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Debatte WeltuntergangApokalypse Soon

Kommentar von Ilija Trojanow

Filme über den Weltuntergang sind en vogue. Wieso eigentlich? Der Spaß am Untergang ist nicht ganz so harmlos wie er daherkommt.

So schön kann Weltuntergang sein. Bild: AllzweckJack / photocase.com

G ehn ma halt a bisserl unter / Mit tschin-tschin in Viererreihn / Immer lustig, fesch und munter / Gar so arg kann’s ja net sein. (Jura Soyfer)

Wie gerne gehen wir mit einem Bierchen in der Hand vor den Fernseher, den Mund voller Popcorn ins Multiplex. „The Book of Eli“, „I am Legend“, „2012“, „Doomsday“, „The Road“, „28 Weeks Later“, so lauten die Titel nur einiger der unzähligen Filme aus den letzten Jahren, die apokalyptischen Kitzel garantieren.

Im Fernsehen taumeln Zombies im Wochentakt, die Serie „Walking Dead“ gehört zu den erfolgreichsten der letzten Zeit, auch von der Kritik hochgelobt, und die eigenen Kindern lesen sich durch eine kandierte dystopische Albtraumtrilogie namens „Tribute von Panem“. Endzeitvisionen sind en vogue.

Bild: taz
Ilija Trojanow

ist Schriftsteller und Weltensammler. Veröffentlichungen: "Stadt der Bücher" (mit Anja Bohnhof), München 2012, und "Die Versuchungen der Fremde: Unterwegs in Arabien, Indien und Afrika", München 2011.

Die naheliegende Erklärung

Wieso eigentlich? Wieso beglückt uns das mediale Aussterben unserer Spezies, die Verödung des Planeten, die auf die Spitze getriebene Brutalität unserer Zivilisation? Wieso entfliehen wir unserem Alltag in den Weltuntergang? Eine Erklärung ist so naheliegend, dass sie sich sofort aufdrängt. Die katastrophalen Entwicklungen, die in den Filmen und Büchern zur finalen Explosion gelangen, sind schon im Gange, unsere Ängste gehen im Kino ersatzweise in Erfüllung.

Die Zahl jener, die erkennen, dass es so nicht weitergeht, dass unser Wirtschaftssystem destruktiv überpotent und unser politisches System lähmend machtlos ist, wächst rasant – eigentlich ist das Ende des ewigen Wachstums und des Katastrophenkapitalismus für jeden evident, der nicht mit Verdrängung arbeitet. Für diese Vermutung spricht, dass bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Atomkrieg Auslöser der filmischen Katastrophe war, entsprechend den damals vorherrschenden Befürchtungen. Seitdem haben Klimaumwälzungen und Epidemien den atomaren Erstschlag ersetzt.

Da der kommerzielle Erfolg von Filmen von Teenagern und jungen Erwachsenen bestimmt wird und sich diese meiner zugegebenermaßen begrenzten Erfahrung nach eher Sorgen um ihre persönliche als um die planetare Zukunft machen, funktionieren die Dystopien und Apokalypsen doch eher als Negativ, vor dem die Belastungen und Herausforderungen der eigenen Existenz verblassen. Wer in Zeiten wachsender Unsicherheit lebt, wer nicht weiß, ob er in dieser Gesellschaft ein würdiges Auskommen findet, ob er gar gebraucht wird, der findet Trost in der grotesken Überzeichnung seiner Verunsicherung.

Der Horror und das Chaos auf der Leinwand oder dem Bildschirm versöhnen uns mit der Dystopie light der Gegenwart. In diesem Sinne erfüllen Endzeitfilme eine ähnliche Rolle wie seit Längerem schon die Obdachlosen, die den braven Bürgern und Bürgerinnen täglich vor Augen führen, wie tief sie stürzen könnten, wenn sie nicht aufpassen, nicht spuren, nicht schuften. Erstens kann uns eh nix gschehn. Zweitens ist das Untergehn S’einzge, was der kleine Mann heutzutag sich leisten kann.

