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Debatte Zukunft SyriensWas kommt nach Assad?

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die Türkei wird die Zukunft des Landes wesentlich mitbestimmen. Bislang gibt die Außenpolitik von Erdogan wenig Anlass zur Hoffnung.

Und dann? Bild: reuters

S pätestens seit am Mittwoch in Damaskus eine Bombe den innersten Machtzirkel um Präsident Baschar al-Assad traf, ist klar, dass in Syrien das Ende des derzeitigen Regimes unmittelbar bevorsteht. Die wichtigste Frage lautet deshalb jetzt: Was kommt danach?

Anders als in Libyen, wo nach dem Fall von Tripolis und der Ermordung Gaddafis wenige Tage später die Kämpfe im Großen und Ganzen beendet wurden, droht in Syrien die Gefahr, dass mit dem Fall von Assad der Bürgerkrieg in eine neue, womöglich noch blutigere Phase eintritt. Ganz egal mit welchen Motiven und Wünschen der Aufstand gegen die Diktatur der Baath-Partei vor fast eineinhalb Jahren begann, heute ist daraus ein Kampf geworden, der nicht mehr nur Freiheit gegen Diktatur, sondern vor allem die Befreiung einer sunnitischen Mehrheit von der Vorherrschaft einer alawitischen Minderheit meint.

Selbst wenn Assad getötet wird, sind aber die Alawiten noch da und mit ihnen die Minderheit der Christen, Drusen und Kurden. Der benachbarte Libanon und die Kriege im damaligen Jugoslawien haben gezeigt, zu welch mörderischem Dauerkonflikt eine solche Konstellation führen kann.

Bild: taz
JÜRGEN GOTTSCHLICH

ist Türkei-Korrespondent der taz in Istanbul.

Schon jetzt ist klar, dass die Syrer allein kaum in der Lage sein werden, Frieden zu schaffen. Hilfe von außen ist notwendig, doch bislang hat das Ausland den Krieg eher befördert als gebremst. Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und die Türkei aufseiten der Sunniten, der Iran, die schiitische Regierung im Irak und die Hisbollah im Libanon aufseiten Assads und damit der schiitischen Minderheit. Im Hintergrund ziehen die USA auf der einen und Russland auf der anderen Seite die Fäden.

Wichtigste Verbündete in Ankara

Der wichtigste Frontstaat im Kampf gegen das Assad-Regime ist die Türkei. Der syrische Nationalrat, der Zusammenschluss der Exilopposition auf politischer Ebene, sitzt in Istanbul und ist Gast der türkischen Regierung. Die syrischen Muslimbrüder treffen sich schon seit Jahren in der Türkei und sind der AKP-Regierung von Tayyip Erdogan bestens bekannt.

Nicht zuletzt sitzen die Repräsentanten der Freien Syrischen Armee auf der türkischen Seite der Grenze zu Syrien und werden von der türkischen Armee geschützt. Die wichtigsten Alliierten von Baschar al-Assad indessen sind Putin und die russische Regierung.

Deshalb sind Russland und die Türkei die ersten Adressen, wenn es darum geht, die Zukunft Syriens mitzugestalten. Ministerpräsident Tayyip Erdogan war just am letzten Mittwoch zu Gesprächen in Moskau. Eine Stunde vor seinem Treffen mit Putin ging in Damaskus die Bombe hoch, die den syrischen Verteidigungsminister und den Schwager von Assad tötete. Beiden, sowohl Putin als auch Erdogan, muss in diesem Moment klar gewesen sein, dass sich Assad nicht mehr sehr lange wird halten können.

Autonomie für die Kurden?

