Debatte nach Exzessen im Schanzenviertel: Kein Alk mehr auf der Straße
SPD und CDU wollen ein Verbot des öffentlichen Trinkens an den Brennpunkten Hamburgs prüfen. Den Bezirk Altona stören besonders die Exzesse im Schanzenviertel.
HAMBURG taz | Betrunkene, die Flaschen durch die Gegend werfen, in die Ecken kotzen und in die Hauseingänge pinkeln – das sind die Begleiterscheinungen der großen Party, die jedes Wochenende im Hamburger Schanzenviertel steigt. Das sei den eingesessenen Bewohnern nicht länger zuzumuten, findet die zuständige Bezirksversammlung Altona und hat deshalb die Verwaltung beauftragt, ein Handlungskonzept gegen den exzessiven Alkoholkonsum auf der Partymeile vorzulegen.
CDU und SPD in der Bürgerschaft denken derweil schon weiter: Sie wollen prüfen, ob das Trinken von Alkohol an bestimmten Orten zu gewissen Zeiten verboten werden kann. Rechtlich ist das nicht einfach.
Das Schanzenviertel, insbesondere der Platz vor der besetzten „Roten Flora“ hat sich in den vergangenen 15 Jahren zu einer Attraktion für Nachtschwärmer entwickelt, die vergleichbar ist mit einschlägigen Plätzen an der Reeperbahn.
Alkoholverbote, wie sie andere Kommunen eingeführt haben, sind schon mehrfach wieder aufgehoben worden.
Freiburg im Breisgau scheiterte 2009 mit dem Versuch, das Freilicht-Trinken in seinem Kneipenviertel zu unterbinden, an der Klage des damaligen Jura-Doktoranden John Philipp Thurn. Das Verbot sei zu pauschal, urteilte der Verwaltungsgerichtshof. Nicht jeder, der trinke, sei eine Gefahr
Die württembergische Kleinstadt Schorndorf versucht mit einem Alkoholverbot in Parks der wachsenden Plage jugendlichen Komasaufens zu begegnen. "Keine Ahnung, ob das hält, wenn einer klagt", sagt der Schorndorfer Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD). Klopfer und Thurn werden in Hamburg Auskunft geben.
Insbesondere seitdem der Platz im Zuge der städtebaulichen Aufwertung des Viertels zu einer „Piazza“ wurde, versammeln sich hier abends Hunderte von Vergnügungswilligen – nicht nur in, sondern auch vor den Kneipen.
Die Straßenpary geht weiter
Für viele Anwohner ist das zum Ärgernis geworden. Mit den Wirten streiten sie sich über den Lärm, den die Gastronomie auf den Gehsteigen verursacht. Doch wenn die Kneipiers spätabends die Gehsteige geräumt haben, geht die Straßenparty munter weiter – nicht zuletzt, weil sich die Gäste in den örtlichen Kiosken und Märkten günstig mit Alkohol versorgen können.
„Das Amusement auf Kosten anderer hat ein Ausmaß angenommen, das nicht mehr tolerierbar ist“, sagt der SPD-Bezirksabgeordnete Mark Classen. Die Anwohner würden terrorisiert.
Dagegen vorzugehen sei eine schwierige Sache, sagt Classen mit Blick auf entsprechende Anläufe in anderen Kommunen. Verbote und Auflagen könnten leicht mit den Grundrechten kollidieren. „Es hat bisher noch keine Regelung gegeben, gegen die nicht geklagt wurde“, sagt er.
Gegen ein Alkoholverbot, wie es die Hamburgische Bürgerschaft erwägt, hätte er zwar nichts einzuwenden, so es sich denn als möglich erweise. Die Bezirksversammlung versuche jedoch, ihren eigenen Weg zu gehen.
Der Ordnungsdienst ist zu schwach
Im Hauptausschuss beschlossen ihre Fraktionen von der FDP bis zur Linken einstimmig, ein Handlungskonzept in Auftrag zu geben: Dabei könnte mit den Kiosk-Besitzern gesprochen werden, die am Straßenalkohol verdienen; es könnte versucht werden, den Lärmschutz zu gewährleisten und den Jugendschutz durchzusetzen. Dafür wäre der bezirkliche Ordnungsdienst mit seinem Dutzend Mitarbeitern aber zu schwach auf der Brust.
Auf gesamtstädtischer Ebene liegt der Bürgerschaft ein Antrag der oppositionellen CDU vor, ein Gesetz zu verabschieden, das örtliche Alkoholverbote per Verordnung ermöglichen würde.
„Es geht nicht um ein allgemeines Alkoholverbot“, versichert der CDU-Abgeordnet Kai Voet van Vormizeele. Es solle nur dort eingegriffen werden, wo sich alkoholbedingte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten häuften.
Am 2. August will das Landesparlament von Experten und Anwendern hören, ob das funktionieren könnte und sich lohnen würde. Der Antrag zielt vor allem darauf, Trinkertreffs zu sprengen, wie sie sich auf Bahnhofsvorplätzen gerne bilden.
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