Tarantino, der Opportunist

Der Untergang ist uns nicht nur recht und billig, sondern auch Trost. So weit, so erschreckend. Ebenso bedenklich ist eine weitere zeitgeistige Komponente unserer apokalyptischen Gier: die Verunmenschlichung der anderen. In Zeiten liberaler Gesinnung und politischer Korrektheit ist die Dämonisierung und Ausrottung von Fremden in mehr oder weniger realistischen Filmen kaum noch opportun (auch wenn die Ressentiments wieder anschwellen), weswegen etwa Quentin Tarantino auf Nazis, Zombies und Sklavenjäger zurückgreifen muss, um seine Gewaltorgien zu verwirklichen.

Ganz anders gestaltet es sich nach dem Untergang. Die Serie „Walking Dead“ führt exemplarisch vor, wie alle humanitären Hüllen fallen (außer gegenüber dem kleinen Zirkel der eingeschworenen Überlebensgemeinschaft). Zu Beginn der Serie versuchen die wenigen Überlebenden vor den vielzähligen Zombies zu fliehen, die Erinnerung an eine gemeinsame Menschlichkeit ist noch gegenwärtig, doch im Laufe der ersten Folgen verblasst diese „Sentimentalität“ und es geht danach nur noch darum, die gefährlichen, aber auch überflüssigen Scheinlebenden möglichst effizient zu vernichten.

Je mehr die Gruppe umzingelt wird, desto radikaler stellt sich die Frage der Selbstverteidigung, bis hin zu der Überlegung, ob es gerechtfertigt ist, auch (Über-)Lebende zu töten, wenn sie zu einer Gefahr für die Gruppe werden. Das postapokalyptische Genre ist die Fortsetzung des Westerns mit brutaleren Mitteln.

Gute alte koloniale Aggression

So sehr fühlen wir uns als Zuschauer der Serie mit bedroht, dass wir zu Komplizen eines Überlebenskampfs um Tod oder Leben werden und schließlich mit Befriedigung darauf reagieren, dass den Zombies der Kopf eingeschlagen wird. Irgendwann haben wir die Prämisse der Erzählung gänzlich verinnerlicht. Die Unmenschlichen zwingen uns, gelegentlich Unmenschliches zu tun, wie etwa einen Zombie aufzuschneiden, um herauszufinden, was er neulich gegessen hat. Dieses Prinzip ist natürlich alles andere als neu, es dominiert die ethische Selbstrechtfertigung aller kolonialen und imperialen Aggressionen.

Nur wird es im apokalyptischen Film in die Zukunft gerichtet. Es herrscht Knappheit vor, es ist nicht genug für alle da. Die Horden sind inzwischen überall. Da wir die Wildnis nicht mehr zivilisieren können, bleibt uns nur, die Nischen des vertrauten Lebens zu verteidigen. Nicht die Moral des Helden ändert sich, sondern die Moral des Zuschauers, der Einsicht in die Notwendigkeit gewinnt, dass die ekligen, alles bedrohenden Überflüssigen massakriert werden müssen.

In diesem Sinn sind die Unterhaltungsfilme der Weltuntergangsindustrie erstaunlich visionär. Wir sind nicht mehr weit entfernt von einer Unterteilung der Erdbevölkerung in „Brutale“ und „Ewige“, wie sie der Genreklassiker „Zardoz“ vornimmt. Die Brutalen leben in einer verwüsteten Landschaft, gepeinigt von Krankheit und Hunger, gejagt und versklavt von den „Ewigen“, die in einem von einer unsichtbaren Mauer geschützten Paradies luxuriös leben. Und mit Sicherheit ganz andere Filme schauen.

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6 Kommentare

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  • V
    vic

    Also auf Zombies könnte ich verzichten. Aber ein Riesenmeteor, der sich langsam aber tödlich der Erde nähert- das hat was.

    Am besten so, dass ich bis zum Finale auf dem Balkon zusehen kann.

    Etwas fehlt noch: Dark Side Of The Moon brutal laut dazu.

  • UZ
    und zu

    @bempo:

     

    Wie immer haben Sie natürlich ein Recht auf Ihre eigene überflüssige Meinung, egal wie daneben sie ist. ;)

     

     

    @mein eigener Kommentar (da ich nu EH schon schreibe):

    Da ist im ersten Absatz aufgrund nachträglicher Satzumstellung die Bedeutung verkehrt worden und ich hab's in der Korrekturlesung leider übersehen.