Erdogan sagte auf der anschließenden Pressekonferenz, man sei sich darin einig gewesen, dass Syrien nicht zerfallen dürfe. Das ist eine andere Formulierung dafür, dass ein endloser Bürgerkrieg droht, der tatsächlich weder in türkischem noch in russischem Interesse sein kann. Wenn Putin noch einen Resteinfluss in Syrien behalten will, müsste er jetzt auf eine Übergangsregierung ohne Assad drängen, die der Opposition entgegenkommt, aber trotzdem zumindest Teile der alten Strukturen aufrechterhält. Hält Putin an einer bedingungslosen Unterstützung von Assad fest, steht er in absehbarer Zeit in Syrien vor dem Aus.

Aber auch für Erdogan, der bislang genauso stur auf die sunnitische Karte setzt wie Putin auf Assad, muss ein Bürgerkrieg entlang ethnischer und religiöser Linien in Syrien ein Albtraum sein.

Nicht nur in Syrien lebt eine alawitische Minderheit, auch in der Türkei sind knapp 20 Prozent der Bevölkerung Alawiten, die mit großer Sorge nach Syrien schauen. Und wenn nach den Kurden im Irak sich nun auch die Kurden in Syrien für eine Autonome Zone entscheiden, dürfte das den Kurden in der Türkei einen wichtigen Schub in Richtung Autonomie geben.

Die Übergangsregierung

Der erste Schritt muss aber von Russland ausgehen. Putin ist derjenige, der Assad und seinem engeren Umfeld ein sicheres Exil anbieten und ihn so zu einem Abgang drängen könnte, der anschließend noch einigen Spielraum in Syrien offenlassen würde. Kein Wunder, dass sogar Barack Obama Putin zu einem solchen Schritt drängt, denn auch die USA und Israel können einen „Libanonkrieg“ in Syrien nicht wollen.

Erst nach einem Abgang Assads hätte die türkische Regierung die Möglichkeit, die sunnitische Opposition einschließlich der Vertreter der Freien Syrischen Armee dazu zu drängen, einem Waffenstillstand zuzustimmen und es mit einer Übergangsregierung zu versuchen.

Zumindest offiziell hält Putin ein Exil für Assad in Moskau für völlig abwegig. Das heißt aber nicht, dass Russland nicht hinter den Kulissen dennoch darauf hinarbeitet.

Vertrauen ist nicht angebracht

Auch die türkische Außenpolitik bietet bisher wenig Anlass, in die Weisheit von Erdogan und seinem Außenminister Ahmet Davutoglu zu vertrauen. Vor allem die Affäre um den angeblich von Syrien abgeschossenen türkischen Militärjet vor knapp drei Wochen zeigte, dass die türkische Regierung offenbar ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hat, selbst in Syrien militärisch zu intervenieren und das Land damit in ein Abenteuer mit völlig unabsehbarem Ausgang zu stürzen.

Doch die türkische Bevölkerung ist strikt gegen eine militärische Verwicklung in Syrien. Selbst Umfragen regierungsnaher Medien zeigen, dass 70 Prozent keine militärische Intervention in Syrien wollen, in welcher Form auch immer. Schon aus innenpolitischen Gründen ist es für Erdogan deshalb angezeigt, in Syrien von Aggression auf Vermittlung umzuschalten.

Angesichts der derzeitigen Situation ist es kaum von Bedeutung, ob sich der UN-Sicherheitsrat nun noch zu einer Verlängerung der Beobachtermission in Syrien durchringt oder nicht. Wichtig ist allein eine breite internationale Unterstützung für die Einsetzung einer Übergangsregierung ohne den Assad-Clan. Sie dürfte der einzige Weg sein, einen Bürgerkrieg doch noch zu verhindern.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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13 Kommentare

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  • W
    witok

    tja, außer linksaußen nix im Hirn. Ich hab der tazIn mal mehr zugetraut.

    Man/manInnen kann könnInnen sich täuschen.

     

    Womöglich merkt ihr/ihrInnenn noch nicht mal, dass ihr/ihrInnenn dem Globalfaschismus 100% zuarbeitet.

    Oder doch bewußt ?

     

     

    Bye bye taz

     

    War mein letzter Besuch auf ihrer/ihrinnener Seite

  • HH
    Hasan Hüsseyin

    Hallo Jürgen,

     

    ich bin wirklich ein großer Fan Deiner Artikel und Deines Sachverstands.

