besten, wenn alle Beteiligten VOR ALLEM wollen, DASS es funktioniert, und nicht irgendeine persönliche Agenda dabei verfolgen. In den USA mag das noch anders sein, wo der Rachegedanke teilweise noch Recht ist, oder im Iran, wo das Opfer sogar bei der Strafe mitreden darf. Aber wollen wir da (wieder) hin?

  • J
    Juli

    Liebe Kommentatorengemeinde,

    in diesem Artikel geht es nicht darum, ob Kachelmann oder xy schuldig oder unschuldig ist sondern um die Wirkung solcher Prozesse auf Opfer (Überlebende) und zukünftige Opfer sowie um das Dilemma der Justiz. Dies als rechtsfeindliche Kampagne darzustellen und nur darüber zu mokieren wie die Presse mit den mutmaßlich unschuldigen Männern umgeht ist doch recht geschmacklos. Es ist ein erwiesener Fakt, dass relativ wenige Fälle sexueller Gewalt zur Anzeige und noch weniger zu einer Verurteilung kommen (ich verzichte bewusst auf Zahlen). Sowohl im Bekanntenkreis als auch auf meinem Arbeitsplatz begegne ich einer erheblich größeren Anzahl Frauen, die sexuelle Gewalt nicht zur Anzeige gebracht haben als diese, die Anzeige erstatteten.

    Gründe hierfür sind neben der enormen Traumatisierung vielseitig: So ist der Täter meist ein Mensch aus der Familie / dem Bekanntenkreis, die Spiegelung der gesellschaftskonformen Meinung ist zudem nicht gerade ermutigend und oft weiß das Opfer, dass es wenige oder keine Beweise gibt.

    Wie mit sexueller Gewalt und deren Opfern, auch den männlichen, umgegangen wird liegt an unserer Gesellschaft und der Weise wie wir über diese Fälle reden / berichten. Eine Bloggerin hat einen sehr lesenswerten Beitrag dazu im Netz veröffentlicht. Dieser ist als “Who hears you, when you speak about rape?” zu finden.

    Ich finde es löblich, dass zumindest einige Medien sich zu diesem Thema äußern und evtl den ein oder anderen zum Nachdenken bringen.

  • HL
    Hauke Laging

    "Schweden, einem der skandinavischen Musterländer in Sachen Gleichstellung" – das ist ja zum Totlachen. In Schweden wird der Rechtsstaat abgeschafft, und die taz feiert das als Gleichstellungsvorbild. Sind aus taz-Sicht Gleichstellung und Rechtsstaat nicht kompatibel? Die Show um Assange war derart lächerlich, dass jeder, auch der, der sonst gar keine Einschläge mehr merkt, sich darüber klar wurde, dass man schwedischen Boden besser nicht betritt.

     

    "Die Debatte darüber, wie sich in Deutschland vergewaltigte Frauen verhalten sollen, ob ihnen geglaubt wird und was sie dafür tun können, damit ihnen geglaubt wird, hat also stark mit dem allgemeinen Geschlechterbild in der Gesellschaft zu tun. Das Bild der jederzeit sexuell verfügbaren Frau sitzt in manchen Köpfen immer noch fest - bei Männern und bei Frauen." – das ist eine böswillige Unterstellung gegenüber der gesamten Gesellschaft, man könnte es auch unverschämt finden.

     

    Könnte es vielleicht sein, dass der Betrachter sich ganz unabhängig von Männer- und Frauenrollen fragt, was ein sinnvolles, stimmiges Verhalten wäre? Über 90% aller Sexualdelikte erfolgen im sozialen Umfeld. Da ist jede massive Gewalt gegen das Opfer eine sichere Verurteilung. Darf man es da als Dritter nicht komisch finden, wenn trotz minimalen Gewaltanwendungsrisikos und des Ausschließens von Missverständnissen so gar nichts passiert? Und das, obwohl doch völlig klar ist, dass in so einer Situation Sex allein gar nichts aussagt und die Beweislage mal wieder schrecklich dünn sein wird?