    Es müsste natürlich heißen:

    "Ehrlich gesagt halte ich diesen ganzen Artikel für Blödsinn.

    Nicht, weil er nicht gut wäre, oder weil er nicht kohärent wäre, was er beides ist. [...]"

  • B
    bempo

    @von und zu:

     

    Ich halte Ihren Kommentar für völlig daneben, weil er völlig daneben ist... Sie haben m. E. zwar eine Menge Geschwurbel gelesen, aber leider überhaupt nichts kapiert!

  • H
    HurricanHunter

    Natürlich glauben die nimmersatten Superreichen, sogar von einem durch die eigene Gier verursachten Zusammenbruch der Zivilisation in ihren "Gated Communities" bei gewohntem Luxus unbehelligt profitieren zu können. Wahrscheinlich hoffen sogar dystropische Buch- und Filmproduzenten, sich aufgrund ihres Vermögens ggf. in diese "Enklaven der Auserwählten" zu retten, weshalb sie bei aller Weitsicht gern derartige Oasen in ihre Werke hineinphantasieren. Doch verraten sie nie, wer womit und warum die Güter des Wohlstands der Herrscherkaste eigentlich produzieren soll. Da wird einfach sehr viel vorausgesetzt, was gar nicht mehr existieren kann. Auch die realen Tyrannen, die da wohl als Vorbild dienen, überleben doch nur, weil sie vom Westen + Rußland + China mit Waffen, Munition, Kaviar und Technik versorgt werden.

     

    In einer Welt jedoch, die nur aus "Brutalen" und "Ewigen" bestünde, gäbe es schlicht niemanden, der die Äcker bestellt, den Strom erzeugt und die Munition für die Waffen fabriziert. Denn Geld ist nur der verbriefte Anspruch auf erbrachte Leistungen anderer. Aber ich leiste nur dann etwas für Geld, Gold oder Diamanten, wenn ich mir damit zumindest Nahrung beschaffen kann. Nahrung jedoch bedeutet Landwirtschaft und Landwirtschaft erfordert spezielle Kenntnisse sowie Saatgut und vor allem Sicherheit von der Aussaat bis zur Ente. Bei der heute üblichen Intensivbewirtschaftung kommen noch Maschinen, Ersatzteile und Treibstoff hinzu. Nach einem globalen Zusammenbruch wäre jedoch Schluß mit Technik; und da die verbliebenen Landwirte auch keine Zugtiere mehr besitzen, könnten sie allenfalls für den Eigenbedarf anbauen. Hinzu kommt, daß die HighTech-Industrialisierung uns nicht nur Fortschritt brachte, sondern auch sämtliche traditionellen, teilweise jahrtausendealten Selbstversorgungsfähigkeiten vernichtete. Wer kennt denn noch jemanden, der körbeflechten, werkzeugschmieden, brunnengraben, stoffeweben usw. kann? Darüber hinaus wurde und wird mittlerweile sogar unsere industrielle Basis durch Auslagerung der Fabrikation nach Fernost vernichtet. Immer mehr produktives Wissen und KnowHow, das noch nach dem 2. Weltkrieg die Auferstehung aus Ruinen ermöglichte, ist nicht mehr vorhanden. In der Vergangenheit gingen zwar schon viele Großreiche unter, aber keines von denen hat die menschlichen Existenzgrundlagen auf derart tönernde Füße gestellt wie unseres.

     

    Selbst tyrannische Herrschaft muß stets auch eine gewisse Sicherheit gewährleisten, damit die Machtmittel (Nahrung,Waffen, Orden usw.) gefertigt und eingesetzt werden können. Die Kriegerfamilien sollte man ebenfalls versorgen und beschützen, ansonsten rennen die Truppen davon und agieren auf eigene Rechnung. Ich wüßte nicht, wie der Geldadel das nach einem Zusammenbruch der globalen Lieferketten aus den umzäunten Enklaven heraus bewerkstelligen könnte. Es hat auch keinen Zweck uns zu versklaven, denn uns fehlt brauchbares Produktionswissen und ihnen erst recht. Außerdem lassen sich hungrige Mäuler nicht dauerhaft knechten, sondern werden zu Wölfen, zu Legionen von furchtlosen, rachsüchtigen Wölfen, die nichts mehr zu verlieren haben. Es ist daher reine Illusion zu glauben, die Nimmersatten könnten ihre Nischen des vertrauten Lebens im globalen Bürgerkrieg verteidigen. Das von einer unsichtbaren Mauer geschützte Paradies mit eingebautem Luxus ist pures Wunschdenken, das die dunkle Ahnung über den Zielzustand des eigenen Tuns hinwegwischen soll: Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' andre an.