    Man merkt vor allem aus Deinen Türkei-Artikeln, dass Du sehr gut mit der türkischen und kurdischen Linken in Istanbul vernetzt bist.

    Aber mein Bild von Dir ist beim Lesen dieses Kommentars in 1000 Scherben zerbrochen: Alawiten und Aleviten.

     

    Von Welt und Focus Autoren ist man die schlechte Recherche ja gewohnt, aber bisher nicht von Dir. Und ich lese seit Jahren besonders Deine Artikel sehr gerne,weil Sie der deutschen Öffentlich einen sehr guten Überblick über die Lage in der Türkei geben.

     

    Ich schätze, dass Du nach den vielen Leserbriefen, mittlerweile ganz genau weißt, was der Unterschied zwischen Aleviten und Alawiten ist. Als Türkei-Korrespondent ist es auch wirklich zu erwarten.

     

    Ein Tipp: Wahrscheinlich stammen 50 % Deiner Linken Kontakte in Istanbul aus Alevitischen Familien. Frag sie doch mal.

     

    Ein Vorschlag: Vielleicht kannst Du ja zum 30. Jahrestag des Sivas-Massakers am 02.07.2013 einen Artikel dazu veröffentlichen!

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Mitglied der Alevitischen Gemeinde Berlin

  • G
    Gast0815

    An den Author:

     

    Sie verwechseln unglücklicherweiße Aleviten und Alawiten. In der Türkei leben (sehr) grob geschätzt 20% ALEVITEN, wohingegen ALAWITEN fast ausschließlich in Syrien anzutreffen sind.

     

    Kurzum: Aleviten und Alawiten sind nicht das Gleiche und unterscheiden sich gravierend voneinander!

     

    In anbetracht der Tatsache, dass Sie beides gleichsetzen und politisches Kalkül daraus ableiten, traue ich Ihren weiteren Ausführungen nicht allzu sehr.

     

    Bitte besser recherchieren!

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Gast0815

  • A
    Ali

    Hallo Herr Gottschlich,

     

    Sie als Türkeikenner müssten doch wissen:

     

    Syrische Alawiten != Türkische Aleviten

     

    MfG

    Ali der Alevite

  • G
    gadin

    sehr geehrter herr gottlich... den unterschied ALEVITEN und ALAWITEN sollten sie noch einmal erarbeiten... die aleviten sind eine andere glaubensrichtung !!! UND traditionell Anhänger Atatürks dem Staatsgründer Türkei... klingelt was ????

  • D
    Detlev

    Ich bin mir nicht sicher, ob das Ende Assads droht. Es wird medial viel gegen ihn Stellung gebracht und viel Positives darf man bei ihm auch nicht suchen, aber ob die Aufständischen ihn niedermachen, wenn große Teile seiner militärischen Reserven noch nicht mal im Kampf sind?

    Ich vermute aber, dass über diese in Hand der Aufständischen-befindlichen Grenzübergänge jetzt schnell moderne Waffen und Agenten gebracht werden, die Assad schweren Schaden zufügen werden. Aber für eine Entscheidung erscheint mir das etwas früh.

  • C
    Cemal

    Lieber Herr Gottschlich,

    Sie haben da eine Falschangabe gemacht. Die 20% in der Türkei sind "Aleviten", und nicht "Alawiten".

    Alawiten sind eine schiitische Gruppe, die Aleviten hingegen eine eigene Religion. Diese beiden haben soviel miteinander gemeinsam wie Juden und Katholiken.

     

    Gruß Cemal

  • P
    paulibahn

    "sondern vor allem die Befreiung einer sunnitischen Mehrheit von der Vorherrschaft einer alawitischen Minderheit meint"

    leider wird auch in diesem ansonsten guten kommentar wieder die sektiererkarte gespielt. von einer alawitischen herrschaft über eine sunnitische minderheit kann so auf keinen fall die rede sein. vielmehr basiert die macht in syrien nicht auf religiöser zugehörigkeit, sondern auf hörigkeit gegenüber dem regime. oder wie sonst erklärt der autor, dass im gesamten staatsapparat und an allen positionen auch die "unterdrückten" sunniten zu finden sind?