     

    NIEMAND bestreitet, dass es Vergewaltigungen gibt. Welche Folgen sollte das Bild der jederzeit sexuell verfügbaren Frau (hallo, wer hat das denn, bitte?) denn sonst haben? Warum soll jemand dieses Bild haben müssen, nur weil er sich über fehlenden Widerstand wundert? Was wäre denn beim gegenteiligen Bild, "Frauen sind fast nie sexuell verfügbar", würden dann alle angezeigten Vergewaltiger verurteilt? Weil ja "klar" wäre, dass in den fraglichen Situationen kein normaler Sex vorgelegen haben kann? Sollen die Frauen konsensualen Sex in Zukunft vorher bei der Polizei anmelden müssen, damit man nicht erst mal von einer Vergewaltigung ausgeht? Würden sie das tun wollen?

     

    Von 3% Falschbeschuldigungen zu sprechen, ohne zu erwähnen, dass die seriösen Studien von 1,5% bis 20% reichen, macht den Artikel nicht besser.

     

    Und drei "Freisprüche" als prägende gesellschaftliche Erfahrung anzuführen, während gleichzeitig zwei zu unrecht verurteilte (und in einem Fall lange inhaftierte) Männer von den Medien aufgegriffen werden, ist gelinde gesagt dreist. Nicht nur diese beiden Fälle, sondern auch Kachelmann zeigt doch vor allem, dass der Unfähigkeit der Justiz keine Grenzen gesetzt sind.

     

    Wer etwas gegen Vergewaltigungen tun will, sollte vor allem etwas gegen verwahrlost oder misshandelt aufgewachsene Kinder tun.

  • G
    Gast

    Ich sage es ganz ehrlich: Solange die patriarchalen Strukturen in dieser Gesellschaft durch Bruderschaften organisiert sind und diese in allen wichtigen Stellen wie der Justiz, Wirtschaft etc. das Sagen haben, macht es als Frau überhaupt gar keinen Sinn darin Energie zu verschwenden, denn sie wird oftmals für nichts gewesen sein oder sogar ihnen direkt dienen. Selbst Frauen in hohen Positionen in der Wirtschaft haben erkannt, dass der Einsatz gemessen mit dem Ergebnis sich schlichtweg nicht lohnt. Ich kann jeden davon abraten heutzutage eine Anzeige wegen Vergewaltigung zu machen. Der Einsatz gemessen an dem Ergebnis lohnt sich nicht. Im extremen Fall wird es alles nur noch schlimmer. Es gibt andere Wege und Lösungen.

  • S
    sonja

    Das Problem ist doch in diesen Fällen nicht unbedingt nur die Rechtsprechung, sondern vor allem der Umgang der Medien mit dem Thema, besonders bei Kachelmann und DSK. Im Interesse der objektiven Wahrheitsfindung sollte es doch hier angezeigt sein, dass diese Fälle möglichst diskret behandelt werden. Statt dessen stürtzt die Pesse sich reißerisch auf Täter und Opfer, die beide nicht unbeschadet bleiben. Auch die Ermittler haben in allen diesen Fällen keine objektive Rolle gespielt. Wieso z.B. musste DSK großartig in Handschellen der Presse vorgeführt werden? Und wieso drangen im Fall Kachelmann so viele Datails der Anschuldigungen an die Öffentlichkeit? Jeder Artikel über diese Themen wurde stets fleißig kommentiert, was bei wirklich wichtigen Themen oft nicht der Fall ist.

    Ich denke, solche Prozesse sollten einfach diskreter behandelt werden, zum Schutz von Opfer und Täter (der ja nicht vorverurteilt werden soll) und im Interesse einer objektiven Wahrheitsfindung.

  • T
    Thom

    Die Frage ist: wo ist das Skandalisierungspotential? Daß dem Täter die Schuld nachgewiesen werden muß und eine Vermutung oder Möglichkeit der Tatbegehung für die Verurteilung nicht genügt, ist nicht neu und nicht exklusiv für Vergewaltigungen sondern ein fundamentaler Grundsatz von Rechtsstaatlichkeit.

    Zweitens hat nicht das vermeintliche Opfer eben jene Schuld zu beweisen, sondern die Staatsanwaltschaft. Sie leitet das Verfahren gegen den Beschuldigten, später (vielleicht) Angeklagten.