     

    Mit Sicherheit werden sie dann einen ganz anderen Film schauen. Nämlich den Kurzfilm, in dem das Leben an ihnen vorüberzieht. Jener Film aber, der diese unvermeidliche Endzeit visuell vorwegnimmt, wird wohl niemals gedreht werden, weil er keinen Finanzier fände.

  • UZ
    und zu

    Ehrlich gesagt halte ich diesen ganzen Artikel für Blödsinn.

    Nicht, weil er schlecht wäre, oder weil er nicht kohärent wäre, was er beides ist.

    Es ist die zugrunde liegende Prämisse, die ich ganz grundsätzlich nicht teile, nämlich die Flucht vor der Realität, das "es könnte ja schlimmer sein".

     

    Vielmehr sind Dystopien (jede Science-Fiction, jede Fantasy, etc) immer Analysen ihrer Zeit und ihrer Vergangenheit. Egal wie weit etwas in der Zukunft liegt, im Grunde spiegelt sich nur die Realität darin.

     

    In Star Trek spiegelt sich der Kampf vom "zivilisierten" Westen gegen die "barbarischen" Sowjets im Kampf der "zivilisierten" Föderation gegen die "barbarischen" Klingonen. Ergo endete dieser Krieg plötzlich mit der Integration der Klingonen in die Föderation, als der Kalte Krieg vorbei war.

     

    Godzilla (resp. die Kaiju insgesamt) ist nicht Ausdruck der brutalen Zerstörungswut der Japaner, sondern Ausdruck der Greuel des Krieges, des nuklearen Infernos von Hiroshima und Nagasaki, sowie der kollektiven Schuld des japanischen Volkes.

     

    "2012" ist wie Schätzings Bestseller Ausdruck eines Bewusstseins davon, dass die Menschheit die Natur und die Welt überhaupt "vergewaltigt" und dass, angesichts der Logik von "Gewalt erzeugt Gegengewalt" irgendwann die Erde sich rächen müsse.

     

    Zombies im Film sind seit jeher eine Methode zur Darstellung einer "Entmenschlichung" oder "Entartung" und damit grundlegende Gesellschaftskritik.

     

    In 28 Days later/28 Weeks later wacht der Protagonist irgendwann aus seinem Wachkoma auf und stellt fest, dass alle um ihn herum ihre Menschlichkeit verloren haben und zu reinen (Fress-)Maschinen verkommen sind (welch ein Bild!). Ähnliches findet man bei vielen großen Philosophen der Moderne oder in literarischen Meisterwerken wie Metropolis oder Chaplins "Modern Times". Nur eben mit anderen Mitteln.

     

    "V wie Vendetta" ist ebenso eine dystopische Gesellschaftskritik derselben Kategorie, die, ganz ohne expliziten Weltuntergang oder Zombies, aus den Ruinen des alten, verkommenen Systems eine neue Hoffnung erzeugen will, die offenbar so vielen Menschen aus der Seele gesprochen hat, dass die Guy Fawkes-Masken inzwischen Zeichen des Protests geworden sind; auch Godzilla ist inzwischen zum weltrettenden Antihelden geworden (message: "Wir haben verstanden, wir müssen mit dieser Schuld leben, sie wird immer da sein. Aber daran können wir reifen" - eine Entwicklung, die leider auf Japan beschränkt ist und in Deutschland nicht allzu viele Anhänger hat).

  • M
    mnst

    Ziemlich exakt diese Beschreibung einer geteilten Welt mit "Brutalen und Ewigen" findet sich in den alten Büchern von Tom Brown jr. unter den Visionen für die Zukunft. Meine Theorie ist ja, dass diese, in die Zukunft oder auf die Leinwand projezierten Szenarien nur Ausdruck einer bereits vorhandenen, gefühlten Realität sind. Toller Artikel, ich werde darüber nachdenken. Danke.