  • ZK
    Üzmit Kismet

    LEBT BIN LADEN EIGENTLICH IIMMERNOCH ODER WIE KOMMT ES (SEIT SEINEM TOD!) ZU EINEM BÜNDNIS DES WESTENS MIT ISLAMISTEN?

     

    Naiv zu glauben Assad wäre am Ende und eine imperialistische Frechheit sind die Frontlinien des Westens: Mit Islamisten zusammen gegen Alawiten und Kurden, wobei beide wahrscheinlich auch noch die beiden einzigen potentiellen Bündnispartner für Israel sein dürften. Denn nach einem Sieg über die Alawiten wird es gegen Israel gehen.

    Eins dürfte doch wohl klar sein:

    Hätte der Phantom-Abschuß über einer griechischen Insel stattgefunden, wären sicherlich weit über 70% in der Türkei für einen Krieg gegen Griechenland, die dreisten türkischen Lügen über die Völkermorde von 1912-23 und ihre Einkreisung Griechenlands mit Militärstützpunkten in Ägypten und Albanien zeigen wie es danach weiter geht: Ölförderung in der Ägais ist Casus Belli auf türkischer Agenda...

    Warum wird eigentlich nicht über russische Flottenverbände berichtet? Müßten inzwischen angekommen sein...:

    http://www.keeptalkinggreece.com/2012/07/10/greek-media-russian-warships-entered-the-aegean-sea-on-syria-mission/

  • D
    D.J.

    Danke für den kenntnisreichen und sachlichen Kommentar. Andere Medien, allen voran der Spiegel, haben sich durch ihre dümmliche Propaganda vollkommen diqualifiziert - diese Leute sind es nicht wert, Journalisten genannt zu werden.

  • TD
    Tarik Demir

    Sehr geehrter Autor

     

    Sie haben sich viel mühe gegeben beim Verfassen des Artikels und fast alle geo-politischen Aspekte des Artikels klingen plausibel und nachvollziehbar.

    Aber recherchieren sie bitte in Zukunft besser, denn wenn sie tatsächlich die AlEviten in der Türkei mit den Alawiten ( oder auch Nussarianer genannt) in Syrien gleich setzen wird man den Anschein nicht los, dass sie mit Verlaub gesagt , nur halb-wissen ausgeben und damit ihr Geld verdienen.

    Mfg

  • A2
    Alleswisser 2012

    Ich bin überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit die westlichen Medien davon ausgehen, Assads Niederlage sei nur noch eine Frage der Zeit. Ganz offensichtlich ist der Konflikt in Syrien doch längst internationalisiert. Er ist ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA, Europas auf seiten der FSA und Chinas und Russlands auf seiten des Regimes. In der Berichterstattung flackert mir da zu sehr die menschenrechtliche Euphorie, letztlich gespeist aus den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges. "Der Westen" mag sich einfach nicht vorstellen, dass er mit all seinen Waffenlieferungen an die FSA auch sein Waterloo à la Vietnam und Afghanistan erleben kann. Wie sagt der Volksmund: eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und ein Erfolg im Herzen der Bestie von Damaskus noch keinen Sieg syrischer Demokraten.

  • P
    patrice

    Also zunächst finde ich die Analyse der komplexen Situation zutreffen und passend. Es ist davon auszugehen dass der Konflikt sich in ein langjährigen bürkerkrieg ausbreiten wird. Aber die Alawiten in der Türkei habe nichts mit der alawidischen Gemeinschaft in Syrien zu tun. Das wird oft verwechselt aber beide Gruppierungen beziehen such auf komplett andre Grundlagen. Das wollte ich nur kurz richtig stellen.