     

    Leichtfertige Verurteilungen führen beispielsweise in einem Land, in dem Laien über die Schuldfrage entscheiden (den USA nämlich, dazu, daß massenweise Unschuldige im Gefängnis landen, weil ihr Lebenswandel etwa nicht den Vorstellungen entspricht, den die Geschworenen haben oder weil sich die Laienrichter berufen fühlen, lieber einen Gefährlichen weniger als einen potentiell Gefährlichen zu viel herumlaufen zu lassen. Aus diesem Grund wird immer wieder die Unschuld von Todeskandidaten nachgewiesen, es gibt zu diesem Zweck eigene Rechtsgruppen an den Universitäten.

     

    Gegen solche Probleme kann sich nur blind machen, wer eben nicht die geforderte Empathie besitzt, sondern stur die Welt in gut und böse aufteilt. Die Forderung nach schnellerer Verurteilung, kommt der Forderung faktisch gleich, Unschuldige hinter Gitter zu setzen. Fünf Jahre Gefängnis sind dann scheinbar die angemessene Sippenhaft dafür, mit dem falschen Geschlecht auf die Welt gekommen zu sein.

    Kein Zufall, daß diese Diskussion besonders in prüden und verklemmten Nationen wie Deutschland und den USA hochkocht, wo Sexualität im Subton immer etwas Anrüchiges hat.

  • T
    Tom

    Das Problem bei dem Ganzen:

    Weder kann man bei vielen Fällen sagen, ob es eine Falschanschuldigung ist oder eine Vergewaltigung. Es fehlt einfach an belastbaren Beweisen. Das ist leider so. Es ist sicher kaum auszuhalten, wenn man betroffen ist, sei es als Vergewaltigungsopfer oder als Opfer einer Falschanschuldigung. Die Richter können einfach in den meisten Fällen doch nicht helfen.

     

    Man kann nur hoffen, dass es weniger Fehlanzeigen gibt und sollte diese scharf bestrafen, weil jede Unterhöhlt die Aussagen der wirklichen Vergewaltigungsopfer.

  • A
    Anita

    "Doch vor Gericht werden mutmaßliche Opfer oft wie mutmaßliche Täter behandelt..."

     

    Nur gut, dass die mutmaßlichen Täter nie das Opfer sind...

     

    Vergewaltigung ist eine sehr böse Sache. Aber es ist auch eine sehr böse Sache unschuldig deshalb angeklagt zu werden.

    Ich kenne beide Seiten aus meinem persönlichen Umfeld und weiß nicht, für wen es schlimmer war.

  • K
    klaer

    ...alles hat zwei seiten.

    als betroffene kann ich nur sagen,nie!!! wieder mache ich sexuelle belästigungen öffentlich.von,stell dich nich so an bis is doch nich so schlimm oder war doch nur einmal, gab es alle facetten der kleinredung.

    meine hoffnung ist, dass die täter schön viele schlaflose nächte haben, ne lebenskrise bekommen und wenn se 80zig sind winselnd zur beichte gehen, weil se dem druck nicht mehr standhalten.ich habe ja nur in meine firma unruhe reingebracht...wie böse.

    für betroffene: es hilft sarkasmus,rache auf dem "kleinen" dienstweg und ne emdr therapie.

    alles gute!

    ...hüstel...wenn tschekka die taz nicht gefällt,muss er was anderes lesen,odda...

  • PM
    Peter Mueller

    "...werden nur 13 Prozent der in Deutschland angezeigten Vergewaltiger verurteilt. Das Bundesfamilienministerium spricht sogar nur von 5 Prozent, die Dunkelziffer beträgt demnach 95 Prozent. Und Falschbeschuldigungen?"

     

    Die Dunkelziffer ist die Zahl der nicht angezeigten Delikte, nicht die Zahl der nicht zur Verurteilung fuehrenden Anzeigen.

     

    Insgesamt ein schwacher Kommentar, einseitig und tendenzioes und, wie oben aufgezeigt, mit sachlichen Fehlern. Wie "meinname" und andere festgestellt haben hat der aus Mangel an Beweisen Freigesprochene einiges zu leiden, und eine Falschanzeige (die Zahl der Falschanzeigen ist sicherlich hoeher als 3%) ist immer ein einfacher und sicherer Weg, einem ehemaligen Geliebten eins auszuwischen.

  • K
    koelneruwe

    Soviel Dummheit tut schon weh:

    Assange ist nicht freigesprochen worden, da der Prozess noch garnicht begonnen hat.

    Dunkelziffer von 95%???

    Prozentrechnung kann die Autorin, schade nur, daß sie nicht weiss, was eine Dunkelziffer ist, etc.pp.

  • H
    hä?

    "der des gerade erst freigesprochenen Exchefs des IWF"

     

    welcher freispruch? hab ich was verpasst? fand eine verhandlung statt? ab da hab ich beschlossen, dass ich den artikel nicht mehr weiter lesen muss, wenns schon am grundsätzlichen happert....

  • KK
    Karl K

    Strafrichter war ich "Gott sei dank" nicht. So denn nur eine Idee als Hinweis.

     

    Was in der Sache weiterhelfen könnte, wäre eine intensive flächendeckende Aus- und Weiterbildung in "Stuttgarter Beweislehre"( ich nenn das mal so) und moderner Beweiserhebungslehre. Und zwar von den Polizisten über die Staatsanwälte bis zu den Richtern.

     

    Dass die (Zeugen)aussage das schlechteste Beweismittel ist, hatte ich schon als Referendar gelernt.

    (echtes Beispiel: Auf einem von Hochhäusern umstandenen Platz schießen sich zu bester Feierabendszeit bei dichtbesetzten Fenstern zwei Mitglieder verfeindeter Gangs.

    Wieviele der rund sechzig Zeugenaussagen schildern den Tathergang in Übereinstimmung mit dem Schußgutachten? 20 ? 10 ? Nicht eine !)

     

    Mit Erschrecken mußte ich aber als Tagungsleiter feststellen, wie gering meine Kenntnisse und die der Kollegen - aller Gerichtsbarkeiten, Beweiserhoben wird schließlich überall - in moderner Beweislehre und Befragungstechnik waren.

     

    Wir nahmen staunend zur Kenntnis , dass jeder Aussage ein Wahrheitsgehalt von lediglich 50 % zuzubilligen ist. Und es sodann sogenannter Beweiszeichen bedarf, diesen Grad zu erhöhen oder zu senken.

    Auch dass der Satz "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" in den Orkus gehört.

    Ja , dass ein Zeuge, der erst sagt, "die Ampel war rot", 2 Monate später sie als "gelb" und sodann vor Gericht als " grün" bezeichnet, keineswegs unglaubwürdig ist.

    Vielmehr herauszufinden ist, welche Aussage glaubhaft ist.

    Starker Tobak gewiß. Aber ein ausgewachsener Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht zog am Ende einer Tagung über Befragungstechnik (Stichwort: von der offenen zur geschlossenen Frage) Resumee. Er müsse akzeptieren, dass er mehr als zwanzig Jahre falsch befragt habe. Sei aber froh, noch zehen Jahre Gelegenheit zu haben, seine jetzigen Erkenntnisse anzuwenden.

     

    Diese Dinge beruhren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über menschliche Aussagen. Bei aller Skepsis gerade bei den Praktikern, kapieren aber nahezu alle aufgrund einschlägiger Übungen einschl. der (auch videoaufgezeichneten) "Selbstversuche", auf was für falschen Pferden man da gesessen hat.

    Und schärft den Sinn für Skepsis gegenüber der eigenen Beobachtung und zwingt zu deren Kontrolle.

     

    Würde diese Latte auf allen drei Ebenen sachlich fundiert angelegt und zur Geltung kommen, wäre weniger Raum für emotional-unsachliche Fehler und Begleiterscheinungen. Das Vertrauen der Anzeigenden wie auch der Verdächtigten in die Wahrheitsfindungskraft der Institutionen könnte eine andere, sachlichere Grundlage bekommen.

  • L
    LeserIn

    Die "arme-Männer-Masche", die hier in einigen Kommentaren gestrickt wird, scheint mir in erster Linie undifferenziert. Die Art und Weise, wie im Artikel Studien präsentiert werden, mag seine Angriffspunkte bieten, aber letztlich sollte das nicht der Kern der Debatte werden. Denn viel wichtiger ist doch, dass angemahnt wird, hier stimme grundlegend etwas im Geschlechterverhältnis nicht. Und da kann noch so viel an Zahlen und Prozenten gedreht werden; das erlebt man jeden Tag.

     

    Ich möchte weder Partei für die "Arme Männer Fraktion" noch für die "Arme Frauen Fraktion" ergreifen. mutmaßliche Täter dürfen nicht von Anfang an als Täter behandelt werden, bis nicht ihre Schuld feststeht. Das ist ein wichtiger Grundsatz, der wird im Artikel auch klar gemacht und deshalb sehe ich hier auch keine Anti-Rechtsstaatliche Kampagne seitens der taz. Gefordert wird Sensibilität für das (mutmaßliche) Opfer und ich verstehe ehrlich nicht, wie bei dieser Forderung Wellen der Empörung so hochschlagen können. Sexuelle Gewalt ist ein sensibles Thema, denn sie hat auf unterschiedliche Menschen unterschiedliche Wirkungen, ist schwer zu greifen, schwer zu beweisen und schwer zu verwinden. Sensibilität zu fordern, heißt noch lange nicht die Rechtsstaatlichkeit über Bord zu werfen oder Männer zu hassen.

     

    Männer sind übrigens im Normalfall nicht steinreich, nicht unbedingt mächtig und nicht von medialem Interesse. Kachelmann und Strauss-Kahn werden behandelt, als seien sie die Vertreter des kleinen-(der-Vergewaltigung-bezichtigten-)Mannes, aber das sind sie nicht. Sie werden dazu gemacht, weil die Medien dieser Welt auf personalisierte Informationen setzen, weil Menschen das lesen wollen. Wenn wir weiterhin nur über Vergewaltigung reden, wenn ein Mensch von öffentlichem Interesse involviert ist, kommen wir nicht weiter. Medien neigen zum Schreien, Menschen neigen zum Schreien, aber speziell in diesem Fall überhört man leicht die Stimmen derjeniger, die wirklich etwas zu sagen hätten.

  • S
    Sarah

    Noch einmal zum mitlesen für Alle (das scheinen hier ernsthaft viele noch nicht begriffen zu haben und das ist echt TRAURIG!!!):

     

    Es gibt sicherlich Falschaussagen, ja! Aber die meisten Übergriffe werden erst gar nicht zur Anzeige gebracht! Die wahren Opfer sitzen da und können nichts tun. Sie wissen, dass Aussage gegen Aussage stehen wird. Welche Chance hat man als Opfer?

    Natürlich ist dann in dem Fall der prozentuale Anteil derer, die Falschaussagen tätigen möglicherweise sogar relativ hoch, gemessen an der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Übergriffe. In Relation aber zur TATSÄCHLICHEN Anzahl an Übergriffen ist der Anteil verschwindend gering.

    Das ist Mathematik 5. Klasse ...

  • S
    Sarah

    Ich kann verstehen, dass Männer sich davor fürchten, irgendwann einmal in ihrem Leben einer Falschbeschuldigung zum Opfer zu fallen. Diese Angst entsteht wohl aus Unwissenheit, da diesen Männern überhaupt nicht klar ist, dass tatsächlich die meisten Übergriffe nicht angezeigt werden.

     

     

    Ich kenne einige Fälle, in denen Männer wg. sexuellen Missbrauchs oder Vergewaltigung vor Gericht standen. Alle (!) wurden freigesprochen.

    Darüber hinaus kenne ich einige Fälle sexuellen Missbrauchs, die nie angezeigt wurden.

     

    Was sagt mir das als Frau? Wo sind denn die Fälle, die angezeigt wurden und der Täter (die Täterin) sitzt im Knast?

    Diese Fälle scheinen kaum zu existieren. Leider.

    Es ist persönliche Erfahrung, die sich aber mit den Statistiken deckt. Kein Mensch, dem nicht selbst so etwas widerfahren ist, kann es nachvollziehen, wie das ist, so etwas nicht beweisen zu können. Mir dreht es einfach nur den Magen um, ständig von diesen scheinbaren Falschaussagen zu hören. Und am meisten kotzt es mich an, dass Unbeteiligte Außenstehende ernsthaft meinen, sie könnten beurteilen, ob der/die Täter/-in schuldig oder nicht schuldig ist.

    Menschen, die z.B. nach dem Kachelmannurteil vor dem Gerichtssaal stehen und Sekt schlürfen ... welch Hohn!

    Wir wissen es einfach nicht, was passiert ist. Punkt!

  • A
    Alpenglühn

    »Die in Statistiken meist verfälschte, tatsächlich aber relativ hohe Falschaussagenquote gerade in Sexualstrafverfahren«, schreibt der Richter am Bundesgerichtshof, Ralf Eschelbach, in seinem Kommentar, »wird nicht ausreichend beachtet.«

  • V
    Vincent

    Bei 5% Verurteilungsquote gibt es keine 95% Dunkelziffer, liebe Frau Schmollak. Es gibt 95% Nichtverurteilung - diese warum auch immer.

    Hingegen könnten Sie sehr wohl mit Fug und Recht behaupten, dass es eine x%-ige (nicht 97% aber gösser als 3%) Dunkelziffer bei der Falschbeschuldigung gibt, da nur 3% aufgeklärt wurden. Der Begriff Dunkelziffer sagt nämlich aus, dass die genaue Zahl nicht erkennbar, also bildlich gesprochen im Dunkeln, ist.

    Die Anzahl der tatsächlichen Vergewaltigungen, die durch eine Anzeige verhandelt werden, ist eine wie auch immer grosse Restmenge.

    Ausserdem weiss auch jede Frau und jedes junge Mädchen hier in D, dass sie eine Anzeige erstatten kann. Das ist nicht nur in Schweden so.

  • S
    Sokrates

    Ich denke, wir sehen hier die Justiz in einem unauflöslichen Dilemma. Auf Grund der Intimität zwischen zwei Menschen kann es in vielen Fällen ohne Zeugen überhaupt keine Rechtsprechung geben. Indizien führen ebenfalls in die Irre. Was wir erleben, ist dennoch der Versuch Recht zusprechen. Dies geschieht, um die Autorität der Richter und Staatsanwälte auf anderen Rechts-Gebieten in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten.

    Ich sehe die Justiz in einer existenziellen Krise. Es gibt nur Stagnation, keine Fortentwicklung. Weder in der Forensik, in der Struktur noch in den Studiengängen.

  • T
    Tschekka

    Weiter geht die Rechtsstaatsfeindliche taz Kampagne. Das "mutmaßliche Opfer", bzw die Staatsanwaltschaft, muss ihre Anschuldigung natürlich beweisen. Dass Ihnen nach der Kampagne gegen Kachelmann das Kachelmannurteil stinkt, ist eh klar. Was aber sagen sie zu den nachweislichen Lügengeschichten des dortigen "Opfers" bis hin zu gefälschten Beweismitteln? Oder interessiert dies nicht, weil das mutmaßliche Opfer eine Frau und damit generell Nichtlügnerin ist? Und der Mann damit frei zum Abschuss?

    Wollenma mal eine Studie sprechen lassen? In der von Frau Lenz in der taz bereits einmal FALSCH zitierten Studie "Vergewaltigung und sexuelle Nötigung

    in Bayern, 2005" heißt es wörtlich:

    "....durchschnittlich geschätzten prozentualen Anteil der Vortäuschungen

    und falschen Verdächtigungen an allen Anzeigen gem. § 177 StGB - Sexuelle

    Nötigung; Vergewaltigung mit 33,4%..."!!!

    Arme Männer!

  • SB
    Scharfer Beobachter

    Und wie sensibel geht die Presse mit den beschuldigten Männern um? Werden die nicht von Anfang an durch den Dreck gezogen, als sei ihre Schuld längst bewiesen? So gesehen ist der Artikel sehr einseitig. Eine Frau kann heute einen Mann ziemlich leicht fertig machen, auch wenn am Ende ein Freispruch aus Mangel an Beweisen herauskommt.

     

    Und bevor eine® motzt: Ich will keineswegs irgendwas bagatellisieren. Ein wirkliches Opfer muss geschützt werden, ein wirklicher Täter muss bestraft werden. Doch leider gab es und gibt es weiterhin auch falsche Anschuldigungen; wie soll ein Gericht das zweifelsfrei klären ohne Zeugen oder Geständnis? Am Ende bleiben immer 2 Opfer........

  • AH
    Aus Haching

    Was haben Männern aus den Fällen Kachelmann, Assange und Strauss-Kahn gelernt?

     

    Nichts - nicht Bekanntheit, Reichtum oder Macht - schützt einen Mann davor, verhaftet und medial hingerichtet zu werden, wenn eine Frau offensichtlich unrichtige Behauptungen aufstellt. Faktisch ist die Beweislast umgekehrt, der Mann muss noch die unsinnigsten Lügen widerlegen.

     

    Strauss-Kahn und Kachelmann hatten das Geld, sich professionell verteiden zu lassen. Viele andere haben das nicht, Otto Normalmann landet auf so eine Anschuldigung hin jahrelang im Gefängnis. Schöne neue Welt.

  • D
    deviant

    Alles, was in diesem Artikel geäußert wird, ist pure Ideologie; und genau da liegt das Problem.

    Nehmen wir nur mal die als angeblich valide angeführten "Fakten":

    »"Wie eine von der EU in Auftrag gegebene Studie der Londoner Metropolitan-Universität von 2009 zeigt, werden nur 13 Prozent der in Deutschland angezeigten Vergewaltiger verurteilt. Das Bundesfamilienministerium spricht sogar nur von 5 Prozent, die Dunkelziffer beträgt demnach 95 Prozent. Und Falschbeschuldigungen? Gibt es laut Studie nur 3 Prozent.

    Beratungsstellen sehen angesichts dieser Zahlen eine "Gerechtigkeitslücke".«

     

    Das sind reine Mutmaßungen, mit derselben ideologischen Brachialität könnte man behaupten, 400% der schuldigen Vergewaltiger werden verurteilt: 99% der wirklich Schuldigen, sowie für jeden Schuldigen noch etwa 3 Unschuldige. Das wäre eine mindestens ebenso gefährliche "Gerechtigkeitslücke".

     

    Ähnlich verhält es sich mit dem Vergleich mit Schweden: Es macht keinerlei Aussage zu wirklicher juristischer Gerechtigkeit, sondern sagt allerhöchstens aus, dass im Zweifel eher dem Kläger geglaubt wird als in Deutschland.

     

    Zweifel aber, das stellen Sie bereits zu Beginn fest, darf es für eine Verurteilung eigentlich nicht geben.

     

    Es ist ein kaum aufzulösender Konflikt, dass der Täter/die Täterin in einem Vergewaltigungsfall im Vorteil ist, ganz egal, ob er/sie Sexualtäter oder Verleumdungstäter ist.

    Versuche, diesen Sachverhalt zu Lasten juristischer Grundsätze und zu Gunsten des Klägers aufzulösen, sind jedenfalls das Schlechteste, was man dazu beisteuern kann.

  • AC
    Albert Cerny

    Es fällt mir auf, das in den letzten Jahren, sowohl die Rechtssprechung als auch der soziale Umgang in der BRD ein sehr seltsames Bild erzeugen.

    Es wird darüber geschrieben. Wie in Ihren Artikel. Doch es wird wohl "nicht einmal ignoriert". Weder Richter, noch die Volksvertreter machen sich die Mühe bestehende Missstände aus der Welt zu schaffen. Nicht einmal den Ansatz eines Versuches kann ich erkennen. Das ist leider sehr schade. So werden die Errungenschaften der 70iger abgebaut anstatt ausgebaut.

  • M
    meinname

    Sehr einseitiger Kommentar, der wieder die andere Möglichkeit auslässt, die da ist: Was ist, wenn sie es sich nur ausgedacht hat?

     

    Von den drei genannten Fällen hat ein Mann untertauchen müssen und sich dann monatelang mit Hausarrest und Auslieferungsverfahren herumschlagen müssen, aufgrund von bizarren Vorwürfen, die in Deutschland (und den meisten anderen Ländern) nie als Vergewaltigung gelten würden.

     

    Der nächste sass ein knappes Jahr im Gefängnis und kann trotz Freispruchs seinem Beruf so niemals wieder nachgehen.

     

    Wieder der nächste galt als 'der nächste Präsident Frankreichs', führend in allen Umfragen, bis ihn ein durch und durch konstruierter Vorwurf, der an ein Komplott erinnert, zum Hoffnungs- und Arbeitslosen gemacht hat.

     

    Auch hier fehlt es an Sensibilität gegenüber den Opfern zerstörerischer Verleumdungen.

  • E
    eorkjoerj

    Sie schreiben etwas von 3 Prozent Falschbeschuldigungen. Ich nehme aber an, dabei handelt es sich um das Äquivalent zu den 5% der verurteilten Vergewaltiger? Also 3% gerichtlich festgestellte und sanktionierte Flaschbeschuldigen, da wo die Beweise ausreichen? Bei Ihnen leist sich das ja so, als wäre es sicher, dass nur 97% der Fälle Vergewaltigungen gewesen sind, nur eben bei 92% "aus Mangel an Beweisen".